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Mutters

Agenda

fünften Band

14. November 1964

...Man las mir den Brief eines 14 oder 15 Jahre alten italienischen Jungen vor, der bemerkenswerte Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Schweigen hatte – wie er das Schweigen erlangte und was sich in ihm abspielt – wirklich bemerkenswert. Ich habe dir auch erzählt, daß ich einen Brief aus England erhielt und die Analogie mit den Erfahrungen von Z, mit genau der Nuance, die sich aus einer spontanen Aufrichtigkeit ergibt. Auch gibt es hier einige Leute, die sich seit Jahren nicht mehr rührten: ganz plötzlich haben sich diese wieder in Bewegung gesetzt, sie haben wieder Erfahrungen. Wirklich interessant ist die Tatsache, daß eher die Leute aus dem Westen Erfahrungen haben, als ob ihre Vergangenheit der Negation die Aspiration angestachelt und etwas in ihrer Empfänglichkeit vorbereitet hätte – das fiel mir auf. Nicht die Amerikaner... die Amerikaner sind noch so oberflächlich wie Kinder (Mutter lacht). Und die Inder... sie sind offensichtlich voraus, aber sie sind nicht dort, wo sie sein müßten: Als ob die Menschheit einer Kurve gefolgt wäre, und jene an der Spitze (oder vielmehr jene, die dort waren) sind auf dem absteigenden Weg und müssen jetzt wiederaufsteigen – eben die Inder. Die anderen, die Leute aus dem Westen, scheinen eine Vergangenheit zu haben, die sie erdrückte und preßte und die jetzt plötzlich aufgeplatzt ist.

*
*   *

Kurz danach

Ich habe V getroffen, und vor zwei oder drei Tagen hatte er eine Vision. Er sah einen Pfau herabsteigen, und auf dem Pfau saß jemand rittlings, es war nicht Kali aber ihr ähnlich (eine ganz nackte Kali), und sie hielt einen abgetrennten Menschenkopf in den Händen.

Sah er nicht, was für ein Kopf es war?

Nein, ich fragte ihn, ob es ein östlicher Kopf oder vielleicht ein chinesischer Kopf gewesen sei, was für ein Kopf eben. Er sagte mir darauf, daß es eher nach einem asiatischen Kopf aussah.

Asiatisch, das ist vage.

Er sagte mir: "Ich fühlte, daß es das Zeichen für eine Katastrophe oder einen Krieg war."

Vielleicht das Zeichen eines Sieges.

Ja, er sagte mir nämlich: "Und danach war Frieden."

V ist ein sehr guter Hellseher.

Als du mir dies sagtest, sah ich den verzerrten Kopf eines Chinesen.

Allerdings kann es sich auch um eine frühere Formation handeln.

(Schweigen)

Die Chruschtschow-Affäre war eine schlechte Sache. Aber im allgemeinen verlaufen die Dinge in der äußeren Welt im Zickzackkurs; anstatt geradeaus, verlaufen sie so (Zickzack-Geste): Aktion, Reaktion, Aktion, Reaktion... Genau das sagte Théon immer: In der Außenwelt bedeutet ein Sieg der einen Seite immer ein gewisses ANRECHT auf einen Sieg der anderen Seite; und dann fügte er hinzu: "Die Wissenden müssen immer wachsam und auf der Hut sein, um bei einem kleinen Sieg der Feinde (der ein völlig oberflächlicher und belangloser Sieg sein kann) unverzüglich einen großen Sieg anzustreben!" (lachend) Er sagte dies mit viel Humor. Ich habe festgestellt, daß dies auf individueller Ebene wahr ist. Auf der Ebene der Länder hingegen... leider sind die Leute, die über das Schicksal der Länder (das äußere Schicksal) entscheiden, inkompetent und dumm und verpassen die Gelegenheit. Aber diese Chruschtschow-Affäre gab Anrecht auf einen Sieg, verstehst du? Die andere Seite hatte das Recht auf einen Sieg.

