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Mutters

Agenda

sechsten Band

27. November 1965

Hast du am Darshantag etwas Besonderes gefühlt? Nein?

Sri Aurobindo war von morgens bis abends anwesend.

HIER, weißt du.

Während, oh, sicher für mehr als eine Stunde ließ er mich wie in einer konkreten und lebendigen Vision den Zustand der Menschheit und der verschiedenen Schichten der Menschheit im Verhältnis zur neuen oder supramentalen Schöpfung erleben. Es war wunderbar klar, konkret und lebendig.

Da war die gesamte nicht mehr ganz animalische Menschheit, welche die mentale Entwicklung dazu benutzt hat, eine gewisse Harmonie in ihrem Leben zu schaffen – eine vitale, künstlerische, literarische Harmonie – und deren überwiegende Mehrheit mit dem Leben zufrieden ist. Diese Menschen sind zu einer gewissen Harmonie gelangt und leben darin das Leben so, wie es in einem zivilisierten Milieu möglich ist, mit anderen Worten, etwas kultiviert, mit einer gewissen Verfeinerung des Geschmacks und der Gewohnheiten. In ihrem ganzen Leben herrscht eine gewisse Harmonie, in der sie sich wohl fühlen und in der sie froh und glücklich leben und mit dem Leben zufrieden sind, wenn ihnen nicht gerade etwas Katastrophales zustößt. Diese Menschen mögen sich von den neuen Kräften, den neuen Dingen, dem zukünftigen Leben angezogen fühlen (denn sie haben Geschmack, sie sind intellektuell entwickelt); sie mögen sich zum Beispiel auf eine mentale, intellektuelle Weise für Sri Aurobindo interessieren. Sie spüren aber überhaupt kein Verlangen danach, sich materiell zu ändern, und würde man ihnen das aufzwingen, wäre es verfrüht und ungerecht und brächte einfach alles durcheinander, es würde ihr Leben ganz unnötigerweise durcheinanderbringen.

Das war sehr klar.

Dann gab es einige wenige, seltene Individuen, die bereit sind, die notwendige Anstrengung zur Vorbereitung der Transformation auf sich zu nehmen, bereit, die neuen Kräfte anzuziehen und zu versuchen, die Materie anzupassen, die Ausdrucksmittel zu finden usw. Diese sind für Sri Aurobindos Yoga bereit. Es sind sehr wenige. Darunter sind sogar einige, die sich aufopfern möchten und bereit sind, ein hartes und schwieriges Leben zu führen, wenn es ihnen nur hilft, sie zu dieser zukünftigen Transformation zu führen. Aber sie dürfen auf gar keinen Fall versuchen, die anderen zu beeinflussen und sie in ihre eigene Bemühung miteinzubeziehen: das wäre völlig ungerecht – nicht nur ungerecht, sondern auch äußerst ungeschickt, weil dies den Rhythmus und den universellen oder zumindest irdischen Gang ändern würde, und anstatt zu helfen, würde es Konflikte heraufbeschwören und in einem Chaos enden.

All dies erschien so lebendig, so wirklich, daß sich meine ganze Haltung (wie soll ich sagen?... eine passive, nicht von einem aktiven Willen ausgehende Haltung), die ganze Position, die ich in meiner Arbeit einnahm, geändert hat. Und dies brachte einen Frieden mit sich, einen grundlegenden Frieden und eine Ruhe und ein Vertrauen. Eine entscheidende Veränderung. Selbst das, was in der vorigen Position als Unnachgiebigkeit oder Ungeschicklichkeit, als Unbewußtheit und dergleichen bedauerliche Dinge erschien, all dies war verschwunden. Es war wie die Vision eines ungeheuren universellen Rhythmus, in dem jedes Ding seinen Platz einnimmt und... alles zum Besten steht. Auf nur eine kleine Anzahl beschränkt, wird die Bemühung um die Transformation etwas VIEL Wertvolleres und VIEL Mächtigeres für die Verwirklichung. Es war, als sei eine Auswahl derjenigen getroffen worden, die die Pioniere der neuen Schöpfung sein werden. Alle diese Vorstellungen, ein Wissen zu "verbreiten" oder die Materie "vorzubereiten" und zu bearbeiten, sind kindisches Zeug, nichts als menschliche Turbulenz.

