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Mutters

Agenda

fünften Band

14. Oktober 1964

Du scheinst recht erkältet zu sein!

Ja! (Mutter lacht) Es ist seltsam, ich war mit Leuten zusammen, die allerlei Dinge hatten, einschließlich Fieber, und ich erwischte nichts; dann, am nächsten Tag kam Z...

An der Schule haben sie wieder Dummheiten angestellt, sie haben plötzlich furchtbare Anwandlungen von Unabhängigkeit. Kennst du die Geschichte?... Sie präparierten ein großes Schaubild über den "Schlaf" für den Unterricht der Kinder (das ist ihre Sache), aber dann setzten sie, ohne mich um Erlaubnis zu bitten, ein Zitat von mir darunter, etwas, das ich im Jahre 1952 geschrieben haben soll und wo ich angeblich sagte, daß die Kinder um neun Uhr im Bett sein müßten. Andrerseits zeigt man Filme, die bis um halb zehn oder zehn Uhr dauern. Worauf mich die Kinder mit Briefen bombardieren und mich fragen: "Was sollen wir tun?..." Was mich betrifft, ich weiß gar nicht, worum es geht, und frage mich, was das für ein "Zitat" ist. Dann erfahre ich, daß diese Worte nicht nur unten auf ihrem Schaubild stehen, sondern daß man zusätzlich eine Notiz von mir zirkulieren ließ, wo ich sage: "Kinder müssen um neun Uhr ins Bett gehen." Ich darauf: "Was!" Das habe ich nie zirkulieren lassen! Ich habe dies vielleicht vor Jahren gesagt, aber ich sagte das "einfach so", als Überlegung, "daß es wohl besser sei ..." Es gab einen Riesenaufruhr, ich wurde mit Beschwerden überhäuft. Als dann Z kam, bat ich ihn um eine Erklärung. Er erzählte mir, was sie getan hatten; es scheint, daß die Lehrer, als sie dieses Poster mit meinem Zitat sahen (wahrscheinlich Lehrer, die das Kino nicht mögen oder die gegen dies oder jenes sind und die fanden, dies sei eine gute Gelegenheit, um Lärm zu schlagen), unter sich ABSTIMMTEN, man solle ein Rundschreiben daraus machen! – Sie vergaßen schlichtweg, mich um Erlaubnis zu bitten.

Ich sagte Z: "Also bitte, das geht mir ein bißchen zu weit!" Und dann geriet er wahrscheinlich ganz aus dem Häuschen, denn plötzlich trat etwas durch ihn hindurch: wie kleine schwarze Punkte (es kam nicht direkt von ihm – vielleicht waren es die Lehrer!), kleine schwarze Punkte, die mir an die Kehle sprangen. Ich fühlte, wie es ztt machte und sagte mir: "Oh, was soll das?" Worauf ich kämpfte; ich kämpfte gegen ein Halsweh an, das auch nicht ausbrach – es verwandelte sich aber in einen Schnupfen!

In dieser Schule haben sie eine schreckliche Tendenz, alles in ein System fassen zu wollen.

Ja, Systeme, Regeln...

Sie machen aus allem ein System und eine Formel, alle haben sie ihre "Ideen"...

Ja, ja.

... Und sie fuhrwerken herum. Es gibt mir ein vages Gefühl, daß nicht viel Gutes daran ist.

(An dieser Stelle reicht Mutter Satprem den Brief, worin sich der Verfasser des Posters rechtfertigt. Der Brief verweist auf die Quellen von Mutters Zitat: ein persönlicher Brief von Mutter an einen Anhänger... vor zehn Jahren.)

So steht's! Ein rein privater Brief! Mit welchem Recht hängen sie das an die große Glocke?

Aber das machen sie andauernd, für alles und jedes – sie zerlegen Sri Aurobindo, sie zerlegen Mutter, und dann haben wir's: es wird zum Gesetz, zur Regel, zum Prinzip.

Genau, genau!

Sie haben keinerlei gesunden Menschenverstand. Der gesunde Menschenverstand geht ihnen völlig ab.

Ja. Und jetzt hat er recht (der Verfasser des Posters), und ich habe unrecht.

(Schweigen)

Als ich früher noch auf den Sportplatz 1 ging, schliefen alle kleinen Kinder nach zehn Minuten tief (wahrscheinlich wegen meiner Anwesenheit), und da es nicht kalt war und sie auf Matten lagen, schliefen sie selig bis zum Schluß der Vorstellung.

