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Mutters

Agenda

fünften Band

26. August 1964

(Infolge irgendeiner Laune des Tonbandgeräts war das folgende, so wichtige Gespräch fast unhörbar, wie verschleiert; die Aufnahme ließ sich nicht retten, wohl aber Satprems Notizen. Es sollte allerdings erwähnt werden, daß an seinem Tonbandgerät recht herumgeflickt worden war... Mutter war stets dagegen, daß Satprem die Geräte vom Ashram auslieh, außer für "offizielle Aufzeichnungen".)

Ich wollte dich auf einen Artikel aus dem "Reader's Digest" über die Struktur der Zellen gemäß den neuesten wissenschaftlichen Entdekkungen aufmerksam machen 1, ich dachte mir, daß dadurch vielleicht einige Aspekte deiner Erfahrungen in ein neues Licht gerückt würden. Insbesondere ist die Rede vom Bewußtsein der Zellen; man ist auf recht mysteriöse Dinge gestoßen... Es besteht eine gewisse Entsprechung zu deinen eigenen Erfahrungen.

Die Frage, die sich mir stellt, ist die, ob die Zellen eine autonome Existenz besitzen, oder ob sie so, wie es jetzt der Fall ist, agglomeriert bleiben und einem kollektiven Bewußtsein unterstehen müssen. 2 Ich spreche nicht vom Bewußtsein des Körpers, das eine Wesenheit ist; ich meine damit: Hat die Zelle als Individualität den Willen, den Zustand ihrer gegenwärtigen Kollektivität zu bewahren? Ist die einzelne Zelle gewillt, in diesem Agglomerat zu verbleiben, genauso wie ein Individuum freiwillig Teil einer Gesellschaft, einer Agglomeration ist, oder besitzt nur das zentrale Bewußtsein diesen Willen?

Sie sprechen vom Bewußtsein einer JEDEN Zelle, die ihren eigenen "Lebenscode" aufweist und für spezielle Arbeiten mit den anderen Zellen kommuniziert und Nachrichten aussendet.

Was ich sagen wollte: Wenn man von einer Zelle ausgeht, besitzt diese Zelle den Willen, in ihrer gegenwärtigen Kollektivität, d.h. dem Körper, zu verharren?

Sie führten ein Experiment durch, indem sie ein Stück der Herzmembrane entnahmen, worauf die dem Körper entzogenen Zellen begannen, sich zu agglomerieren, und dann... "Then they start to move towards one another, after several hours clusters are formed and the cells in each cluster are pulsing in unison" [Sie beginnen, sich aufeinander zuzubewegen; nach einigen Stunden bilden sich Agglomerate, deren Zellen als Einheit pulsieren], als ob sie versuchten, ein neues Herz zu bilden.

Ja, aber es würde mich auch interessieren, ob beispielsweise alle Zellen, die den Körper ausmachen, den Willen haben, diese Einheit zu bewahren, oder ob sie... Sind sie sich nur ihrer selbst bewußt?

Keineswegs, sie verfügen über das Bewußtsein, daß eine kollektive Arbeit auszuführen ist. Und um diese kollektive Arbeit zu organisieren, kommunizieren sie untereinander.

Ja, das verstehe ich sehr gut, d.h. die Zellen des Herzens neigen dazu, ein neues Herz zu bilden, die Zellen der Leber, eine neue Leber zu bilden, etc. Aber ich stehe vor diesem Problem: Hier ist ein Aggregat von Zellen, die diesen Körper ausmachen, liegt ihnen daran, diesen Körper fortbestehen zu lassen, oder...? Wenn sich aber ein Körper zersetzt, bleiben die Zellen nicht mehr Zellen: am Ende werden sie wieder zu Staub.

Die Zelle erneuert sich nur durch die Mutterzelle. Nach dem Tod zerfällt dieser Körper zu Staub.

Ja, dann ist es aus... Siehst du, man nimmt an, daß die Arbeit, die man verrichtet, um die Zellen fortschreiten zu lassen, dem Ganzen dienlich ist – aber ich sehe nicht, wie? Sie werden wieder zu Staub.

