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Mutters

Agenda

fünften Band

4. November 1964

(Mutter weist auf einen Stapel Papiere auf ihrem Tisch:) Siehst du, alles verläuft nach dem Schneeballsystem. Alles, was ich berühre, alles, was ich mache, mein ganzes Leben lang war das so: der Schneeballeffekt. Und wenn es sich um materielle Dinge handelt, wird man absolut überschwemmt! Die ganze Zeit läuft das jetzt so. Jeden Tag wollen mich zehn, zwanzig Personen sehen – das ist unmöglich. Und trotzdem tue ich es, wenn ich nur kann... Diese birthday [Geburtstags-] Karten, jetzt haben wir hier schon 1 200 oder 1 300 Leute (das macht recht viele pro Tag), aber das ist nicht alles, dazu kommen noch all die Leute von draußen, ganze Familien! Somit schreibe ich jeden Tag zwanzig, fünfundzwanzig Karten...

Aber ich will mich nicht beklagen, das ist schon in Ordnung, denn die Leute befinden sich in einem großen Wandel; sie interessieren sich viel mehr für den Yoga, und dies auf recht unerwartete Weise. Aber auch die Schwierigkeiten nehmen damit im gleichen Ausmaß zu, die Ausgaben ebenfalls – auch das verläuft nach dem Schneeballsystem!

Schon als ganz kleines Mädchen war dies so für mich... Wenn ich zum Beispiel etwas esse (die Leute sind so freundlich, sie geben mir Dinge zum Kosten und schicken mir alle möglichen Eßwaren – sie glauben, das interessiere mich sehr! –, aber sie sind sehr freundlich), und wenn ich dann unglücklicherweise sage: "Oh, das ist gut", erhalte ich gleich fünfzig!

Natürlich macht das nichts, es findet ein natürlicher Austausch statt: Alles, was ich gebe, sind Dinge, die ich bekam, alles Geld, das ich habe, ist Geld, das man mir gab. So ist das nun mal, ich diene als Zwischenglied.

Man sollte ein Mittel finden, die Zeit ein bißchen dehnbarer zu gestalten – ach, das ist durchaus möglich. Nur basiert man offensichtlich immer noch auf der mechanischen Organisation des Mentals; wenn man aber die Geschmeidigkeit hätte, die richtige Sache genau im richtigen Moment zu tun, dann...

Die Schwierigkeit besteht darin, daß man mit anderen zusammenlebt – ich verstehe sehr gut, daß jene, die dem inneren Gesetz, dem Antrieb einer jeden Sekunde von oben folgen wollten, gezwungen waren, sich zurückzuziehen, denn so hängen sie nur von sich selbst ab (von sich selbst und von der Natur, das heißt, vom Sonnenauf- und untergang, auch von den Pflanzen und Tieren – aber diese stellen keine großen Ansprüche). In einem menschlichen Leben hingegen muß es fixe Zeiten für das Aufstehen, das Schlafengehen und vor allem für das Essen geben: aus Rücksicht auf jene, die kochen... Das hat sicher seine Vorteile: Es gab Zeiten in meinem Leben, als ich ganz allein lebte (nicht lange, aber es kam vor), nun, in jenen Zeiten vergaß ich des öfteren, zu essen und zu schlafen. Das ist ein Nachteil.

Aber es hat einen großen Vorteil...

*
*   *

(Mutter versinkt in eine tiefe, fünfundvierzig Minuten lange Meditation, dann beginnt sie wieder zu sprechen:)

Time passes like a second! [Die Zeit verstreicht wie eine Sekunde!]

Es ist eine Festigkeit in der Atmosphäre, findest du nicht auch? Man fühlt eine Festigkeit der Gegenwart.

Wie eine Sekunde.

(Schweigen)

Gestern verspürte ich zum ersten Mal gleich einem Blitz – es war nur ein Aufblitzen – die physische Gegenwart des Höchsten in einer persönlichen Form.

Es besaß keine definierte Gestalt, aber doch eine persönliche Form. Es kam nach einer Reihe von Erfahrungen, wo ich die verschiedenen Haltungen der verschiedenen Kategorien von Menschen oder von Denkern gemäß ihren Überzeugungen sah. Es war eine physische Gegenwart, und es kam, als ob diese Form meinem Körper sagen würde, konkret mit Worten (das ist eine Übersetzung; Worte sind immer Übersetzungen – ich weiß nicht, welche Sprache der Höchste spricht (!), aber es wird übersetzt, es muß sich im Gehirn eines jeden seiner Sprache gemäß äußern), als ob Er mir sagte: "Durch dich (d.h. den Körper) gehe ich zum Ansturm über... (es war wie eine Eroberung, eine Schlacht), ich gehe zum Ansturm über, um die physische Welt zu erobern." So war das. Und es fühlte sich wirklich wie ein allmächtiges Wesen an, das dieselben Ausmaße wie wir aufwies, aber überall zugleich war, und eine eigentliche physische "Ladung" besaß, um all die kleinen obskuren Dämonen der Unwissenheit zu vertreiben, und diese kleinen Dämonen waren wie schwarze Schwingungen. Er aber hatte so etwas wie eine Form, eine Farbe... und vor allem war da ein Kontakt – ein Kontakt, eine Empfindung. Es war das erste Mal.