Damals zeigte man allerdings nur einen einzigen Film pro Woche. Jetzt hingegen – du weißt ja, wie das geht – ist es ein Wetteifern: jedermann will Filme beisteuern; der eine wandte sich also an die französische Botschaft, ein anderer an die englische Botschaft, ein dritter an die amerikanische Botschaft und wieder andere an die russische, deutsche und italienische Botschaft. Es regnet nur so Filme von den Botschaften. Und wie soll man da eine Auswahl treffen? Wie soll man sich entscheiden, ohne den einen oder andern zu verärgern? Vorher war es beschlossene Sache, daß das Kino nur am Samstag stattfand, und so konnten sie am Sonntag morgen eine Stunde später aufstehen, wenn sie schläfrig waren. Jetzt aber wird zwei bis dreimal pro Woche ein Film gezeigt. Daran sind die Leute aber selber schuld! Für jedermann war es eine Ehrensache, Filme von seiner Botschaft zu beschaffen. Wie soll man da die einen zurückweisen und die andern annehmen?

Für mich stellt das Kino aber kaum das größte Hindernis dar. Was viel schlimmer ist, sind all diese Comics, die sie verschlingen – sie verbringen ihre Zeit mit der Lektüre dieser Dinge.

Und das Schlimmste von allem ist, wenn die Familie ankommt! Oh, diese Eltern sind schreckliche Wesen, sie erzählen ihnen das genaue Gegenteil von dem, was wir ihnen sagen, und dann streiten und zanken sie sich vor ihnen und erzählen ihnen all diesen kleinlichen Familientratsch.

Ich bin der Ansicht, daß es nichts nützt, ein Kind ins Bett zu bringen, wenn es nicht schlafen kann – vor dem Schlafen muß es ruhig sein. Wenn man für die Kinder eine einigermaßen ruhige Atmosphäre schaffen würde, könnten sie schlafen...

Das erinnert mich an alle möglichen Dinge aus meiner frühen Kindheit: Meine Großmutter wohnte im Haus nebenan, und abends nach dem Abendessen besuchten wir sie immer, bevor wir schlafen gingen. Ich kann nicht sagen, daß es besonders interessant war, aber sie hatte sehr komfortable Sessel (!), und während meine Mutter mit ihr plauderte, schlief ich ganz wunderbar in einem dieser Lehnstühle – eine Art seligen Schlafs. Wenn dies aber jemand von außen gesehen hätte, hätte er wahrscheinlich gesagt: "Sieh mal an! Man zwingt dieses Kind, bis zehn Uhr aufzubleiben, anstatt es schlafen zu lassen." Während ich mich wunderbar erholte!

Es kommt also auf das Kind an. Wenn es wirklich schläfrig ist, was hindert es dann zu schlafen?... Unabdingbar ist, ihnen eine ruhige Atmosphäre zu bieten, soviel Ruhe wie nur irgend möglich.

Aber sie wollen aus allem ein allgemeines Gesetz machen, während es doch immer eine individuelle Angelegenheit ist.

Absolut.

Auch ist es eine Frage der Erfahrung – aus Erfahrung sprechen. Sie aber wollen ein Gesetz, ein feststehendes Gesetz, das auf alle Details anwendbar ist.

Das ist bequemer! Ja, Gesetze, Gesetze und nochmals Gesetze. Sie haben noch nicht verstanden.

Ich hätte nichts gegen dieses Poster einzuwenden, wenn sie mehrere Zitate verwendet hätten und meines inmitten der anderen gestanden hätte; wogegen ich aber protestierte, war die Tatsache, daß man daraus ein Rundschreiben machte, das man an alle Abteilungen verschickte. Und es war doch ein Privatbrief.

Wenn dieses Zitat wenigstens eines unter vielen anderen gewesen wäre, aber man müßte IMMER auch noch ergänzende Zitate anführen – das tun sie jedoch nie.

