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Mutters

Agenda

sechsten Band

19. Februar 1965

(Das Mantra betreffend, das Satprem im Krankenhaus erbeten hatte, aber nicht empfangen konnte.)

Das Mantra... Hast du meine Notiz erhalten?... Während ich beim Japa auf und ab schritt, sandte ich es dir mehrere Male mit Nachdruck.

In Wahrheit möchte ich dir ein schönes Geschenk machen. Nur, damit es wirklich ein schönes Geschenk ist, darf das Mental in keiner Weise eingreifen; sonst kann ich dir mit den Worten nicht die Kraft übermitteln.

Es ist eine Kraft, die von Jahr zu Jahr wächst.

Bis jetzt behielt ich es ausschließlich für mich; als du mich aber fragtest, überlegte ich, ob ich etwas Geeignetes für dich hätte, und ich erhielt sozusagen den Hinweis, dir meins zu geben. Aber, verstehst du, dafür... muß es in vollkommenem Schweigen empfangen werden, damit das Wachsen der Macht und der Kraft nicht gebremst wird.

Die Worte müssen dir bekannt sein, denn wir haben ja gelegentlich darüber gesprochen; aber das ist nicht von Bedeutung. Ich hatte gesagt... (Mutter wendet sich Sujata zu:) du, Sujata, hörst zu, 1 aber du bewahrst es in deinem schweigenden Herzen, nicht wahr? Nichts darf herausdringen.

(Zu Satprem:) Rück deinen Stuhl heran, bleib nah bei mir und sei ganz ruhig... Ich erklärte dir das Mantra mehrere Male, und eines Tages schrieb ich die Erklärung schließlich auf. Es kam nämlich wieder und wieder, und so dachte ich, dies sei ein Zeichen für mich, es mir zu notieren (Mutter holt ein Papier). Ich schrieb folgendes:

Das erste Wort steht für...

Ich schreibe "steht für", denn das Wort ist immer eine symbolische Darstellung von etwas, das weit über das Wort hinausreicht. Es ist eines der Dinge, die man fühlen muß: Es ist wie ein Kontaktmittel. Ein Kontaktmittel, das man mit der Zeit immer wirksamer macht, zuerst durch die Aufrichtigkeit der Konzentration und der Aspiration, dann durch den Gebrauch, durch die Anwendung, wobei man immer darauf achtet, den Kontakt mit dem, was darüber hinausgeht, zu bewahren. So entsteht eine Konzentration, als ob sich das Wort mit Kraft aufladen würde, immer mehr, wie eine Batterie, aber eine Batterie, die sich unbegrenzt aufladen kann. Deshalb schrieb ich (so schien es mir am genauesten): "Das erste Wort steht für". Es steht für:

die höchste Anrufung...

Nämlich das Höchste, das man in der Aspiration und der Anrufung erreichen kann – das Reinste und Höchste. "Das Reinste" soll heißen: ausschließlich unter dem Einfluß des Göttlichen stehend. So schrieb ich:

die höchste Anrufung

die Anrufung des Höchsten.

Mit dem ersten Wort ruft man den Höchsten in allem, was man je erreichen kann und wird. Es soll ein fortschreitendes Wort sein.

Das zweite Wort steht für:

die totale Hingabe seiner selbst...

Man ruft und gibt sich dann total hin.

die vollkommene Unterwerfung.

Die vollkommene Unterwerfung in allen Stufen des Wesens. Es geschieht fortschreitend, durch jahrelange Wiederholung, aber wenn man das Wort ausspricht, muß es folgendes repräsentieren: die totale Hingabe seiner selbst an... dieses Höchste, das natürlich alle Begriffe übersteigt. Vollkommene Unterwerfung bedeutet spontane Unterwerfung, die weder Anstrengung noch sonst etwas erfordert – die Unterwerfung muß völlig spontan sein. Auch das erreicht man allmählich. Deshalb sagte ich, das Mantra sei fortschreitend, in dem Sinne, daß es sich mehr und mehr vervollkommnet.

Das dritte Wort steht für:

die Aspiration...

