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Mutters

Agenda

sechsten Band

5. Juni 1965

Mutter zeigt den Text einer Antwort, die sie einer Schülerin geschickt hat:

...Sie redet wie ein Kind, mit einem kindlichen Charme. Sie sagte mir: "Oh, ich flehe dich an, bitte den Herrn, schnell zu machen und die Dinge zu arrangieren!" (Mutter lacht) Ich antwortete ihr also:

We are always free to make our proposals to the Lord, but after all it is only His will that is realised. 1

Die kindlich logische Konsequenz: "Ah! Man muß also wollen, was Er will." Das ist es. Ich habe das schon vor einiger Zeit gesagt: Man muß mit dem "Es beliebt Ihm" sein; nicht nur im Objektivierten, sondern auch in Dem, was objektiviert.

Das ist kindlich ausgedrückt, aber wie wahr und wie einfach das ist! Je genauer man hinsieht, desto mehr stellt man fest, daß man in mehr als neunundneunzig Prozent der Fälle einfach deshalb verkrampft, verletzt, bekümmert oder verdrossen ist, weil die Dinge nicht genau so sind, wie man sie sich vorgestellt hatte – das trifft auf die intelligenten Leute zu. Für die weniger "intelligenten" Menschen ist es eine Art Verlangen: sie wollen, daß es "so" sei (sie fühlen es mehr, als daß sie es denken), und wenn die Dinge dann anders verlaufen, oh! kriegen sie einen Schock. Wenn sie aber vorher genau dieselbe Sache selber gewollt hätten, würden sie sich darüber freuen. Die Sache wäre genau die gleiche, aber sie würden sagen: "Ah, endlich ist es eingetroffen!" Nur weil sie nicht daran dachten, weil sie es nicht so gesehen hatten: "Oh, wie fürchterlich!" Fast überall und immer geht das so. Mehr und mehr sehe ich dies in den kleinen Bewegungen jeder Minute.

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(Mutter macht sich daran, alte, auf allen möglichen Papieren verstreute Notizen zu ordnen. Sie reicht Satprem ein erstes Blatt:)

Was ist das?

Das betrifft den kleinen I.

Oh! I... I ist Amenhotep.

Das war sehr amüsant (ich habe es seiner Mutter nicht gesagt), aber ich sah ihn vor ein oder zwei Jahren, als er mit seinen Eltern aus Amerika kam. Sie kamen hierher, um mich zu besuchen. Ich sah ihn an, ohne an irgend etwas Besonderes zu denken, ich schaute ihn einfach an (d.h., ich nahm ihn in mich auf). Er war überhaupt nicht wie ein gewöhnliches Kind, sein Verhalten war recht herrscherlich. Das hatte ich bemerkt, aber sonst nichts. Ich sah ihn morgens. Als ich mich dann nachmittags hinlegte, hatte ich eine Vision, in der ich ein Leben im Alten Ägypten wiedererlebte. Daß es das Alte Ägypten war, erkannte ich an meinem Gewand, an den Wänden, an allem (ich weiß nicht, ob ich das auf dieser Notiz vermerkte). Jedenfalls war es nicht die heutige Zeit. Ich war offenbar die Frau des Pharaos oder seine Schwester (daran erinnere ich mich jetzt nicht mehr), und plötzlich sagte ich mir: "Dieses Kind ist unerträglich! Ständig tut es Unerlaubtes!" (Mutter lacht) Ich trat aus meinem Zimmer auf einen großen Hof hinaus und sah den Kleinen in einer Abflußrinne spielen, (lachend) was ich ekelerregend fand. Sein Erzieher kam jedoch sofort herbeigelaufen und sagte (ich muß es aufgeschrieben haben): "So will es Amenhotep."

Auf diese Weise erfuhr ich seinen Namen.

Was habe ich geschrieben?