Ich erinnere mich, einmal organisierten sie in der Bibliothek eine Ausstellung über Deutschland. Sie stellten ein langes Zitat von Sri Aurobindo zur Schau, wo er sagte: "Dies denken die Deutschen VON SICH SELBST ...", dann folgte ein ganzes Zitat – oh, was für ein Zitat!... Jedenfalls ist es die Rasse der Zukunft, lauter Genies, sie werden die Welt retten etc., etc. Sie aber führten all dies an... ohne den ersten Satz! Ich trete also dort ein (damals hatte ich noch sehr gute Augen) und sehe das! Ich konnte mich erinnern, daß Sri Aurobindo gesagt hatte: "Dies denken die Deutschen VON SICH SELBST", und so sagte ich ihnen: "Das Wichtigste habt ihr aber vergessen, das muß natürlich hinzugefügt werden." Ihre Gesichter hättest du sehen sollen, mein Kind!...

Diese Unehrlichkeit ist erschreckend – sie zerstückeln, sie lassen alles weg, was sie stört, und nehmen nur das auf, was ihnen in den Kram paßt.

Ich habe das schon x-mal gesagt: Wenn man ein Zitat von Sri Aurobindo aufnimmt, müßte man immer auch das entgegengesetzte Zitat dazu nehmen, um zu zeigen, daß er alles sagte und alles voraussah, und daß er alles an seinen Platz rückt.

Aber das mögen sie nicht!

Da ist auch die Geschichte des bedauernswerten T. Er stellte alle Stellen aus den Büchern Sri Aurobindos zusammen, wo er sagt, daß das Mental für den Menschen unerläßlich sei, (Mutter lacht) daß es das Mittel für den Fortschritt darstelle und daß das Leben ohne es unvollständig wäre, etc. – es gibt viele solche Zitate, nicht wahr!... All die andern ließ er weg. Darauf stellte ich voller "mischief" [Schalkhaftigkeit] (lachend) alle anderen zusammen und bombardierte ihn damit!

Er faßte dies als persönliche Beleidigung auf.

Und dann all jene, die mir sagen: "Aber das haben Sie doch vor zwei Jahren gesagt und jenes vor drei Jahren und das ..."; ich darauf: "Ja, jetzt sage ich eben das Gegenteil davon!... Und nach einigen Jahren mag ich sehr wohl wieder dasselbe sagen!"

Das in ihre Köpfe zu bringen, ist wirklich schwierig.

Ja, sie haben solche Köpfe (Geste der Verschlossenheit).

Das ist das Hauptübel an der Schule: dieser Systemgeist.

Ja, Dogmatismus.

Aber genau dies verwandelte die Lehren in Religionen, überall – überall.

Wenn du gingest, wäre dies schrecklich...

Sie kamen mit Leuten aus England und Europa zusammen und sagten bei diesem Treffen: "Ah, die Welt bedarf wirklich einer neuen Religion, jetzt ist der Moment gekommen, ihr eine neue Religion zu geben ..." Sie wollten im Namen Sri Aurobindos eine neue Religion begründen. Darauf entgegnete ich ihnen: "Das Zeitalter der Religionen ist vorbei!" – Sie verstanden nicht, mein Kind! Sie waren entsetzt. Ich schrieb ihnen das ohne weitere Erklärungen, ich warf es ihnen einfach hin, um sie aufzurütteln: "Das Zeitalter der Religionen ist vorbei, dies ist das Zeitalter der universalen Spiritualität" ("universal" im Sinne von etwas, das ALLES enthält und sich ALLEM anpaßt). Ihre Antwort lautete: "Wir verstehen zwar nicht, aber... (lachend) da Sie es sagen, akzeptieren wir es." Im Bulletin fügte ich dann eine Erklärung hinzu (die Erklärung ist weniger stark, aber es galt, sich verständlich auszudrücken), ich sagte, daß die Religionen auf spirituellen Erfahrungen beruhten, die auf ein für die Menschheit verständliches Niveau herabgesetzt worden waren, und daß die neue Phase jene der spirituellen Erfahrung in ihrer Reinheit – nicht mehr auf ein niedrigeres Niveau reduziert – sein müsse. 2

Aber auch das ist nicht leicht zu verstehen.

Jedenfalls... ziehe ich mir dadurch Erkältungen zu!

Ja, genau das führt zu Erkältungen, dieser Dogmatismus, der einen erstarren läßt, der verhärtet und leblos macht.

Und sie sind überzeugt davon, daß sie recht haben und ich unrecht, und nur durch einen gewissen "wohlwollenden Respekt" für mich (Mutter lacht) und aus Höflichkeit sagen sie mir nicht: "Sie übertreiben wirklich, wir hatten recht."

Ah, gehen wir an die Arbeit!...

