Mutters
Agenda
sechsten Band
12. Juni 1965
Einen Brief von Mutter an einen Schüler betreffend:
...Was es nicht alles für Komplikationen gibt! Böswilligkeiten, Leute, die sich im Kreise drehen, anstatt vorwärtszuschreiten. Und idiotische Einfälle. Neulich, nachts... Der Kopf ist immer unbewegt (Geste zur Stirn mit nach oben zum Licht hin geöffneten Handflächen). Dafür danke ich dem Herrn, und das ist immer so. Ich entscheide also nicht, was zu tun ist, ich entscheide nicht, was zu antworten ist, nichts: Wenn es kommt, dann kommt es. Einige Leute hatten einen üblen Streich gespielt – (lachend) das läßt mich völlig kalt! –, und ich rührte mich nicht. Mitten in der Nacht aber kommt eine Kraft, ergreift mich und sagt mir: "Hier ist die Antwort, das muß gesagt werden!" Ich stimmte zu (ich lag nämlich im Bett), rührte mich aber nicht. (Mutter nimmt einen gebieterischen Ton an:) "Das muß gesagt werden!" – Na gut. Ich rühre mich weiterhin nicht. (Noch strengerer Ton:) "Das muß gesagt werden!" (Mutter lacht) Also stand ich auf, ging zum Pult und schrieb im Dunkeln, was ich zu sagen hatte.
Dann hatte ich Ruhe.
*
* *
(Mutter geht zur Savitri-Übersetzung über, dem Dialog mit dem Tod.)
(Mutter liest den Text) Ach, was für ein Witzbold!
Then will I give thee all thy soul desires
[Dann werde ich dir alles schenken, was deine Seele begehrt]
Das ist ein Witzbold.
All the brief joys earth keeps for mortal hearts.
[Die kurzen Freuden alle, die die Erde sterblichen Menschen vorbehält.]
But I don't want them! [Aber ich will sie nicht!] – Das ist wirklich ein Spaßvogel.
Und was geschieht mit ihr?
My will once wrought remains unchanged through Time
[Mein Wille bleibt, einmal festgelegt, unwandelbar durch Zeit]
Oho! Was du nicht sagst!
And Satyavan can never again be thine. (X.III.636)
[und Satyavan kann niemals mehr dein eigen sein.]
(dt. S. 650)
Das stimmt nicht, mein Alter!
(Mutter übersetzt)
Alors je te donnerai tout ce que ton âme désire...
Die Seele begehrt nichts. Er hat gut sagen: "Ich gebe dir, was deine Seele begehrt", denn die Seele begehrt nichts. Er verpflichtet sich also zu nicht viel.
Das ist ein Spaßvogel – er hat ihn wirklich so dargestellt.