Es ist offensichtlich notwendig, daß das Übergangswesen, das Wesen, das die Arbeit ausführt, einen neuen Körper bilden kann oder seinen Zellen eine neue Aktionsmöglichkeit zur Verfügung stellt.

Ja, aber die Zellen werden wieder zu Staub.

Ja... Es gilt einen neuen Körper zu erschaffen.

Nun, ja! Aber Staub bleibt Staub!

Es wäre erforderlich, daß während deiner Lebenszeit, der Lebenszeit dessen, der die Arbeit verrichtet, ein neuer Körper erzeugt wird, ein neuer Körper hervorgeht, mit Eigenschaften, die sich von jenen eines lediglich animalischen Körpers unterscheiden.

Ja, aber vor dem Tod.

Ja, vor dem Tod.

Es muß vor dem Tod stattfinden.

Weißt du, zu unserem Trost sagt man uns auf alle Tonarten, daß all die Arbeit, die getan wird, nicht verloren ist und daß diese ganze Aktion, die auf die Zellen einwirkt, um ihnen das Bewußtsein eines höheren Lebens zu vermitteln, nicht umsonst ist – das stimmt aber nicht, es ist völlig umsonst. Angenommen, ich verlasse morgen meinen Körper; dieser Körper wird wieder zu Staub (nicht sofort, aber nach Ablauf einer gewissen Zeit); also ist alles, was ich für die Zellen getan habe, zu nichts nütze! Lediglich das Bewußtsein tritt aus den Zellen – aber das tut es ja immer!...

Die Sache muß tatsächlich zu Lebzeiten des Arbeiters getan werden.

Ja, natürlich!

Es besteht kein Zweifel daran.

Vorher muß es sein. Etwas muß hier EINTRETEN.

Ja, in deinem Körper, durch deinen Körper muß eine andere Form ausgearbeitet werden. Aber sobald die Zellen bewußt sind, besteht kein Grund mehr, daß dieses Bewußtsein nicht eine neue Richtung einschlägt und einen anderen Körper als einen tierischen Körper erschafft.

Ja, aber das ist nicht meine Frage.

Nach dem Tod ist es jedenfalls aus.

Aus und vorbei.

Vorbei, ja gewiß.

Folglich bedeutet das eine Verschwendung. Man tröstet uns, indem man uns sagt: "Nein, der Tod bedeutet keine Verschwendung, weil alles Teil des allgemeinen Werks wird", aber das ist nicht wahr! Es ist einfach nicht wahr, es bleibt eine reine Verschwendung.

Es ist wahr vom Standpunkt des Mentals und Vitals aus betrachtet, aber vom physischen Standpunkt aus ist es nicht wahr.

Vom physischen Standpunkt her gesehen, ist es reine Verschwendung. Das Mental und das Vital liegen auf einer anderen Ebene, das ist nicht interessant: wir wissen seit sehr langer Zeit, daß ihr Leben nicht vom Körper abhängt – eine Abhängigkeit vom Körper besteht nur vom Standpunkt der Manifestation aus. Das ist eine andere Sache. Ich aber spreche vom Körper, dieser interessiert mich, die Zellen des Körpers, und der Tod, der ist eben eine reine Verschwendung, und nichts weiter.

Ja. Ja, die Transformation muß innerhalb eines einzigen Lebens stattfinden.

Ja.

Nicht im nächsten Leben, sondern in diesem einen Leben. Der Fortschritt deiner Zellen wird sich nicht auf einen anderen Körper übertragen – außer du erzeugst einen anderen Körper.

Das heißt, es müßte noch vor der Auflösung dieses Körpers eine Neuschöpfung stattfinden.

Ja, entweder wandelt sich dein Körper um, oder du erzeugst einen Körper auf andere Art. Aber noch zu deinen Lebzeiten.

Davon bin ich vollkommen überzeugt.