*
*   *

Ich erhielt einen Brief von meinem Bruder... Insbesondere schreibt er folgendes: "Ich bin entschieden zu "tot", um zu schreiben... Meine Tage sind aufreibend... es gilt, den Ansturm jener auszuhalten, die ihr Leiden, ihren Blick oder ihre Frage auf mich werfen. Ich darf den Faden des großen Friedens inmitten von all dem keinen Augenblick loslassen, um nicht zerrissen zu werden."

In den letzten Nächten hat sich eine Erfahrung entwickelt. Es handelt sich um eine Art Objektivierung, wie ablaufende Szenen, in denen ich eine der beteiligten Personen bin; es ist aber nicht "ich" sondern irgendeine Person, die ich spiele, um ein doppeltes Bewußtsein zu erlangen, das gewöhnliche Bewußtsein und das wahre Bewußtsein zugleich. Eine ganze Reihe von Erfahrungen, um gleichzeitig die Wahre Sache und diese Art Halbtod zu zeigen (sein Ausdruck "ich bin zu tot ..." bringt mich darauf) – der Halbtod des Mentals. In diesen Erfahrungen wirkt die gewöhnliche Geistesverfassung wie etwas Trockenes (nicht eben hart, denn es ist bröcklig), aber leblos, ohne Schwingung – trocken und kalt; und ihre Farbe ist immer gräulich. Dazu kommt diese Spannung zum Zerreißen, die Anstrengung, zu verstehen und sich zu erinnern und zu wissen – zu wissen, was zu tun ist: zu wissen, wenn man irgendwohin geht, wie man dorthin gehen soll, zu wissen, was die Leute tun werden, zu wissen... Verstehst du, alles ist eine immerwährende Frage des Mentals (es geschieht unterbewußt im Mental, gewisse Menschen sind sich dessen bewußt, aber sogar bei jenen, die scheinbar ruhig sind, besteht diese ständige Spannung zu wissen). Es ist eine oberflächliche Sache, ohne Tiefe, kalt und trocken, OHNE SCHWINGUNG. Gleichzeitig, wie schwallweise, kommt das wahre Bewußtsein als Kontrast dazu. Dies erfolgt in fast filmartigen Umständen (immer erscheint es in Form einer Geschichte, um lebendiger zu wirken). Letzte Nacht zum Beispiel (es handelt sich um eine Geschichte unter vielen, vielen andern) sollte das "Ich", das zu diesem Zeitpunkt bewußt war (dieses "Ich", das nicht ich ist, verstehst du), das Ich, das spielte, irgendwohin gehen: Es befand sich an einem Ort mit Leuten zusammen, und es mußte die Stadt durchqueren, um irgendwohin zu gehen, und es wußte nichts, weder die Straße noch den Namen des Ortes, wohin es ging, noch die Person, die es besuchen sollte – es wußte nichts. Es wußte nichts, aber es wußte, wohin es zu gehen hatte. Und dann diese Spannung: Wie kann man nur wissen? Wie kann man wissen? Dieses Ich, das Leute befragte, Fragen stellte, zu erklären versucht: "Wissen Sie, es ist so und so ...", zahllose Details (es dauert Stunden). Und von Zeit zu Zeit, eine Lichtflut – warm, golden, lebendig und behaglich – verbunden mit dem Gefühl, daß alles im voraus arrangiert ist, daß alles, was man wissen muß, gewußt sein wird, daß der Weg im voraus eingerichtet wurde – daß man sich nur zu leben lassen braucht! Es kommt so, stoßweise. Aber dann haben wir einen solch intensiven Kontrast zwischen diesem ständigen Zustand des Mentals mit dieser enormen gespannten Anstrengung, diesem konzentrierten Willen, und dann... diese Glorie. Diese so wohltuende Glorie, verstehst du, wo man sich einem vertrauensvollen Glück überläßt: "Aber alles ist ja bereit, alles ist lichterfüllt, alles ist schon gewußt!... Man braucht sich nur leben zu lassen." Man braucht sich nur leben zu lassen.

Als ob ein Stück gespielt würde, um lebendiger, wirklicher zu wirken – ein Thema, ein nächstes Thema, dies und jenes... Wenn man in einen bestimmten Zustand gelangt, und dann, ein anderes Mal, in einen nächsten Zustand, kann man sich an den Unterschied erinnern, was nützlich ist, und unter dieser Form eines Spiels, mit dem doppelten Bewußtsein, wird der Gegensatz so wirklich und so konkret, daß man von da heraustritt... und sich fragt: "Wie kann man weiterhin in dieser Verirrung leben, wenn man das einmal BERÜHRT hat – berührt, die Erfahrung der Wahren Sache gehabt hat?"