"I im Alten Ägypten. Ein Tempel oder Palast. Bilder in hellen und frischen Farben an den sehr hohen Wänden. Helles Licht. Über das sehr kühne, unabhängige und verspielte Kind hörte ich das Ende eines Satzes: "So will es... tep." Der ganze Name wurde sehr klar ausgesprochen, aber da ich zu plötzlich aufstand, blieb nur die Silbe "tep" im Gedächtnis des Wachbewußtseins. Es war der Erzieher, der mir etwas über das Kind gesagt hatte. Ich bin die Pharaonin oder Hohepriesterin des Tempels mit voller Befehlsgewalt."

Das war die erste Erinnerung beim Aufwachen.

Es ist Amenhotep.

Was steht da?

Es ist eine Notiz über Amenhotep:

"Amenhotep III. erbaute die Tempel von Theben und Luxor... Sein Palast im Süden von Theben bestand aus ungebrannten Ziegeln mit bemaltem Stuck. Seine Frau Taia scheint einer bescheidenen Familie zu entstammen, wurde aber von ihm und ihrem Sohn mit Ehren überhäuft. Der Sohn folgte seinem Vater unter dem Namen Amenhotep IV. nach. Er war ein religiöser Reformator, der den Ammonkult durch den Atonkult (Kult der Sonne) ersetzte. Er nahm den Namen Echnaton an." (Encyclopedia Britannica)

Er ist es.

Das ist ein kleiner Schelm, oh, la la! Sie haben große Mühe mit ihm.

Ich habe es seiner Mutter nicht gesagt.

Wenn sie hier sind, geht alles gut. Aber sobald sie nach Bombay gehen, wo die Familie des Mannes lebt, wird er krank, absolut unerträglich und unzugänglich – hier ist er beherrscht. Und was seltsam ist: in seinem Zimmer hat man Friese mit stilisierten Tieren angebracht. Ich habe Fotos davon gesehen, das ähnelt den Gemälden Ägyptens sehr. Dort fühlt er sich wohl und ist sehr ruhig.

Das ist amüsant.

Ich hatte mich überhaupt nicht damit befaßt. Ich schaute dieses Kind an (offensichtlich ein sehr bewußtes und selbstsicheres Wesen), ich sah dies, und es belustigte mich. Danach dachte ich nicht mehr daran. Später hatte ich diese Vision und wußte, daß er es war – ich sah es. "So will es Amenhotep."

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Mutter ordnet weitere verstreute Papiere:

Es gibt hier ein wenig von allem, denn ich sammle alles unterschiedslos – Notizen, Privatbriefe, Dinge, die ich nie abgeschickt habe...

Und was ist dies?

You leave free hand to the bandits and...

Ah, das ist eine Botschaft, die ich der indischen Regierung im Geist geschickt habe. Sie wollten uns Geld für den "See" 2 leihen, verlangten aber alle möglichen fürchterlich komplizierten Garantien, als ob sie es bei uns wirklich mit einem Haufen von Banditen zu tun hätten. Ich habe abgelehnt. Ich sagte ihnen: "Behalten Sie Ihr Geld! Zu diesem Preis will ich es nicht." Aber nachdem ich dies geschrieben hatte, ließ ich es noch lange auf meinem Tisch liegen (das ist meine Methode, ich tue das für meine Arbeit). Ich war sehr zornig und schrieb:

You leave free hand to the bandits... and you take all sorts of insulting measures against honest people. 3

Das wurde nicht veröffentlicht. Diese Papiere sind Handlungen: okkulte Handlungen. Ich schreibe sie, bewahre sie auf und "lade" sie dann wieder.

Du kannst das unter "Meditationsthemen" ablegen (!)... über das Verhalten der Regierung.

Manchmal schreibe ich so für die eine oder andere Person einen Satz, schicke ihn aber nicht ab, sondern bewahre ihn auf. Eine Woche, zwei Wochen oder einen Monat später sagt mir die Person, sie habe eine Erfahrung gehabt, in der ich ihr etwas sagte – und zwar genau das, was ich geschrieben hatte. Das ist ein sehr wirksames Mittel.

Auch wenn man etwas zerstören möchte: Man schreibt es auf, zerreißt es und verbrennt es dann.

Ja, aber die Regierung ist taub!