Was man so sagt, ist schön und recht für das Mental und das Vital, denn das Mental und das Vital sind unsterblich – auf jeden Fall können sie es sein; sie haben die Möglichkeit, es zu sein. Für den physischen Teil jedoch wäre diese Möglichkeit erforderlich, nämlich, daß eine bestimmte Eigenschaft der Zellen die Veränderung der Form bewirkt (die Form kann sich ja ändern, sie ändert sich die ganze Zeit, sie ist nie dieselbe), wobei aber die bewußten Wechselbeziehungen unter den Zellen erhalten bleiben müßten. 3

Aber das ist nicht unmöglich.

Es ist mehr als möglich, nur muß man lernen, es zu tun!

Nun, ja! Jedenfalls bringt es nichts, sich mit der Hoffnung zu trösten: "Das nächste Leben" – im nächsten Leben muß man wieder von vorne beginnen.

Man muß alles von vorne beginnen, von Anfang an. Das ist schrecklich!

Es gibt keinen Zweifel, der Umwandler muß die Umwandlung in seinem Leben zustande bringen.

Ich will nicht pessimistisch sein, aber wenn der Tod am Ende steht, wird all meine Arbeit folglich umsonst gewesen sein.

Natürlich nicht für das Bewußtsein – alles, was bewußt ist, bleibt bewußt, auf ewig bewußt – aber für die Zellen des Körpers heißt es, alles von vorne zu beginnen.

Bestenfalls bestünde vielleicht eine neue größere Befähigung.

Wie denn?

Wenn du wiedergeboren wirst, ist dein Mental entwickelter, dein Vital desgleichen; also wird das Körperbewußtsein fähiger sein, die Arbeit wiederaufzunehmen.

Unter der Bedingung, daß der Staub das Bewußtsein bewahrt – und er bewahrt es eben nicht.

Nein, kein Zweifel, die Arbeit muß in einem einzigen Leben getan werden.

Natürlich!

Nun, Sri Aurobindo sagte einmal, daß im Minimum 300 Jahre nötig sein würden, um die Arbeit zu verrichten. Wir sind also noch weitab vom Ziel!

Man hat den Eindruck, daß es nicht so sehr davon abhängt, sondern von der Tatsache, daß die Welt oder die Umstände nicht bereit sind, und wenn die Umstände bereit sein werden, ist es vielleicht keine "lange Arbeit", sondern eventuell etwas, das blitzartig zustande kommt – vielleicht muß man nur den richtigen Moment abwarten.

(langes Schweigen)

Wir werden ja sehen.

Ginge dies eher in Richtung einer Macht zur Materialisation?... Allerdings sind diese Materialisationen nicht dauerhaft, sie weisen keine Dauer auf.

Sri Aurobindo spricht jedenfalls nicht von "Materialisation": er spricht von Transformation.

(Schweigen)

Gut, wir werden sehen.

Letztlich hängt alles von dir ab.

Danke! (lachend) Danke für die Verantwortung.

(Schweigen)

Aber die Zellen stellen bereits einen gewissen Entwicklungsstand dar, insofern als sie eine LEBENSFORM in der Materie sind; es handelt sich um eine Lebensform, es ist nicht mehr eine rein materielle, träge Materie...

Weißt du, solange all diese Dinge auf einer psychologischen Ebene bleiben, ist es sehr bequem; sehr bequem in dem Sinne als man den Schlüssel besitzt, nicht nur den Schlüssel zum Verständnis, sondern auch zum Handeln – solange man auf dieser Ebene verbleibt. Aber sobald es völlig materiell wird, gewinnt man den Eindruck, daß man ABSOLUT nichts weiß; mit all dem, was man weiß, ist noch nichts gefunden – hat man das Mittel gefunden, aus der trägen Materie Leben zu erschaffen? Ich habe noch nie davon gehört.

Einige behaupten es.

Bah!