Es ist nicht genau das, was man erbittet, sondern... Aspiration ist wirklich das einzige Wort. Es ist unendlich mehr als hoffen: die Gewißheit, daß es so sein wird, aber gleichzeitig vergißt man niemals, daß man wirklich nur DAS will. Ich füge hinzu:

was die Manifestation...

Es ist wirklich die physische, irdische Manifestation; gegenwärtig bildet sie den Gegenstand unserer Betrachtung, aber sie ist der Anfang von etwas anderem. Für den Augenblick sagen wir also:

das, was die Manifestation

werden soll...

Was diese irdische Manifestation werden soll:

Göttlich.

In das Wort "Göttlich" legt man den ganzen Gedankengehalt, den man in das Wort "Höchste" legte.

Schon zu Beginn sagte ich, daß jede mentale Aktivität die Macht vermindert; es muß die Begeisterung des ganzen Wesens sein, mit möglichst wenig Denken darin.

Ich kann dir das geben (Mutter reicht Satprem ihre Notiz). Du kannst sie aufheben.

Du kennst die drei Worte...

(lange Konzentration)

OM...

*
*   *

(Etwas später ist die Rede von den Ereignissen während Satprems Abwesenheit: Am 11. Februar war der Ashram von Unruhestiftern angegriffen worden, mehrere Gebäude waren geplündert und in Brand gesteckt worden.)

Hast du nichts zu fragen, nichts zu sagen?

Seit ein, zwei Monaten hat sich vieles ereignet...

Am Abend des Angriffs, am 11., etwa gegen sieben Uhr abends, hatte ich zum ersten Mal konkret und total das PHYSISCHE Bewußtsein der Erde. Mir wurde ein Bewußtseins ZUSTAND gegeben, der Bewußtseinszustand der Erde. Das physische Bewußtsein des Körpers existierte nicht mehr: es war das PHYSISCHE Bewußtsein der Erde. Dieses physische Bewußtsein der Erde war konzentriert, seine Aufmerksamkeit war auf diesen kleinen Punkt von Pondicherry konzentriert – der winzig kleine Punkt von Pondicherry. Es wurde... nicht wirklich von hoch oben, aber als etwas überaus Winziges gesehen (Geste von etwas Mikroskopischem), mit einer peinlichen Genauigkeit, die bis zum geringsten Bestandteil reichte. Dieses physische Bewußtsein der Erde war das Bewußtsein der PHYSISCHEN WAHRHEIT der Erde – das physische Wahrheitsbewußtsein der Erde; um genau zu sein, die Schwingungsqualität der Wahrheit im physischen Bewußtsein der Erde.

Die Vision, die Wahrnehmung (es war wie eine Wahrnehmung) erfolgte nicht eigentlich von sehr weit, denn sie war von mikroskopischer Genauigkeit, aber es war... (wie soll ich sagen?) ein Gegenstand der Beobachtung. Gerade dann geriet alles in Brand, es hagelte Hunderte von Bruchsteinen gegen alle Fenster und Türen (keine Kieselsteine: richtige Felsbrocken, alle unsere Fenster und Türen wurden beschädigt), ein infernalischer Lärm: eine Bande von mehreren Hundert betrunkenen Leuten brüllte, Schreie von allen Seiten, ein Bombardement von Steinen, und die Flammen stiegen bis zum Himmel – der ganze Himmel war rot. Ich sah das... (ich saß einfach an meinem Tisch; als der Angriff begann, aß ich gerade zu abend, und kurz bevor es anfing, setzte diese Erfahrung ein, dieses Bewußtsein; ich war nicht mehr dieser Körper, sondern die Erde – das physische Wahrheitsbewußtsein der Erde, um genau zu sein – mit einem solchen Frieden! einer Un-be-weg-lich-keit, die man physisch gar nicht kennt)... All das erschien mir wie eine absolute Lüge, ohne das geringste Element von Wahrheit dahinter. Gleichzeitig hatte ich eine mikroskopische Wahrnehmung (völlig präzise und genau) aller Punkte der Lüge IN DER ATMOSPHÄRE DES ASHRAMS, die den Kontakt zustandekommen ließen.

