Mutters
Agenda
sechsten Band
9. Juni 1965
Wie geht es mit deinem Mantra?
Gut, Mutter, es ist ein schönes Mantra.
Ich hatte eine recht interessante Erfahrung.
Du weißt, man hat immer den Eindruck, daß das Mantra seine Kraft verliert, wenn man es weitergibt. Aber ich sagte mir: "Da kann man nichts machen, ich werde es trotzdem tun." Und nachdem ich das beschlossen hatte, dachte ich natürlich nicht mehr daran – es war weg. Und am Abend des Tages, an dem ich dir das Mantra mitteilte, kamen die Worte plötzlich mit einer Wärme und Intensität, als hätten sie... (wie soll ich sagen?) an Kraft gewonnen. Zugleich erinnerte ich mich, daß ich dir das Mantra mitgeteilt hatte, so schaute ich denn und sah, daß es das war, was dein Bewußtsein hinzugefügt hatte. Darüber freute ich mich sehr.
Ich sagte dir schon, daß es eine große Macht enthält, aber nun ist es... (wie kann ich das erklären?) noch wärmer geworden (Mutter lacht). Ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll... ja, es hat eine größere Wärme angenommen – wie eine potentielle Macht (d.h. eine noch nicht manifestierte Macht), es hat eine sehr warme Macht der Freude erhalten. Das freute mich sehr.
(Schweigen)
Seit Jahren habe ich ein langes Mantra, ich habe dir davon erzählt (zusätzlich zum Hauptmantra), es ist äußerst umfassend. Es besteht aus einer langen Wortreihe und läßt sich für alle Erfordernisse und Gelegenheiten anwenden. Aber seit einiger Zeit ist auch dieses sehr spontan und in sich selbst sehr lebendig geworden. Wenn ich ganz konkret sehen will, wie es um jemanden steht, der zum Beispiel vor mir meditiert, rezitiere ich es (innerlich natürlich) und beobachte die Reaktionen. Denn das Mantra betrifft den surrender [Hingabe] aller Wesensteile und aller Lebensweisen, es ist sehr umfassend. An den Reaktionen (in Mutters Chakras) erkenne ich alles sehr klar. Als X neulich kam, tat ich dies – es war das erste Mal, daß ich es mit ihm tat. Und als ich einen bestimmten Punkt erreichte... (Mutter lächelt), konnte er es nicht mehr aushalten. Er wurde steif, grüßte mich und stand auf. Normalerweise blieb er immer sehr ruhig und still. Aber diesmal... (Mutter lacht). Ich rufe den Herrn an und bitte Ihn, Seine verschiedenen Seinsweisen oder Verwirklichungen zu manifestieren (dies ist überhaupt nicht im mentalen Sinne zu verstehen). Ich rezitiere die verschiedenen Teile des Mantras, und in einem gegebenen Augenblick (denn es läuft in einer logischen Folge ab) sagte ich: "Manifestiere Dein Wissen!" Da wurde ihm unbehaglich, als ob er das Gefühl hätte, aus sich selbst hinausgeworfen zu werden. Ich versuchte, Ruhe hineinzubringen, aber er konnte es nicht aushalten. Nach fünf Minuten stand er auf und ging. Ein wirkliches Unbehagen. Denn ich bin in den Leuten, ich bin überall, ich fühle ihre Verfassung, als ob es mein eigener Körper wäre.
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Wenig später gibt Mutter Satprem einen Brief zu lesen, den sie soeben geschrieben hat:
Dies sind Ratschläge für kindliche Gemüter (nicht kindlich nach Jahren). Dasselbe wie: You say that you can't love the Lord because you have never seen him... [Du sagst, du kannst den Herrn nicht lieben, weil du Ihn noch nie gesehen hast.] Das bewegt sich auf demselben Niveau. Aber ich mag das, weil sie wenigstens nicht vorgeben, intelligent zu sein. Gestern sagte mir ein Kind, es sei sein Geburtstag und es wolle mir zwei Fragen auf englisch stellen: Where does God live? oder: Where is the house of God? (etwas in der Art) und: Can I ever see Him? [Wo lebt Gott? Wo ist Gottes Haus, und werde ich Ihn jemals sehen?] Ich habe ihm geantwortet, wie man einem Kind antwortet, mit kindlicher Einfachheit:
God lives everywhere and in everything, and you will be able to see Him if you can find Him deep inside yourself. 1
Im Grunde bräuchte man eine "Kinderabteilung" mit Antworten für Kinder. Ich finde das jedenfalls viel lehrreicher als die philosophischen Formulierungen, viel direkter als die intellektuellen Abstraktionen, wo immer ein wenig Anmaßung mitschwingt – man ist "über diese Kindereien hinaus", nicht wahr. Dabei sind sie genau so kindisch.
1 "Gott lebt überall und in allem, und du wirst Ihn sehen können, wenn du Ihn tief in deinem Innern findest."