(Schweigen)

Das wäre dann der Unterschied zwischen dem Subtilphysischen und dem Physischen (die Unsterblichkeit im Subtilphysischen ist sogar völlig offensichtlich: das kann man sich nicht nur leicht vorstellen, es ist eine Tatsache), aber der ÜBERGANG?... Der Übergang, der für die meisten Leute wie der vom Wachbewußtsein zum Schlafbewußtsein und vom Schlafbewußtsein zum Wachbewußtsein ist. Die konkreteste Erfahrung, die ich hatte, erschien mir, als ob ich einen Schritt hierhin und dann einen Schritt dorthin tun würde – es bleibt immer noch ein Schritt zu tun, es gibt immer noch das Hin und Her (Geste eines Umkippens).

Aber dieses Subtilphysische ist sehr, sehr konkret in dem Sinne, als man die Dinge am selben Platz und auf dieselbe Weise wieder vorfindet: NOCH JAHRE DANACH stieß ich wieder auf Plätze, wo ich schon gewesen war, mit gewissen kleinen "inneren" Unterschieden, aber die Sache an sich, zum Beispiel ein Haus, eine Landschaft, bleibt sich gleich, mit kleinen Unterschieden der Anordnung – so wie im Leben selbst. Jedenfalls besteht eine Kontinuität, eine Art Permanenz.

(Schweigen)

Wenn man aber absolut aufrichtig sein und sich nichts vormachen will, d.h. wenn man sich nicht mit oberflächlichen Erklärungen begnügen will, stellt man fest, daß man nichts weiß. Alle Erfahrungen, die ich mit Leuten hatte, die ihren Körper verließen, bestärken mich in dieser Auffassung: je mehr es sind, desto... puzzling [rätselhafter] ist es. Zum Beispiel hatte ich unlängst eine Erfahrung mit L. Am Vortag ihres "offiziellen" Todes suchte sie mich in der Nacht auf eine absolut konkrete Weise auf: sie hatte sich niedergelassen und wollte mich nicht mehr verlassen – überall, wohin ich ging, folgte sie mir. Sie war wie eine Klette, sie sprach mit mir, sie stellte mir Fragen – offiziell war sie aber noch am Leben. Und da war eine Art großes Wesen (es sind Wesen, die in Beziehung mit dem Tod stehen; ich kenne ihren genauen Namen nicht, je nach Überlieferung tragen sie verschiedene Namen – das sind Dinge, die ich theoretisch überhaupt nicht kenne), jedenfalls war da ein solches Wesen, und es erschien mir, als ob es ihr die Erlaubnis erteilt hätte, eine gewisse Zeitlang bei mir zu sein, als ob es die Verantwortung über sie trage und sie zu gegebener Zeit wieder wegführen würde (all das ohne Worte, aber "es verstand sich"). Schließlich sagte sie mir (nachdem sie buchstäblich an mir "geklebt" hatte: ich konnte nichts mehr tun, sie nahm meine ganze Zeit in Anspruch): "Ich wollte meinen Körper am... verlassen" (ich weiß nicht mehr genau, an einem Darshan-Tag, am 24. November oder am 15. August, aber wenn es der 15. war, suchte sie mich am 14. auf). Ich erwiderte ihr: "Hör mal, es ist noch nicht der 15.; wenn du am 15. gehen willst, mußt du jetzt zurückkehren" (ich wollte sie nämlich loswerden! Weißt du, es war so konkret, als ob man jemanden in seinem Zimmer hat und man ihn nicht loswerden kann). Schließlich betrachtete ich dieses große Individuum, das völlig friedlich und wie unbeteiligt im Hintergrund stand (es erschien mir wie eine aktive Erlaubnis), und ich sagte ihm, oder vielmehr gab ihm zu verstehen, daß es vielleicht an der Zeit sei, sie wieder mitzunehmen. Und prrt, verschwand sie augenblicklich – das Wesen hatte nur auf meinen Befehl gewartet.