(Mutter lacht) Das hat gewirkt. Man hat sich fast bei uns entschuldigt. Aber es ist noch nicht abgeschlossen. Jetzt sagen sie sogar, sie werden es uns geben (nicht leihen: geben), ohne irgendeine Garantie zu verlangen.

Na gut, wir werden sehen.

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Mutter ordnet ein anderes Papier ein:

Du weißt, es ist immer dasselbe: ich "denke" nicht – ich denke nicht, ich versuche nicht zu antworten, ich frage nicht. Wenn ich etwas lese, z.B. einen Brief, lasse ich das in der Stille wirken – das ist alles. Irgendwann kommt dann ganz plötzlich, prrt! die Antwort. Sie kommt – aber nicht aus meinem Kopf, der ist ganz ruhig. Die Antwort wiederholt sich und belästigt mich solange, bis ich sie mir notiere. Deshalb habe ich überall Papier und Stifte liegen. Ich nehme ein Blatt und schreibe – dann ist es vorbei. Sobald es geschrieben ist, habe ich Ruhe. Und wenn ich Zeit habe, den Brief zu "schreiben", setze ich mich, wähle ein schönes Papier aus und schreibe es ab.

Aber die Wahl von Papier und Stift hängt davon ab, wo ich es gerade schrieb.

(Satprem betrachtet ein mit Tinte beschriebenes Stück einer Seite 3, dann ein anderes, verschieden großes, mit Bleistift beschriebenes Stück Nr. 2, während Seite 1 fehlt).

Du findest sie überall hier!

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Wenig später über eine andere Notiz:

"Im spirituellen Leben ist man immer jungfräulich...

Ich habe das nie weggeschickt. Es richtet sich an eine Französin, die eine ziemlich merkwürdige Erfahrung hatte. Sie schrieb mir, als sie mir begegnete, habe sie ganz plötzlich gespürt, daß sie in ihrer Liebe Jungfrau war und daß sie mit der Liebe einer Jungfrau zu mir gekommen sei. Ich antwortete ihr dies, weil es wahr ist:

... jedesmal, wenn man zu einer neuen Liebe erwacht, ist man jungfräulich, denn jedesmal erwacht ein neuer Teil des Wesens, ein neuer Seinszustand für die Göttliche Liebe."

Ich schrieb es, schickte es aber nicht ab.

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Eine andere Notiz:

"In ihrer Blindheit verlassen die Menschen das Licht ..."

(Mutter fährt fort) "... an das sie gewöhnt sind, um eine Finsternis zu betreten, die neu für sie ist ..." Das bezieht sich auf die Kinder, die hier erzogen wurden und die in Amerika oder ich weiß nicht wo studieren wollen. Einer von ihnen ging weg, um Studien über "die wahre Erziehung" zu betreiben... in England! Das war ein wenig zu viel.

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Eine weitere Notiz:

If you want peace in the world or upon earth, first establish peace in your heart.

If you want union in the world, first unify the different parts of your own being. 4

Das galt der "World-Union"! 5

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Eine letzte Notiz oder Bemerkung Mutters über ihren gegenwärtigen Yoga:

"Wenn die äußere Welt durch die Menschen meiner Umgebung ihren Willen dem Rhythmus des inneren Lebens aufzuzwingen versucht, verursacht das eine Gleichgewichtsstörung, die zu überwinden der Körper nicht immer die Zeit hat."

 

1 "Es steht einem immer frei (lachend), dem Herrn Vorschläge zu unterbreiten, aber letztlich verwirklicht sich allein Sein Wille."

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2 Besitz am Ufer eines Sees. Man wollte dort eine Modellfarm und Pflanzungen anlegen.

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3 "Sie lassen den Banditen freie Hand und ergreifen alle möglichen beleidigenden Maßnahmen gegen ehrliche Leute."

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4 "Wenn ihr Frieden in der Welt oder auf Erden wollt, bringt den Frieden zuerst in euer Herz. Wenn ihr die Einheit der Welt sucht, vereinigt zuerst die verschiedenen Teile eures eigenen Wesens."

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5 World-Union: eine von untereinander zerstrittenen Schülern gegründete Gruppe für die "Einheit der Welt".

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