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Mutters

Agenda

fünften Band

25. November 1964

(Das folgende Gespräch hat die gemeinsame Meditation des vorhergehenden Tags – der Tag des Darshans – zum Thema.)

Was gibt's Neues? Nichts Neues – und etwas Altes? (Lachen)

(Schweigen)

Ich weiß nicht, was mir gestern, bei der Meditation, geschah, aber als man die Glocke zum Abschluß läutete, hatte ich absolut den Eindruck, daß die Meditation eben erst begonnen hatte!

Sobald sie begann, kam etwas herab: eine Unbewegtheit, aber eine sehr behagliche Unbewegtheit, außerordentlich behaglich, und dann... vorbei, nichts mehr, blank – völlig leer. Die ganze Zeit saß ich so am Tisch 1, dann plötzlich (die Glocke ertönte), bong, bong, und vorbei war's.

Die Zeit verließ den Bereich der Zeit.

Das war das erste Mal, denn sogar wenn ich eine Erfahrung habe, erinnere ich mich; sogar als wir die gemeinsamen Meditationen erstmals wiederaufnahmen und Sri Aurobindo erschien und sich buchstäblich auf dem "compound" [Ashram-Umfriedung] niederließ, was sehr interessant und fesselnd war 2, war ich mir der Zeit bewußt. Es gab Höhen und Tiefen, Gutes und Schlechtes, alle möglichen Dinge, aber immer blieb ich mir der Zeit bewußt. Gestern hingegen... Ich war selbst verblüfft. Ich hörte den Gong und hatte den Eindruck, daß es eben erst begonnen hatte. Sogar im Körper jubilierte etwas wie ein Kind: "Es wird eine halbe Stunde dauern, eine ganze halbe Stunde werde ich so sein (es war lustig, verstehst du)... ah, endlich das wahre Leben!" So einen Eindruck hatte der Körper: noch eine halbe Stunde... Bong, bong!... Als ob man ihn seines Vergnügens beraubt hätte!

Das ist merkwürdig.

Es begann recht seltsam: Ich habe eine Kerze aus Bienenwachs, die nach Honig riecht, wenn sie brennt, eine große Kerze, die man mir aus der Schweiz schickte. Die Hälfte war schon abgebrannt: ich zünde sie für die Meditationen an. Aber der Docht war mangelhaft, er wurde rußig, und gestern wollte er nicht brennen. Unmittelbar zuvor hatten wir die Kerze zweimal angezündet, und genau zu Beginn der Meditation, beim ersten Läuten, erlosch sie. Darauf sagte sich das Körperbewußtsein: "O Herr, wir sind so unrein, daß wir nicht einmal vor Dir brennen können!" Voll spontaner Aufrichtigkeit: "O Herr, wir sind so unrein ..." Unverzüglich folgte die Antwort (Geste einer massiven Herabkunft): alles kam zum Stillstand.

Vielleicht war es diese sehr kindliche, aber sehr spontane und einfache Bewegung des Körpers, der sich der Unvollkommenheit der Materie bewußt ist: "Wir sind so unrein, daß wir nicht einmal vor Dir brennen können!" Vielleicht löste das diese Antwort aus.

Es war ein Wunder – ein kurzes Wunder!

Meditierst du bei dir zu Hause?

Nein, im Zimmer von Sri Aurobindo – in seinem Korridor.

Dort ist es gut...

(Schweigen)

Danach, für den Rest des Tages, war es, als ob der Körper bitten würde, oder zu bitten ermutigt worden wäre (gewöhnlich bittet er um nichts, nicht einmal um seine Gesundheit, um nichts), und gestern nachmittag schien er sich zu sagen (fast wie in einer Bewegung der Aspiration, die sich nicht eigentlich in Worten sondern durch ein Gefühl und einen Eindruck formulierte): "Werde ich nie bereit dafür sein, daß Du in meinen Zellen leben kannst, daß diese Zellen Du seien?..." Die Worte geben die Sache nicht wieder, weil sie eine etwas brutale und harte Präzision einführen, aber es war, als ob sich die Zellen sagten: "Nie werden wir diesen wunderbaren Frieden haben ..." Es war ein Friede, aber ein Friede voll schöpferischer Kraft, und so reich, mit einer unendlichen Kraft und einer Fülle der Freude; und dies gab ihm den Mut zu sagen: "DAS werden wir erst sein, wenn Du hier bist, allein Du."

Sri Aurobindo schrieb einmal: "Jedes Ereignis (wie auch jede Bewegung des Lebens) wird ein Wunder sein, wenn das wunderbare Ganze darin leben wird – im Körper leben wird." Es war wirklich der Ausdruck dessen, was der Körper empfunden hatte. Und dies ist die EINZIGE raison d'être, es gibt keinen anderen Grund, alles andere... Er ist so sehr durch jeden Ekel, jede Geringschätzung, jede Gleichgültigkeit gegangen, daß er sich fragt: "Aber wie kann man überhaupt leben? Wozu? Warum existieren wir denn, warum wurden wir erschaffen? Warum?... All das ist nichts!" Es war seltsam, wie die Erinnerung an die Äonen, die der Körper in diesem Nichtwissen des Warums und in einer Art Bestürzung verbrachte... Daß es so viel Zeit brauchte, um die einzige Sache zu finden... das Einzige, das existiert! All das, warum denn nur? All diese Jahrhunderte absurder Empfindungen... Es war merkwürdig: wie eine lange Erinnerung an ein nichtiges, unnützes Leben – absurd – und so schmerzhaft! "Warum all dies, um DAS zu finden?"

Es ist seltsam.

Ich weiß nicht, ob das eine Antwort auf diese Frage ist, aber heute kam es wie in einem Film: ein langes Défilé aller Geschichten, die erzählen, wie die Menschen das zerstören, was ihnen überlegen ist, wie sie nicht tolerieren können, was sie übersteigt: die Märtyrer, die Mordtaten, das tragische Ende all jener, die eine der Menschheit überlegene Macht oder Wahrheit repräsentierten. Wie eine Erklärung – eine symbolische Erklärung – für die fast unendliche Zeit, die es brauchte, damit die Materie erwachen konnte – erwachen zum zwingenden Bedürfnis nach Wahrheit.

Als ob man mir sagen wollte: "Siehst du, es gab eine Zeit, wo man euch auf dem Scheiterhaufen verbrannte, euch folterte ...", Erinnerungen an frühere Leben. Und diese Erinnerungen waren mit der kürzlichen Geschichte von einem protestantischen Missionar verknüpft, der in zwar nicht in so klaren Worten folgendes sagte: "Man verehrt Christus nur, weil er für die Menschen GESTORBEN ist, weil er für die Menschen gekreuzigt wurde."

All dies scheint notwendig gewesen zu sein, um die Materie zu kneten.

 

1 Mutter bleibt während der Meditationen an ihrem Tisch sitzen.

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2 Siehe Agenda Bd. 3, 18. August 1962.

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