Diese Vision war von einer solchen Schönheit, so majestätisch, ruhig und lächelnd, oh!... von einer wirklich göttlichen Liebe erfüllt. Aber keine "verzeihende" göttliche Liebe – ganz und gar nicht! – jedes Ding hat darin seinen Platz und verwirklicht seinen inneren Rhythmus so vollkommen, wie es nur vermag. Das ist alles.

Das war ein sehr schönes Geschenk.

Weißt du, diese Dinge weiß man irgendwie auf intellektuelle Weise, so als Idee, man weiß all dies, aber das bringt überhaupt nichts. In der Praxis des Alltags lebt man nach einem anderen, einem wahreren Verständnis. Und es war, als berühre man die Dinge in ihrer höheren Ordnung – man sah sie, man berührte sie.

Es kam nach einer Vision der Pflanzenwelt und der spontanen Schönheit der Pflanzen (das ist etwas so Wunderbares!), dann des Tieres mit seinem so harmonischen Leben (vorausgesetzt, die Menschen mischen sich nicht ein), und all das war völlig an seinem Platz. Dann die wahre Menschheit als solche, die den Gipfel dessen darstellt, was ein ausgeglichenes Mental an Schönheit, Harmonie, Zauber, an Lebenseleganz und Geschmack am Leben – am Sinn für ein Leben in Schönheit – hervorzubringen vermag, natürlich unter Ausschaltung all dessen, was häßlich, niedrig und vulgär ist. Es war eine schöne Menschheit. Die Menschheit in ihrer höchsten Blüte, und schön. Sie ist vollkommen zufrieden mit sich selbst, denn sie lebt in Harmonie. Vielleicht kam dies auch wie ein Versprechen dessen, was fast die gesamte Menschheit unter dem Einfluß der neuen Schöpfung sein wird: mir erschien sie als das, was das supramentale Bewußtsein aus der Menschheit machen kann. Man könnte sie sogar mit dem vergleichen, was die Menschheit aus der Tierwelt hervorbrachte (natürlich war dies sehr vermischt, aber es gab Vervollkommnungen, Verbesserungen und eine vollständigere Nutzung). Das Tier ist unter dem Einfluß des Mentals zu etwas anderem geworden, das aufgrund der Begrenztheit des Mentals natürlich eine Mischung war; ebenso gibt es unter sehr ausgeglichenen Menschen Beispiele einer harmonischen Menschheit, und dies schien dem zu entsprechen, was die Menschheit unter dem supramentalen Einfluß werden könnte.

Allerdings liegt dies noch in sehr ferner Zukunft; man darf nicht erwarten, daß es sofort so sein wird – es liegt noch sehr weit in der Zukunft.

Wir befinden uns eindeutig noch in einer Übergangszeit, die ziemlich lange anhalten kann und eher schmerzhaft ist. Aber die Anstrengung, die manchmal (oft) schmerzhaft ist, wird kompensiert durch eine klare Vision des zu erreichenden Ziels, des Ziels, das erreicht WERDEN WIRD. Weißt du, es besteht eine Sicherheit, eine Gewißheit. Aber DAS 1 wird etwas sein, das die Macht hat, alle Irrtümer, Deformationen und Häßlichkeiten des mentalen Lebens auszuschalten, dies ergäbe dann eine sehr glückliche, mit ihrem Menschsein völlig zufriedene Menschheit, die überhaupt nichts anderes sein will als menschlich, aber in menschlicher Schönheit und Harmonie.

Es ging ein großer Zauber davon aus, ich lebte gleichsam darin. Die Gegensätze waren verschwunden. Ich lebte gleichsam in dieser Vollkommenheit. Es war beinahe wie ein vom supramentalen Bewußtsein ersonnenes Ideal einer Menschheit, die so vollkommen wie nur möglich geworden war. Es war sehr gelungen.

Das brachte eine große Ruhe mit sich. Die Spannung, die Reibung, all das verschwindet, auch die Ungeduld. All dies war vollkommen verschwunden.

Bedeutet das, daß du die Arbeit konzentrierst, anstatt sie überall zu verbreiten?

Nein, sie kann durchaus materiell verbreitet werden, denn die Individuen sind nicht notwendigerweise auf einen Ort konzentriert. Aber es sind sehr wenige.