Ich sagte dir, daß ich dir das Foto des Mannes [Suslov], der hinter dem Sturz Chruschtschows steht, zeigen würde.

(Mutter betrachtet das Foto) Er ist nur ein Instrument. Ich meine damit, es handelt sich bei ihm nicht um eine asurische Inkarnation. Allerdings ein starker Wille. Aber es ist kein Wesen, das bewußt im Dienste des Gegners steht: er glaubt, das Richtige zu tun.

Er ist ein "Theoretiker".

Ja.

Oh, er mag durchaus Leidenschaften und gewaltsamen Reaktionen unterworfen sein, auch ehrgeizig mag er sein, aber es ist keines jener Wesen, das sich bewußt ist, das Instrument eines großen Asuras zu sein – darum handelt es sich hier nicht. Er ist weniger gefährlich. Nicht wie Hitler – der wußte es, nicht wahr.

Hitler stand dafür ein, daß die Falschheit die Welt regieren solle, und er behauptete, die Welt sei auf dem besten Weg dazu. Er war sich der Tatsache sehr bewußt, das Instrument desjenigen zu sein, der sich "Herr der Nationen" nennen ließ und der heute eben diesem Asura der Falschheit entspricht (der ursprünglich der "Herr der Wahrheit" gewesen war – eine schöne Geschichte...).

Aus diesem Grunde hatte Sri Aurobindo so klar und deutlich für die Alliierten Partei ergriffen – gewiß nicht aus Liebe für die Engländer!

(langes Schweigen)

Worauf saß die Kali?

Auf einem Pfau. Es war nicht Kali, glich ihr aber – wie eine völlig nackte Kali.

Es handelt sich offensichtlich um einen Sieg durch das Verschwinden eines Menschen oder eines Landes.

Ich weiß nicht warum, aber während du sprachst, sah ich den verzerrten Kopf eines Chinesen.

Da ist noch etwas. Kürzlich hatte ich plötzlich... Ich reagiere extrem sensibel auf die Zusammensetzung der Luft, schon seit frühester Kindheit: die "Lüfte", wenn ich so sagen kann, besaßen alle ihren eigenen Geschmack, ihre eigene Farbe und Beschaffenheit, und ich konnte sie so deutlich auseinanderhalten, daß ich manchmal sagte (ich war noch ein Kind, weißt du): "Sieh an, die Luft dieses Landes oder dieses Orts ist hierhergekommen." So war das. Extrem sensibel reagierte ich auf die Eigenschaft reiner Luft, d.h. ohne die Elemente, die sich aus der Zersetzung des Lebens ergeben und sich besonders an Orten mit Menschenansammlungen finden. Diese Unterscheidungsfähigkeit war so ausgeprägt, daß ich zum Beispiel infolge der verschiedenen Luftqualität durch eine bloße Ortsveränderung plötzlich von einer Krankheit geheilt werden konnte. Als ich Théon traf, wurde mir dies bewußt, ich studierte es und... es gilt immer noch. Vor einigen Tagen (ich kann es nicht genau sagen, Zeit bedeutet mir nichts), jedenfalls vor noch nicht langer Zeit, sagte ich mir: "Es ist etwas Neues in der Luft", und zwar etwas sehr Unangenehmes, extrem Schädliches, und ich nahm wahr (natürlich sagte ich niemandem etwas davon), daß es einen speziellen, äußerst subtilen, nicht physischen Geruch aufwies. Und es hatte die Macht, die vitalen Schwingungen von den physischen Schwingungen abzutrennen – d.h. es war ein extrem schädliches Element.