Wäre dieses Bewußtsein, das in mir war, kollektiv gewesen – wäre es kollektiv empfangen worden –, HÄTTE UNS NICHTS BERÜHREN KÖNNEN: die Steine wären geschleudert worden, hätten uns aber nicht berührt. Zum Beispiel wurde ein Stein (ein Brocken) gegen mein Fenster geworfen; er prallte ab und fiel auf das Dach (und hinterließ sogar ein Leck, das ausgebessert werden mußte). Im selben Augenblick sah ich die exakte Vibration der Lüge im Bewußtsein der anwesenden Leute, die es zuließ, daß der Stein dort auftraf; ZUR SELBEN ZEIT, gleichzeitig (es läßt sich nicht sagen, aber es war gleichzeitig), sah ich überall, in der ganzen Stadt und besonders hier im Ashram, alle Punkte: die exakte Vibration der Lüge in jedem oder in jeder Sache, die den Kontakt erst ermöglichte.

Die Erfahrung begann kurz nach sieben Uhr, um zehn nach sieben, und sie dauerte bis ein Uhr morgens.

Um ein Uhr mußte ich mich einer anderen Arbeit zuwenden, denn einer unserer Jungen, T (dieser Junge hat die Veranlagung zu einem Helden), rettete fast alleine die Klinik, aber das trug ihm einen Schädelbruch ein. Im ersten Augenblick glaubte man, es sei zu Ende mit ihm. Man brachte mir die Nachricht, und als die Nachricht eintraf, fühlte ich, wie die andere Erfahrung zurückwich. Ich wurde die universelle Mutter mit der ganzen Macht der universellen Mutter, T wurde so klein (Geste von etwas Winzigem in Mutters Hand), und ich hielt ihn in meinen Händen, aber er war ganz strahlend, leuchtend – und ich wiegte ihn in meinen Armen, indem ich ihm sagte: "Mein Kleiner, mein ganz Kleiner, mein lieber Kleiner ..." mehrere Stunden auf diese Art.

Ich denke, dadurch wurde er gerettet. Denn der Schädel war eingeschlagen, er war eingedrückt, das Gehirn wäre um ein Haar verletzt worden – das eingedrungene Stück steckte im Schädel, man mußte operieren, aufschneiden und es entfernen. So wird er es schaffen. Ich weiß, daß er dadurch gerettet wurde.

Aber die andere Erfahrung hatte von sieben bis ein Uhr morgens gedauert, als diese Arbeit nötig wurde. KEIN EINZIGER GEDANKE im Kopf, kein Gedanke – nichts, ein totales Schweigen. Und so blieb es bis zum nächsten Morgen.

Nachher kam mein gewöhnliches Bewußtsein, das dir bekannt ist, zurück, aber mit einer sehr klar gewordenen Wahrnehmung der Bewegungen: die Bewegungen der Atmosphäre, der Gedankenformationen, der vitalen Möglichkeiten... All das wurde sehr klar.

Mit einem absolut unfehlbaren Bewußtsein, denn es gibt andere Details... Seit drei Tagen war Kali zornig, weil die Dinge auf der Erde sich nicht so abspielten, wie sie sollten, besonders bei den Leuten, deren Aufgabe es ist, die neue Welt vorzubereiten. Sie war... sie war wirklich in Raserei. Überall sah sie Fehler, und das verursachte eine so machtvolle Vibration in der Atmosphäre, als wolle sie ihren Tanz beginnen; ich sagte ihr: "Beruhige dich, beruhige dich!..." (An dem Tag erschien sie hier um elf Uhr, sie kam und beschwerte sich über dieses und jenes, die Fehler der Regierung, in der Stadt, im Ashram, hier und dort – sie sah alles), ich wollte sie beruhigen, was aber nicht gelang. Als ich schließlich merkte, daß es kein Mittel gab, sagte ich zum Herrn: "Ich bitte Dich, kümmere Du Dich um sie und tue das Nötige!" – ich entledigte mich der Verantwortung und übergab sie Ihm. Am selben Abend begann der Angriff, und ich sah sie tanzen. Da dachte ich: Wir hatten wirklich etwas zu lernen! Ich sah es, ich hatte diese Erfahrung, und ich WEISS jetzt (ich weiß es auf sichere, absolute und unvergeßliche Weise), welcher Beschaffenheit die Schwingung der Wahrheit im Physischen ist, in welchem Zustand das Physische sein muß, um auf die Wahrheit zu reagieren – um die Wahrheit ZU SEIN. Jetzt weiß ich es. Somit habe auch ich meine Lektion gelernt. Alle lernten etwas, und ich hoffe, daß man es nicht vergißt.