Diese Vorstellung einer dringlichen Notwendigkeit, die ganze Menschheit auf die neue Schöpfung "vorzubereiten", diese Ungeduld ist verschwunden.

Es muß sich zuerst in einigen wenigen verwirklichen.

Das ist es.

Nimm zum Beispiel ein Buch, wie deines 2 (ich wußte dies von Anfang an), ein solches Buch wird seine Aufgabe voll erfüllt haben, wenn es auch nur ein Dutzend Leute berührt. Es ist nicht nötig, daß es in Tausenden von Exemplaren verkauft wird. Wenn es ein Dutzend Leute berührt, hat es seine Aufgabe bestmöglich erfüllt. So ist das.

Ich sah... ich sah dies auf eine so konkrete Weise 3 . Außer denjenigen, die fähig sind, die supramentale Transformation und die supramentale Verwirklichung vorzubereiten, und deren Zahl notwendigerweise sehr beschränkt ist, muß sich innerhalb der gewöhnlichen menschlichen Masse allmählich eine höhere Menschheit entwickeln, die dem zukünftigen oder versprochenen supramentalen Wesen gegenüber die gleiche Haltung einnimmt wie zum Beispiel die Tiere gegenüber dem Menschen. Außer jenen, die an der Transformation arbeiten und dazu bereit sind, bedarf es noch der Zwischenstufe einer höheren Menschheit, die in sich oder im Leben diese Harmonie mit dem Leben gefunden hat – diese MENSCHLICHE Harmonie – und die das gleiche Gefühl von Verehrung, Hingabe und treuer Ergebenheit für "etwas" verspürt, das ihr so viel höher erscheint, daß sie es nicht einmal selbst zu verwirklichen sucht, das sie aber verehrt, und unter dessen Einfluß und Schutz sie sich stellen möchte, um in der Freude dieses Schutzes zu leben... Das war so klar. Aber nicht die Angst und Qual, etwas zu wollen, das sich einem entzieht, weil – nun, weil es einem noch nicht bestimmt ist und weil der notwendige Grad der Transformation für die betreffende Existenz verfrüht ist und es nur Verwirrung und Leid hervorrufen würde.

Ich sehe sehr klar, wenn die Arbeit so getan wird, wie "man" sie mich tun läßt, dann wird es ganz spontan so sein. Nehmen wir zum Beispiel etwas ganz Konkretes, um das Problem zu veranschaulichen: Die Menschheit erlebt den sexuellen Drang auf eine ganz natürliche, spontane und, ich möchte sagen, legitime Weise. Dieser natürliche, spontane Impuls wird zusammen mit der Animalität wegfallen (viele andere Dinge werden ebenfalls verschwinden, wie zum Beispiel die Notwendigkeit zu essen, vielleicht auch die Notwendigkeit zu schlafen, so wie wir es kennen), aber der bewußteste Impuls einer höheren Menschheit, der ihr wie eine Quelle der – Glückseligkeit ist ein großes Wort – aber der Freude, der Wonne verbleibt, ist zweifellos die Sexualität, die in den Funktionen der Natur überhaupt keinen Zweck mehr erfüllen wird, wenn die Notwendigkeit dieser Art der Fortpflanzung verschwunden ist. Die Fähigkeit, mit der Lebensfreude in Kontakt zu kommen, wird folglich um eine Stufe höher steigen oder sich anders orientieren. Aber das, was spirituelle Aspiranten früher aus Prinzip vertraten – die sexuelle Abstinenz –, ist absurd, denn sie ist nur für diejenigen bestimmt, die über dieses Stadium hinausgewachsen sind und keine Animalität mehr in sich tragen. Dies muß auf natürliche Weise, ohne Mühe und Kampf, einfach von einem fallen. Daraus einen Konflikt, einen Kampf, eine Anstrengung zu machen, ist lächerlich. Das hat mir meine Erfahrung im Ashram zur Genüge bewiesen, denn ich habe alle Stadien gesehen und erkannt, daß alle Ideen und Verbote überhaupt nichts nützen, denn erst wenn das Bewußtsein aufhört, menschlich zu sein, fällt es ganz natürlich von einem ab. Hier gibt es einen etwas schwierigen Übergang, denn Übergangswesen befinden sich immer in einem instabilen Gleichgewicht, aber im Innern lebt eine Art Flamme und ein Drang, der den Übergang nicht schmerzvoll werden läßt – es ist keine schmerzvolle Anstrengung, sondern etwas, das man mit einem Lächeln tun kann. Aber dies denjenigen, die noch nicht dazu bereit sind, aufzwingen zu wollen, ist absurd. Man hat mir oft den Vorwurf gemacht, ich würde manche Leute ermuntern zu heiraten; vielen jungen Leuten sage ich: "Heiratet, heiratet!" Woraufhin man mir entgegenhält: "Was, Sie ermutigen sie auch noch?" – Das gebietet einem einfach der gesunde Menschenverstand.