Ich begann unverzüglich zu arbeiten (es dauerte Stunden), ich verbrachte die Nacht damit, dem entgegenzuwirken. Ich versuchte herauszufinden, welche höhere Schwingung dem entgegenwirken konnte, bis es mir gelang, die Atmosphäre zu reinigen. Die Erinnerung daran blieb aber sehr präzis. Und kürzlich sagte man mir (vielleicht vor ein oder zwei Tagen), die Chinesen hätten ein Gebiet im Norden Indiens für Versuche mit einem bestimmten Atombombentyp ausgewählt; dort sei von ihnen eine bestimmte Bombe gezündet worden. Als man mir das sagte, kam sofort wieder die Erinnerung an diesen Geruch. 1

Dies bedeutet, daß sich die Schwingungen sehr weit ausbreiten – die physischen Schwingungen kommen nach einer gewissen Distanz zum Stillstand (obwohl sie viel weiter gehen, als man annimmt) –, aber die vitalen Schwingungen, die dahinterstecken (sozusagen die "nervösen" Schwingungen), müssen eine un-ge-heu-re Ausdehnung haben.

Erinnerst du dich noch an diesen Vulkanausbruch auf der Insel Martinique (hier handelt sich um etwas viel Materielleres): einige Zeit später fiel der Vulkanstaub sogar auf Marseille, also sehr weit weg. Genau derselbe Staub, vom Wind getragen. Eine dieser Bomben muß also enorme Auswirkungen haben.

Aber die Schwingungen, von denen du sprichst, gingen nicht von menschlichen Wesen aus, sondern von einer Bombe?

Von einer Bombe.

Kann eine Bombe eine nicht-physische Wirkung, eine vitale oder feinstoffliche Wirkung haben?

Eine Wirkung tritt nur deshalb ein, weil sie feinstofflicher Natur ist – ohne die feinstoffliche Wirkung würde sich nichts rühren, alles wäre träge und unbewegt.

Es ist das in der Materie enthaltene Vital – so wie das Phänomen der Strahlung. Es handelt sich dabei um eine gewaltsame Freisetzung von etwas, das in der Materie enthalten ist. Wie eine sich ausbreitende Strahlung. Man hat das beobachtet, will es aber nicht wahrhaben: bei der Zündung der Atombombe in Japan gingen die Konsequenzen weit über das hinaus, was die Amerikaner erwarteten; sie waren unendlich ernsthafter und nachhaltiger, als man erwartete, denn die plötzliche Freisetzung all dieser Kräfte... Sie selbst nehmen nur eine bestimmte Quantität wahr, aber da ist noch all das, was dahinter liegt, sich ausbreitet und seine Wirkungen zeitigt. Weißt du, beispielsweise stellen sie fest, daß die Kühe vergiftet sind und ihre Milch eine gewisse Zeitlang nicht mehr konsumierbar ist (das geschah in England), aber dies ist erst das gröbste, äußerlichste Phänomen – es gibt ein viel tieferliegendes, das VIEL schwerwiegender ist.

Wenn ich also von diesem "verzerrten Kopf eines Chinesen" spreche, scheint dies ein bißchen abwegig zu sein, aber als diese beiden Dinge zeitgleich miteinander passierten 2, wurde Kali plötzlich wütend – ich sah eine wütende Kali, als ob sie beschlossen hätte: "Das werden sie mir büßen!" Die Vision von V rundet das Bild noch ab.

Ach, weißt du, wenn ihre Macht ungehemmt ausbricht, hat man wirklich den Eindruck, die Erde zittere.

(Schweigen)

Nun gut, wir werden sehen.

Ich sage immer, "wir werden sehen", denn... im Grunde bin ich vollkommen ruhig und sicher – sehr sicher. Ich verspüre eine solch absolute Gewißheit, daß die Weisheit, die in der Welt am Wirken ist, alle unsere Vorstellungen bei weitem übertrifft. Wir sind wie unwissende und dumme Kinder angesichts dieses "Etwas", das mit einer solch leuchtenden GEWISSHEIT handelt, mit einer Superharmonie, die die scheinbar disharmonischsten Dinge in eine Harmonie verwandelt.