Heute morgen (das ist recht interessant) erhielt ich einen Brief von R, in dem er mir mitteilte: "An jenem Abend hatte ich eine außergewöhnliche Erfahrung, aber jetzt beginnt es mir wie eine Unmöglichkeit zu erscheinen, wie etwas Irreales ..." Genau in dem Augenblick, als ich die Erfahrung hatte und er die Nachricht vom Angriff erfuhr, war seine erste Reaktion die der menschlichen Furcht, seine Hände wurden kalt usw., aber er setzte sich auf, riß sich zusammen und rief mich innerlich; da fühlte er einen Frieden von oben herabsteigen, wie er ihn noch nie vorher erfahren hatte, er erfüllte sein ganzes Wesen, erfaßte ihn vollkommen und währte... ich weiß nicht, ich glaube, er sagte bis elf Uhr abends – es dauerte lange. Zuweilen hatte er so etwas schon in kleinem Ausmaß erlebt, aber niemals war es so gewesen: es stieg in ihn herab und ergriff ihn gänzlich. Er sagte: "Ich konnte mich bewegen: es war DA, es rührte sich nicht, es war in mir." Da dachte ich: "Endlich! Jemand fühlte es! Wenigstens einer, der es fühlte."

In dem Augenblick sah ich sehr deutlich, in welchen Leuten etwas auf die Vibrationen der Lüge ansprach: diese Art Bewegung, die in der Materie ein Zittern verursacht. Somit kenne ich die Leute. Aber ich muß sagen, es gibt hier einen, der die wahre physische Vibration hatte (ich wußte es seit langer Zeit, aber nun habe ich einen konkreten Beweis dafür), nämlich P, und niemand kann es verstehen, niemand kann es wissen, aber ich wußte es: physisch keine Reaktion, so (unbewegliche Geste). Ich bat ihn, sich um die Verteidigung zu kümmern und alles zu organisieren.

Niemand kann es wissen, das Mental kann diese Dinge nicht verstehen (ich wußte es seit vielen Jahren), denn die Leute sehen nur Äußerlichkeiten, die äußere Form, die äußeren Bewegungen, die äußeren Reaktionen, aber die innere Möglichkeit sehen sie nicht. Jedenfalls bat ich ihn sofort, sich um die Verteidigung zu kümmern (er hatte übrigens schon damit begonnen, ohne mich zu fragen), ich sagte allen: "Tut, was er euch sagt." Er organisierte alles. Etwas, das so ist (Geste mit unerschütterlich geschlossenen Fäusten), das sich PHYSISCH NICHT BEWEGT. Mental ist das ein Leichtes.

Es wirkt wie ein physischer Magnet für die wahren physischen Schwingungen. Dies geschieht nicht durch das Mental, nicht durch die Intelligenz, nicht einmal durch das Vital, nein, es ist physisch, eine Art Magnet, der die physische Wahrheit anzieht.

*
*   *

Beim Weggehen erwähnt Mutter Satprems Krankheit:

Du weißt, daß die wahre Schwingung alles heilen könnte. Nur...

Die einzige Reaktion auf alle diese Dinge ist, den Frieden anzuziehen. Jetzt habe ich ihn erfaßt. Wenn du dich mir anschließt...

Gib mir deine Hand!...

 

1 Seit Satprems Krankheit begleitete ihn Sujata stets zu Mutter, denn er war nicht mehr imstande, das Tonbandgerät zu tragen. Fortan nahm Sujata an allen Gesprächen teil.

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