Es ist, als ob der Körper wie ein Kind behandelt würde, um ihn zu erziehen. Denn hier ist die Rede vom physischen Mental, dem materiellen Mental (nicht das spekulative Mental: die Schwingung ist überhaupt nicht dieselbe), es ist das Mental DER ERDE, das Mental des Alltagslebens, das Mental, das man bei jeder Bewegung mit sich trägt und das für den Körper eine solche Bürde ist!... Eine solche Spannung, eine Angst – man hat Angst vor dem Leben. Ja, der Eindruck eines Todes bei lebendigem Leibe.

Als ich heute morgen daraus heraustrat, sagte ich mir: "Das ist merkwürdig"... Aber der Körper lernt seine Lektion; so lernt er seine Lektion. Und trotzdem verharrt er bei dieser üblen Gewohnheit, Regeln zu suchen, im voraus wissen zu wollen, was er tun muß, im voraus wissen zu wollen, wie er sein Leben um einen Rahmen zu organisieren hat, anstatt sich leben zu lassen.

Es ist genau dieselbe Geschichte wie mit der Schule.

Das heißt, sich einen eisernen Käfig zu schmieden und sich dahinein zu begeben.

Genau dies war es.

Jemandem zu erklären versuchen: "Wissen Sie, es handelt sich um einen Ort, der so und so ist, und die Person dort ist so – wissen Sie, diese Person, die das und das gemacht hat ..."

Man versucht eine ganze Anzahl Landmarken... um sich schließlich seinen Käfig zu bauen. Und dann, ganz plötzlich, ein Hauch – ein lichterfüllter Hauch, golden, warm, entspannt und behaglich: "Ach, aber das ist ja offensichtlich, so ist es! Aber ich werde ja ganz natürlich an den Ort GETRAGEN, was soll also diese Komplikation!?"

Hier lernt der Körper seine Lektion. Er lernt seine Lektion.

Er lernt auch die Lektion der "Krankheit" – der Illusion der Krankheit. Das ist äußerst amüsant. Sehr amüsant. Der Unterschied zwischen der Sache selbst, so wie sie ist, der besonderen Störung, was auch immer sie sei, und der alten Gewohnheit, die Sache zu fühlen und zu empfangen, der üblichen Gewohnheit, die man Krankheit nennt: "Ich bin krank." Das ist sehr amüsant. Und IMMER, wenn man wirklich ruhig bleibt (es ist schwierig, wirklich und echt ruhig zu sein – im Vital und im Mental ist es sehr leicht, aber in den Körperzellen ist diese Art Ruhe, OHNE TAMASISCH ZU SEIN, ein wenig schwierig, man muß es lernen), aber wenn es einem gelingt, wirklich ruhig zu sein, erscheint IMMER ein kleines Licht – ein kleines warmes, sehr helles und wunderbar ruhiges Licht im Hintergrund, so als ob es sagen wollte: "Du brauchst nur zu wollen." Worauf die Zellen in Panik geraten: "Wie wollen? Wie kann ich nur? Die Krankheit liegt auf mir, ich bin beherrscht. Wie kann ich nur: es ist EINE KRANKHEIT" – die ganze Komödie (und es geschah nicht im Schlaf: ich war völlig wach, heute morgen), es ist "eine Krankheit". Dann sagt etwas von einer allgemeinen Weisheit: "Beruhige dich, beruhige dich (lachend), bleib nicht hängen an deiner Krankheit! Beruhige dich. Als ob du krank sein wolltest. Beruhige dich." Darauf stimmen sie zu – sie "stimmen zu", weißt du, wie ein Kind, das getadelt wurde: "Schon gut, ich werd's versuchen." Sie versuchen es – unverzüglich erscheint wieder dieses kleine Licht: "Du brauchst nur zu wollen." Und ein oder zweimal, aus diesem oder jenem Anlaß (denn die Störung ist etwas Allgemeines: Man kann an einer x-beliebigen Stelle leiden, an irgendeiner Stelle eine Beschwerde haben, wenn man eine bestimmte Schwingung akzeptiert) stimmt man für diesen PUNKT zu – eine Minute später ist es vorbei. Nicht einmal eine Minute: einige Sekunden, weg. Darauf erinnern sich die Zellen: "Wie kommt denn das? Es tat mir da doch weh ..." Paff, kommt alles wieder zurück! Und die ganze Komödie beginnt so von vorn, andauernd.