Nichts davon entspricht irgendeinem aktiven Wissen meinerseits: es ereignete sich einfach so. Und als sie am Morgen in ihren Körper zurückkehrte, sagte sie jenen, die um sie herum warteten: "Ich habe die Nacht mit Mutter verbracht, ich war bei ihr und verließ sie nicht mehr; dann schickte sie mich zurück, aber ich gehe wieder zu ihr." Dies berichtete man mir am Morgen. Einige Stunden später starb sie. Also eine außerordentliche Übereinstimmung, alles deckt sich. Und sie hatte die Absicht, mich nach ihrem Tod nicht zu verlassen (in der Nacht war sie mit der Vorstellung gekommen, daß sie tot sei und von mir Abschied nehmen werde). Als sie dann tatsächlich starb, erhielt ich KEIN EINZIGES Zeichen von ihr!...

Ich fragte mich also: "Besteht tatsächlich ein Unterschied des Bewußtseins, wenn das Leben im Körper ist und wenn man auf die andere Seite geht?..." Tagelang ging mir dieses Problem nach.

Solche Dinge, verstehst du!

Je mehr ich mich in die Details versenke, desto mehr gewinnt man den Eindruck, daß man NICHTS weiß. Was man "wissen" nennt, ist der Wunsch, die Dinge zu definieren, zu reglementieren und zu klassifizieren – es entspricht NICHTS.

(Schweigen)

Jedes neue Jahr bestärkt mich in der Gewißheit, daß wir nichts wissen; und doch wächst und wächst und wächst das Bewußtsein... Alles wird zu einem LEBENDIGEN Bewußtsein, ein jegliches Ding strahlt sein eigenes Bewußtsein aus und EXISTIERT aufgrund von dem. Zum Beispiel das Wissen um eine Sache genau eine Sekunde oder eine Minute vor dem Ereignis: "Die Uhr wird gleich schlagen, jemand wird gleich eintreten, jemand wird sich gleich rühren"... Das sind Dinge, die nicht mentaler Natur sind, sie gehören dem Mechanismus der Dinge an, und trotzdem sind dies alles Bewußtseinsphänomene; die Dinge selber LEBEN (man sagt "leben", es ist aber nicht das), sie lassen einen wissen, wo sie sind, wo sie sich befinden; andere Dinge treten plötzlich aus dem Bewußtsein und verschwinden. Eine ganze Welt – eine Welt kleiner, mikroskopischer Phänomene, die eine andere Lebensweise darstellen und die das Produkt des Bewußtseins OHNE die Intervention dessen zu sein scheint, was wir "Wissen" nennen: etwas, das nichts mit dem Wissen oder dem Denken zu tun hat.

Es gibt Auf- und Abbewegungen, Momente, wo es mehr, und Momente, wo es weniger da ist; um genau zu sein: Momente, wo es aktiv ist, und Momente, wo es passiv bleibt. Und nach jeder Periode der Inaktivität setzt es auf der nächsthöheren Stufe wieder ein, d.h. intensiver und klarer. Das Ganze befindet sich offensichtlich in einem Entwicklungsprozeß. Und da ist eine Art... das Wort awareness käme dem am nächsten; es ist keine Wahrnehmung, diese gehört immer noch dem Bereich des Mentals an, nein, es ist eine Art Phänomen der Sichtweise. Und es hat einen absoluten Charakter; zum Beispiel, wenn ich die Leute über dieses oder jenes sprechen höre und sage: "Es wird so und so sein", kommt augenblicklich eine Art "taktile Sicht" ins Spiel... oder wie soll ich das erklären?... Es hat etwas zu tun mit dem Tast- und Sehsinn (es ist aber keines von beiden sondern beides zugleich): es handelt sich um die Sache, so wie sie ist, es ist DAS; und alle mögen sagen, was sie wollen, es ist DAS, unwiderlegbar. Und bis zum heutigen Moment trat nie ein Widerspruch auf.

Es ist ein Bewußtsein, dem das mentale Element abgeht. Es kommt einfach so, und es ist so klar! Wie ein unmittelbarer Kontakt mit der Sache, so wie sie ist.

Es handelt sich um eine andere Lebensweise.