Ich habe nie versucht, eine persönliche Form zu sehen, dies erschien mir immer als eine Unmöglichkeit, wie eine Kinderei und eine Herabsetzung; es kam auf völlig unerwartete, spontane und überwältigende Art und Weise: ein Blitz. Ich war so erstaunt... und das Erstaunen führte dazu, daß es wieder wegging.

Das erste Mal in meinem Leben.

Es war eine physische Gegenwart mit einer Form, aber einer Form, die... Es war seltsam, eine Form... Sobald man sie beschreiben will, scheint es schwierig. Aber ich habe immer noch in Erinnerung, eine Form in der Art eines Lichts und von einer völlig speziellen Qualität gesehen zu haben, jedoch MATERIELLER Natur, und die... Ja, vielleicht ist das (Mutter schaut schweigend)... die Form des supramentalen Wesens?... Es war sehr jung, aber von solcher Macht! Eine fast muskulöse Macht (ohne daß es "Muskeln" gehabt hätte), und da war eine Ladung: Es lud die Menschen und Dinge buchstäblich auf, und alles wurde augenblicklich zerstreut und durcheinandergeschüttelt. Und wie es lachte! Es lachte, eine Freude war das! Eine Freude, ein Lachen, und ja, es sagte: "Durch dich (d.h. durch meine physische Gegenwart) erstürme ich ...", ja, ich wende mich gegen die Finsternis und die Lüge, oder was weiß ich – die Worte kommen erst nachher und verderben alles –, aber die Idee war... (nein, es war keine Idee, sondern etwas, das gesagt wurde). Es hielt nur für die Dauer einer kurzen Wahrnehmung an – ein Blitz. Darauf sagte ich mir: "Ah!", eine Reaktion des Überraschtseins, weißt du.

Das erste Mal: völlig unerwartet.

Und jetzt, während der ganzen Meditation, war die Gegenwart da, sie war da, aber so konkret! Völlig konkret und mächtig. Vielleicht ist es... vielleicht will man mir die Form zeigen, die das Supramentale annehmen wird. Durchaus möglich. Es war PHYSISCH – es war physisch. Und es bestand ein KONTAKT, ein physischer Kontakt. Aber den Kontakt habe ich die ganze Zeit über – sobald ich innehalte, besteht ein massiver Kontakt, der zugleich gewichtslos ist.

Hast du nichts Besonderes gefühlt?

Doch, ich fühle diese massive Gegenwart.

Eine Gegenwart.

Ja, sehr stark.

Das ist es, oh!...

Ja, wie etwas, das blitzartig vor einem auftaucht. Es war eine Form – abgeleitet von der menschlichen Form; nicht etwas, das sich stark von der menschlichen Form abhob, obwohl es etwas aufwies, das die menschliche Form nicht hat: eine Geschmeidigkeit und Macht der Bewegung. Und es strahlte ein wenig, als ob es ein gewisses Licht ausstrahlte; es war aber nichts übernatürlich Anmutendes, nicht wie die Erscheinungen beim Tischrücken, nein, durchaus nicht – es war materiell und...

Das erste Mal. Ich saß so, wie jetzt eben, genauso, nichts Besonderes. Und es erfüllte mich mit etwas Unsagbarem, ein Gefühl der Fülle und der Freude – des Triumphes, weißt du.

Es war so kurz, daß ich gar nicht davon sprechen wollte, denn die Worte... Man hat immer Angst, etwas hinzuzufügen. Aber jetzt, während der Meditation, war die Gegenwart so konkret, und die Zeit verging außergewöhnlich rasch, wie ein Blitz. Und ich empfand dasselbe Gefühl, oh, eine Fülle...

Es sagte (das ist eine Übersetzung: ich hörte Worte, ich weiß nicht, in welcher Sprache, aber ich verstand sehr wohl), ich hörte die Worte, und es sagte mir: "Durch dich gehe ich zum Angriff über ..." Ich gehe zum Angriff über, als ob es gegen die Falschheit der Welt in die Schlacht ginge. "Durch dich gehe ich zum Angriff über ...", das ist völlig klar, und es richtete sich gegen... ich sah, wie sich dadurch Gruppierungen von schwarzen Punkten zerstreuten.

Aber in jenem Augenblick empfand ich etwas wie die Darstellung gewisser Geisteszustände, gewisser geistiger Bedingungen, eine ganze Reihe von Dingen, die Zweifel, Verneinungen, unwissende Haltungen und Revolten symbolisierten... und dann plötzlich kam das.

Ich sehe noch immer die Form, die mir erschien: so als ob es in die Schlacht zöge – aber nur für die Dauer eines Blitzes.

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