Wenn sie ihre Lektion also wirklich lernten...

Die Dinge kommen von außen, man kann sie nicht immer am Kommen hindern; so wie ich dir das vorhin über diese kleinen schwarzen Nadeln erzählte (man paßt gerade nicht auf, man kann sich ja nicht die ganze Zeit schützen!) Aber wenn man in diesem Augenblick die wahre Haltung einnehmen würde... Es war recht eigenartig, denn man hatte es auf meinen Hals abgesehen, was mich auf Trab brachte, denn an dieser Stelle mag ich das gar nicht, und ich konzentrierte mich darauf, worauf sich das Übel zurückzog... (lachend), es verwandelte sich in einen Schnupfen!

Oh, die ganze Zeit lernen sie ihre Lektion, die ganze Zeit. Alle Dinge, alles, was passiert, ist immer eine Lektion – immer. Immer, immer: alle Streitigkeiten, alle Schwierigkeiten, jeglicher Verdruß, alle sogenannten Krankheiten, alles, alle Beschwerden sind da, um einem eine Lektion zu erteilen – sobald man die Lektion kapiert hat, ist es aus damit! Aber leider ist man so langsam und schwerfällig, man braucht so viel Zeit, um die Lektion zu erkennen, daß es sich endlos hinzieht.

Für alle Dinge, auch für diese Geldgeschichte von heute morgen, gilt es, eine Lektion zu lernen. Aber es ist keine individuelle Lektion, verstehst du: das Leidige daran ist, daß es nicht von einem Individuum abhängt, nein, es hängt von einer Gruppe oder von einem bestimmten Typus von Individuen oder von einer Seinsweise des menschlichen Lebens ab, usw. ALLES muß seine Lektion lernen.

Vielleicht... wenn ein symbolisches Wesen stellvertretend all diese Störungen in sich ENTHALTEN und an dieser symbolischen Stellvertretung arbeiten könnte (das beginne ich mich selbst zu fragen, man muß aber viel Ausdauer zeigen!), wenn es über diese Macht verfügt, müßte dies dem Ganzen zugute kommen. Wenn sich nämlich eine ganze Seinsweise der Menschheit ändern muß, damit der Sieg errungen werden kann, wird es noch Jahrmillionen dauern! Vielleicht gibt es aus diesem Grunde symbolische Wesen.

Dies frage ich mich jetzt.

Im ideellen Bereich gibt es keine Probleme, dort ist alles seit langem gelöst – das Problem stellt sich in der Tatsache, in der materiellen Tatsache des Körpers... Er beginnt, seine Lektion zu verstehen. Er beginnt zu verstehen. Und statt dieser egoistischen Antwort, die aus der Aussage besteht: "Oh, nein, davon will ich nichts wissen!" (lachend) "Ich stehe über dieser Schwäche oder dieser Störung", es einfach kommen lassen, es annehmen und sehen, welches die Lösung ist. In andern Worten, anstelle des alten Problems – die Zurückweisung des Lebens, die Zurückweisung der Schwierigkeit, die Zurückweisung der Störung und die Flucht ins Nirvana – tritt das Annehmen von allem und der Sieg.

Dies ist wirklich (soweit ich sehe) das Neue, das Sri Aurobindo gebracht hat. Nicht nur die Idee, daß es möglich ist, sondern daß es die wahre Lösung ist, verbunden mit der Idee, daß man jetzt beginnen kann. Ich sage nicht, daß man jetzt ans Ende gelangen wird, ich habe keine Ahnung, aber die Idee, daß man sofort beginnen kann, daß der Moment gekommen ist, wo man beginnen kann, und daß es die einzig wahre Lösung ist, daß die andere Lösung keine Lösung ist – es war eben eine notwendige Erfahrung im universellen Ablauf, aber die Flucht ist keine Lösung: der SIEG ist die Lösung. Und der Augenblick ist gekommen, wo man es versuchen kann.