Ich bin mir bewußt, daß ich abwesend wirke, wenn ich in diesem Zustand bin – ich muß den Anschein eines Automaten erwecken; das Bewußtsein ist aber ganz im Gegenteil sehr ausgeprägt, das Gegenteil von Abwesenheit! Das Bewußtsein ist sehr, sehr wach, außerordentlich wach – aber nicht auf eine mentalisierte Art, ohne die Eingriffe des Mentals.

(Schweigen)

Nun, all dies ist auf der mentalen Ebene sehr bequem, sobald man aber in die Materie hinabsteigt,... hat man den Eindruck, daß es kein Ende nimmt, daß man nicht mehr weiterkommt, ja, man weiß nicht einmal mehr, was zu tun ist, um weiterzukommen. Und wenn sich das sehr zuspitzt, die Spannung immer größer wird, habe ich regelmäßig eine Erfahrung. Aber zur gleichen Zeit die Empfindung, daß Er lacht und sich über einen lustig macht: "Du bist noch ein Kind, du brauchst immer noch Spielzeuge!" Also bin ich brav.

Es handelt sich offensichtlich um eine Übergangsperiode – es ist endlos! Wenn ich mir das überlege und mich erinnere, was Sri Aurobindo sagte – er meinte, es würde 300 Jahre dauern... Wir haben noch Zeit zu warten, man darf es nicht eilig haben.

Nur hat man weder das Gefühl zu können, noch das Gefühl zu wissen, nicht einmal das Gefühl einer Entspannung – die ganze Zeit muß man den Körper im Griff haben, damit ihm nichts zustößt. Sobald er eine Erfahrung wie anderntags macht 4, gerät er völlig aus dem Gleichgewicht.

Wir wissen nichts, wir wissen überhaupt nichts. Alle Regeln... Natürlich sind die innere Erfahrung und das Innenleben kein Problem, das steht außer Frage. Aber diese Art Spannung eines jeden Augenblicks in allen Bewegungen, die man ausführt... Weißt du, genau das zu tun, was zu tun ist, genau das zu sagen, was zu sagen ist – die Exaktheit in allen Bewegungen... Man muß auf alles achtgeben, für alles auf dem Sprung sein: das bedeutet eine immerwährende Spannung. Oder wenn man die andere Haltung einnimmt, sich der Göttlichen Gnade anvertraut und alles dem Herrn überläßt, besteht dann nicht die Gefahr des Zerfalls des Körpers? Verstandesmäßig ist es mir klar, aber der Körper sollte es wissen!

Wenn man jemanden hat, der die Erfahrung gemacht hat und damit auch im Besitz der Weisheit ist, ist alles so einfach! Früher, beim geringsten Anlaß, brauchte ich Sri Aurobindo nicht einmal etwas zu sagen, und alles renkte sich wieder ein. Jetzt bin ich dabei, die Arbeit selbst zu tun, ich habe niemanden, an den ich mich wenden könnte, niemand hat es vor mir getan! Auch das bedeutet eine Spannung.

Man stellt sich nicht vor – man hat keine Ahnung, was für eine Gnade es bedeutet, jemanden zu haben, dem man sich vollständig anvertrauen kann, von dem man sich führen lassen kann, ohne selber suchen zu müssen. Ich besaß das und war mir dessen sehr, sehr bewußt, solange Sri Aurobindo da war, und als er seinen Körper verließ, war dies ein entsetzlicher Zusammenbruch... Man kann sich das nicht vorstellen. Jemand, an den man sich wenden kann, mit der Gewißheit, daß das, was er sagen wird, die Wahrheit ist.

Es gibt keinen Weg, der Weg muß zuerst gebahnt werden!

 

1 In der Augustausgabe 1964 von Reader's Digest: "Inner Space of Living Cells" (Der Innenraum der lebenden Zellen), von Rutherford Platt.

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2 Die Aufzeichnung dieses ersten Satzes ist ziemlich ungewiß.

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3 Der genaue Wortlaut dieses letzten Satzes ist ungewiß.

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4 Der Standortwechsel des körperlichen Bewußtseinszentrums.

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