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Mutters

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sechsten Band

21. April 1965

Zur letzten Unterhaltung kam mir ein Zitat von Sri Aurobindo in den Sinn.

Welches?

Du hattest von der ersten Form des supramentalen Lebens gesprochen.

Auf der Erde.

Ja, in "einem verbesserten physischen Körper". Ich habe mir Fragen zu diesem Thema gestellt... besonders wenn du davon sprichst, "den Körper zu wechseln".

Was für Fragen?

Vor allem diese: Der Unterschied zwischen dem gegenwärtigen menschlichen Körper und der supramentalen Schöpfung ist so beträchtlich, die Substanz muß von so unterschiedlicher Beschaffenheit sein...

Offensichtlich.

... daß ich mich frage, in welchem Maße selbst ein verbesserter physischer Körper überhaupt dienlich sein könnte? Denn es wird etwas so völlig anderes sein. Macht es da wirklich einen Unterschied, ob der Körper alt und gebeugt oder jung und sehr geschmeidig ist...

Das wollte ich nicht mit "verbessert" sagen. Ob der Körper jung oder alt ist, spielt nicht die geringste Rolle, denn die Vorteile werden durch Nachteile aufgewogen. Ich habe auch über das Problem nachgedacht – es macht nicht den geringsten Unterschied.

Den Körper zu wechseln, mag eine Notwendigkeit werden, das ist alles, aber es ist nebensächlich.

Was ich mit einem "verbesserten physischen Körper" meinte, ist diese Art Meisterung des Körpers, die man heute durch Körpertraining erlangt. Kürzlich sah ich Zeitschriften, die zeigten, wie es begonnen hatte: die anfänglichen Resultate und die jetzigen; und hinsichtlich der Harmonie der Formen (ich spreche nicht von den Übertreibungen – die gibt es überall –, ich meine das, was unter den bestmöglichen Bedingungen erreicht werden kann), die erzielte Harmonie der Formen, die Kraft und ein gewisser Schönheitssinn, die Entwicklung gewisser Fähigkeiten wie Ausdauer und Geschicklichkeit, die Genauigkeit bei der Ausführung vereint mit Kraft, ist sehr bemerkenswert, wenn man die kurze Dauer dieser Bemühungen bedenkt. Es breitet sich im Augenblick sehr schnell aus, das heißt, der Anteil der menschlichen Bevölkerung, der sich dafür interessiert und sich damit beschäftigt, nimmt lawinenartig zu. Als ich dann all die Fotos sah (ich sehe hauptsächlich durch Bilder), sagte ich mir, daß die Zellen, die Zellgebilde durch diese Eigenschaften eine Plastizität, eine Aufnahmefähigkeit und eine Kraft erwerben, die die Substanz anpassungsfähiger für das Eindringen der supramentalen Kräfte machen.

Nehmen wir zum Beispiel die Harmonie der Form (ich nenne ein Beispiel unter vielen anderen). Die Evolution geht offenkundig in Richtung einer Verminderung des Unterschiedes zwischen der weiblichen und der männlichen Form: Das Ideal, das im Begriff ist, sich zu entwickeln, vermännlicht die weiblichen Formen und verleiht den maskulinen Formen eine gewisse Grazie und Geschmeidigkeit. Dies hat zur Folge, daß sie immer mehr dem ähneln, was ich ganz oben sah, oberhalb der Welten der Schöpfung, das, was man die "äußerste Schwelle" der Welt der Formen nennen könnte. Zu Beginn des Jahrhunderts, noch bevor ich von der Existenz Sri Aurobindos wußte und ohne das Wort "Supramental" je gehört zu haben – ich hatte nicht einmal eine Ahnung davon –, sah ich dort ganz oben, an der Schwelle zum Formlosen, an der äußersten Grenze, eine ideale menschliche Form, die der menschlichen Form ähnelte – eine idealisierte menschliche Form, weder Mann noch Frau –, eine leuchtende Form, eine Form goldenen Lichts. Als ich später las, was Sri Aurobindo dazu schrieb, sagte ich mir: "Aber was ich sah, war ja die supramentale Form!", ohne daß ich die mindeste Idee gehabt hätte, daß so etwas existieren könnte. Das Ideal der Form, dem man sich heutzutage annähert, ähnelt dem, was ich sah. Deshalb sagte ich: Da die Evolution sich auf diesen Punkt, auf die physische, körperliche Form konzentriert, scheint die Natur etwas für diese Herabkunft und Inkarnation vorzubereiten – das scheint mir logisch. Das wollte ich mit "verbesserter physischer Form" ausdrücken.

Der andere Punkt ist völlig sekundär, es ist ein Spezialfall, keine Linie der Evolution. Ich sage nur, es KANN als Mittel angewendet werden, und in der Vergangenheit geschah dies auch.

Ein Wechsel des Körpers?

Ja, darauf könnte wieder zurückgegriffen werden, WENN DIE NOTWENDIGKEIT DAFÜR EINTRITT. Es war nicht die zentrale Idee, sondern eine Eventualität – es könnte geschehen. Ich sagte lediglich, daß es dem Bewußtsein in diesen Zellen, nachdem sie das Gefühl des Egos verloren haben... (ich glaube, sie haben es verloren, obgleich dieser Körper ohne das Gefühl eines Egos gebildet wurde – wenn es aber zu einem gegebenen Moment nötig war, ist dies jetzt nicht mehr der Fall); da die Zellen das Gefühl des Egos verloren haben, fällt es dem Bewußtsein sehr leicht, sich in einem anderen Körper zu manifestieren. Es ist eine durchaus konkrete, materielle Erfahrung, d.h. ich konnte so die Erfahrungen dieses Bewußtseins vervielfältigen, indem ich mich verschiedener anderer Körper bediente... für gewisse Dinge; es war natürlich zeitlich beschränkt, aber es geschah willentlich und jedenfalls lange genug, um eine konkrete Erfahrung zu haben.