Der übliche gesunde Menschenverstand (der in der Welt immer noch vorherrscht) sagt mir: "Du gibst dich Illusionen hin, mein Kind! Du legst dir die Dinge zu deiner Zufriedenheit aus, um die Pille zu versüßen", etc., und so kommt das regelmäßig, wellenartig. Nun gut... das ist auch ein Teil des Problems. Aber es wird eine Zeit kommen, wo gewisse Wahrheiten als wahr anerkannt und nicht mehr bestritten sein werden; dann wird die Arbeit leichter vonstatten gehen. Um aber dorthin zu gelangen, erfordert es zumindest einen Anfang der Erfahrung, einen Beginn der Verwirklichung, damit man sagen kann: "Aber hier habt ihr den Beweis."

Darum scheint es mir beim gegenwärtigen Ablauf zu gehen.

Im Moment wird eine recht unscheinbare Arbeit getan... Ich erinnere mich an den Tag, an dem mir Sri Aurobindo sagte (wir wohnten noch im anderen Haus): "Ja, du bist mit einem Werk des Übermentals beschäftigt, mit einer Schöpfung des Übermentals, du wirst einen Haufen Wunder vollbringen und die ganze Welt in Staunen versetzen!... Das ist aber nicht die Wahrheit, die wir suchen." Ich habe dir das erzählt. Diese Erinnerung hilft mir sehr oft. Ich sagte: "So ist es, wir kümmern uns nicht um den Beifall der breiten Massen!"

Das ist eine ruhmlose Angelegenheit. Aber es geht hier überhaupt nicht um Ruhm! Ich sagte ihm dies: "Ich brauche keinen Ruhm, und ich kümmere mich absolut nicht um die Bewunderung des Publikums! (lachend) Dies hat keinen Platz in meinem Bewußtsein."

Aber ich verstehe... es gibt wirklich tiefere Arten, die Dinge zu verstehen.

Der Körper lernt seine Lektion.

(Satprem schickt sich zum Gehen an)

Mit diesem Schnupfen sehe ich überhaupt nichts mehr, nicht einmal genug, um zu schreiben.

Stell dir vor, ich hatte gewisse wichtige Karten für die birthdays zu schreiben, und man machte mich schon einen Monat vorher darauf aufmerksam. Man sagte mir mehrmals: "Schreib diese Dinge!" Der gesunde Menschenverstand sagt sich darauf: "Aber ich habe noch genug Zeit!" – "Schreib diese Dinge!" Also schrieb ich. Und wenn ich sie jetzt schreiben müßte, käme mir das recht ungelegen.

Ständig erhalte ich Hinweise, die so banal scheinen!... Für alles, für die geringste kleine Sache: "Stell diesen Gegenstand nicht so hin: stell ihn so hin" (Mutter verschiebt einen Gegenstand auf ihrem Tisch) und plötzlich passiert etwas, dies zerbricht, und jenes fällt zu Boden... Das ist wirklich sehr interessant.

(Mutter studiert ihren Terminkalender) Ganze Fluten, Dutzende von Leuten schreiben mir: "Ich WILL Sie sehen, ich WILL Sie sehen ..." So geht das: "Ich WILL Sie an meinem Geburtstag sehen, ich WILL ..." Jetzt antworte ich sehr kategorisch: "Unmöglich, keine Zeit", und ich gebe keine Erklärungen dafür ab. Aber an gewissen Tage bin ich frei, dann verlängert sich die Liste, es kommen fünfzehn, zwanzig, fünfundzwanzig Personen. Wenn man darüber nachdenkt, erscheint es unmöglich; begibt man sich aber einfach dorthin, versetzt sich in einen bestimmten Zustand, ruft den Herrn an und lebt in Seiner Ewigkeit – dann ist es vorbei, ehe man sich versieht.

Das Leben steht unmittelbar vor dem Punkt, an dem es wunderbar wird – aber man versteht es nicht zu leben. Man muß noch lernen. Wenn wir wirklich kapieren, wird es etwas sein.

 

1 Wo die Kinovorstellungen stattfanden.

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2 Hier der genaue, in der Augustnummer des Ashram-Bulletins publizierte Text: "Warum klammern sich die Menschen an eine Religion? Die Religionen basieren auf Glaubenssystemen, die spirituellen Erfahrungen auf einem niedrigeren Niveau entsprechen, wo diese leichter zu verstehen sind, allerdings auf Kosten ihrer vollen Reinheit und Wahrheit. Das Zeitalter der Religionen ist vorbei. Wir sind ins Zeitalter der universalen Spiritualität, der spirituellen Erfahrung in ihrer ursprünglichen Reinheit, eingetreten."

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