Wenn ich dann das ängstliche menschliche Denken sehe, das zu verstehen sucht (Mutter lächelt), sage ich mir: "Quält euch nicht, man wird schon sehen!" Und wenn ich das sage, verspüre ich die Freude einer Gewißheit, daß das, was wir sehen werden, tausendmal schöner sein wird als alles, was wir uns vorstellen können.

In Savitri las ich etwas, das mir auffiel, denn ich sah darin einen Bezug zu dem, was du kürzlich über die Koexistenz der Falschheit und der Wahrheit sagtest: "And earth shall grow unexpectedly divine". 3

Das ist es, genau... "unexpectedly divine".

Und sogar die größten Skeptiker werden sehen müssen, daß eine Veränderung im Gange ist, daß es nicht mehr so ist wie vorher.

Sri Aurobindo sagte einmal (er sagte es mir persönlich, und er schrieb es): The time has come [die Zeit ist gekommen]. Als er dann seinen Körper verließ, glaubten die Leute, er habe sich getäuscht; das war die allgemeine Folge, sie sagten sich: "Er glaubte, der Moment sei da, aber er verließ uns, weil er sah, daß er sich getäuscht hatte." – Das ist Unsinn.

(Lächelnd) Übrigens ist er gar nicht weit weggegangen! Ich verbringe meine Nächte mit ihm, und noch dazu mit einer Unmenge verschiedener Arbeiten – es ist ein vielschichtiges, zahlloses "Er"... und so wunderbar an alle Erfordernisse angepaßt: irdische und individuelle Notwendigkeiten.

Für ihn ist es nur ein kleiner Teil seiner selbst: Die Erfahrung dieses Heraustritts aus dem Bereich der Menschheit und der materiellen Welt (ich habe dir das kürzlich erzählt) hatte ich nämlich mit ihm zusammen, sozusagen in seiner "Begleitung"!

Ich mag das, wenn es mit ihm zusammen geschieht, denn das gibt mir eine Art Gewißheit, daß es keine Erfahrung meiner Subjektivität ist – es ist unpersönlich, völlig unpersönlich. Selbst wenn meine Subjektivität weltweite Dimensionen annimmt, will ich immer noch nicht, daß es subjektiv sei: Ich will, daß jegliches Bewußtsein, ob menschlicher oder nicht-menschlicher Natur, das in diesem Bereich erwacht, eine identische Erfahrung durchmacht, wenn es wirklich objektiv sein soll. Wenn es also mit ihm zusammen passiert, bin ich sehr ruhig.

(Schweigen)

Er ist weiterhin zufrieden mit deinem Buch und dessen Wirkungen – übrigens ist es ebensosehr sein Buch (lachend) wie deines!

Oh ja, ich fühle mich überhaupt nicht als "Autor"!

Er freut sich.

 

1 Die chinesische Bombe explodierte am 16. Oktober, einen Tag vor der Absetzung Chruschtschows.

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2 Mutter meint damit wahrscheinlich die Explosion der chinesischen Atombombe und die Absetzung Chruschtschows.

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3 "Wenn Finsternis wächst und der Erde Brust erstickt und wenn des Menschen leibliches Mental die einz'ge Lampe ist, soll, wie der Schritt des Diebes in der Nacht, verborgen sein der Schritt von Einem, der unsichtbar in sein Haus einsteigt. Sprechen soll eine kaum hörbare Stimme dann, gehorchen soll die Seele, ins innere Zimmer des Mentals soll eine Macht sich stehlen, ein Zauber, eine Lieblichkeit des Lebens fest verschlossene Türen öffnen, und Schönheit soll den Widerstand der Welt bezwingen, das Wahrheits-Licht durch Überraschung die Natur erobern, Gottes verstohlener Schritt das Herz zur Seligkeit beflügeln. Und unerwartet wird die Erde göttlich werden." (Savitri, dt. Übersetzung von Heinz Kappes. Gladenbach, 2. Aufl. 1992, S. 65)

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