Aber das ist eine persönliche Angelegenheit, es hat nichts mit der Allgemeinheit und der Kollektivität zu tun, während der andere Punkt interessant ist: Ich habe den Eindruck, daß die Mitarbeit der Natur die Menschheit in diese Richtung treibt, in Vorbereitung einer empfänglicheren Materie für das Ideal, das sich manifestieren will.

Nach der letzten Unterhaltung schien mir der Unterschied zwischen den beiden Schöpfungen, der animalischen und der supramentalen, so ungeheuer, daß es keine große Rolle spielt, ob der Körper anpassungsfähiger ist, usw.

Der Unterschied ist nicht so gewaltig. Der Unterschied in der ART DER SCHÖPFUNG ist allerdings gewaltig, dort besteht ein gewaltiger Unterschied. Dort ist es schwer zu begreifen, wie man vom einen zum anderen übergehen kann, und wie es Zwischenstufen geben kann.

Genau. Und ich erinnerte mich plötzlich an ein Zitat von Sri Aurobindo, das mir interessant zu sein scheint. Es steht in The Human Cycle, am Ende des Buches. Er sagt folgendes: "Es kann gut sein, daß das supramentale Vorhaben, einmal begonnen, nicht schnell voranschreitet; es mag eine jahrhundertelange Anstrengung erfordern, um zu einer Art beständiger Geburt zu gelangen. Aber das ist nicht unvermeidlich, denn Veränderungen dieser Art scheinen als Prinzip in der Natur eine lange dunkle Vorbereitung zu durchlaufen, gefolgt von einer schnellen Sammlung und einem jähen Sturz der Elemente in eine neue Geburt, in eine beschleunigte Umwandlung und Transformation, die in ihrem leuchtenden Moment wie ein Wunder erscheint." 1

Das ist sehr interessant... Ja, (lachend) das sagte er mir erst kürzlich!

Das stimmt.

Im Grunde, wenn es einen Körper gibt, der durch ein Ideal und eine zunehmende Entwicklung geprägt ist, einen Körper, der genügend Substanz, Möglichkeiten und Potential besitzt, kann es gut sein, daß sich eine jähe Herabkunft einer supramentalen Form ereignet, wie dies bei der menschlichen Form der Fall war. Denn ich weiß (ich weiß es, weil ich es erlebt habe), als der sehr dunkle Übergang vom Tier zum Menschen (wovon man mehr oder weniger schlüssige Spuren fand) ausreichte, als das Ergebnis greifbar genug war, fand eine mentale Herabkunft der menschlichen Schöpfung statt. Eine zweifache Herabkunft ereignete sich, sie hatte die Besonderheit, daß sie doppelt war, männlich und weiblich: es war kein einzelnes Wesen sondern zwei. Diese ersten Menschen lebten in der Natur, sie führten ein tierähnliches Leben, mit einem mentalen Bewußtsein, aber ohne jeglichen Konflikt mit der allgemeinherrschenden Harmonie. Die Erinnerungen an ein spontanes animalisches, absolut natürliches Leben in der Natur sind absolut klar. Eine wunderschöne Natur, die eigenartig an die Natur Ceylons und der tropischen Länder erinnert: Wasser, Bäume, Früchte, Blumen... ein harmonisches Leben mit den Tieren, ohne ein Gefühl der Furcht oder des Unterschiedes. Es war ein sehr leuchtendes, harmonisches und NATÜRLICHES Leben – in der Natur.

Seltsam, die Geschichte vom Paradies erscheint wie eine mentale Entstellung des wirklichen Geschehens. Dies alles wurde zu einer Farce, und da ist auch eine Tendenz... Man hat den Eindruck, daß ein feindlicher Wille oder ein asurisches Wesen sich dessen bedienen wollte, um die Grundlagen für eine Religion zu schaffen und den Menschen in seine Gewalt zu bekommen. Doch das ist eine andere Frage.

Aber dieses spontane, natürliche, harmonische Leben – sehr harmonisch –, wunderschön, leuchtend und so leicht!... Ein harmonischer Rhythmus in der Natur. Im Grunde eine lichtvolle Animalität.

So begann alles, und zwar durch eine Herabkunft des höheren mentalen, menschlichen Bewußtseins in die bestehende Form. Das Phänomen kann sich auf dieselbe Weise wiederholen, mit dem Unterschied, daß es jetzt bewußter und gewollter wäre – eine Intervention des bewußten Willens kann durchaus stattfinden. Das würde oder könnte durch einen okkulten Vorgang geschehen – ich weiß es nicht, es gibt die verschiedensten Möglichkeiten. Eine Möglichkeit wäre der bewußte Übergang eines Wesens, das sich zuvor des alten menschlichen Körpers für seine Entwicklung und seinen Yoga bediente und dann die hinfällig gewordene Form verläßt, um in eine Form einzutreten, die sich dem neuen Wachstum anpassen kann.

Damit treffen sich die beiden Möglichkeiten.

Aber davon kann für den Augenblick noch nicht die Rede sein, denn obwohl die Entwicklung der Körperschulung große Fortschritte macht, ist es trotzdem möglich, daß es noch Hunderte von Jahren erfordert.

Es gibt eine Aussage von Sri Aurobindo, nach der das erste zu erreichende Stadium die beliebige Verlängerung des Lebens ist – nicht gleich die Unsterblichkeit sondern die beliebige Verlängerung des Lebens. Dies steht in seinen Aufsätzen über "Die Supramentale Manifestation".

 

1 The Human Cycle, Centenary Edition, Bd. XV, S. 252.

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