Das ist schlichtweg gesunder Menschenverstand. Sie sind menschlich und sollen nichts anderes vorgeben.

Erst wenn der spontane Impuls für euch unmöglich wird, wenn ihr fühlt, daß er etwas Unangenehmes ist und im Widerspruch zu euren tieferen Bedürfnissen steht, dann wird es leicht, ja, dann brecht die äußeren Bindungen ab, und es ist vorbei.

Dies ist eines der überzeugendsten Beispiele.

Das gleiche gilt für die Ernährung – dort wird es dasselbe sein. Wahrscheinlich wird es einen Übergang geben, in dem man immer weniger rein materielle Nahrung zu sich nimmt. Genau dem geht man jetzt gerade nach: all die Vitamine und Konzentrate sind eine instinktive Suche nach einer subtileren Nahrung, und dies wird gewiß als Übergang dienen.

Es gibt viele solche Dinge. Seit dem 24. (Tag des Darshans) lebe ich in diesem neuen Bewußtsein, und ich sah eine ganze Reihe von Dingen, darunter sogar einige meiner eigenen Erfahrungen, die ich erst jetzt verstehe. Wie zum Beispiel, als ich zehn Tage lang fastete (voll und ganz), ohne einen Gedanken ans Essen zu verschwenden (ich hatte einfach keine Zeit zu essen), und es war kein Kampf: es war ein Entschluß. Damals entdeckte ich in mir eine Fähigkeit, die sich nach und nach entwickelt hatte: Wenn ich zum Beispiel an einer Blume roch, war dies nährend. Ich sah, wie man sich auf eine subtilere Weise ernähren konnte.

Nur ist der Körper nicht bereit. Der Körper ist noch nicht bereit und verfällt, das heißt, er zehrt sich selbst auf. Was beweist, daß der Augenblick noch nicht gekommen ist und daß es nur eine Erfahrung war – eine Erfahrung, die einen etwas lehrt. Sie lehrt einen, daß es keine brutale Weigerung sein soll, sich mit der entsprechenden Materie zu verbinden, keine Isolation (man kann sich gar nicht isolieren, das ist unmöglich), sondern eine Verbindung auf einer höheren oder tieferen Ebene.

Diese Botschaft, die wir am 24. 4 verteilten, kam von Sri Aurobindo, der mir auftrug, sie für den 24. aufzuheben, und dies sehr klar und sehr kategorisch, ich weiß nicht warum. Aber jetzt hat er mir klar gezeigt, weshalb, und ich habe verstanden. Denn diese Kraft wird immer offensichtlicher – diese Kraft der Wahrheit –, und natürlich bedarf das menschliche Denken, das von kindlicher Beschaffenheit ist (es hat zum supramentalen Denken die gleiche Beziehung wie es das, was man als animalisches Denken oder Empfinden bezeichnen kann, dem menschlichen Empfinden und Denken gegenüber hegt), beinahe eines Aberglaubens (Aberglaube ist ein häßliches Wort für etwas, das nicht eigentlich häßlich, sondern ein unwissender, naiver und sehr vertrauensvoller Glaube ist), und genau dieser Glaube läßt einen dann an Wunder glauben, sobald man den Einfluß einer Kraft fühlt – er läßt einen denken, daß das Supramental sich bald manifestiert und man supramental wird und... Das Lustige daran ist, daß ich jeden Darshan gewöhnlich zwei oder dreihundert "Botschaften" versende (alle bitten mich darum, um sie ihren Briefpartnern zu schicken); diesmal habe ich nicht einmal hundert verteilt! (lachend) Nicht einmal hundert! Ach, das ist nicht so bequem, denn es scheint zu sagen: "Nein, nein, seid vernünftig."

Das ist lustig. Ich habe hier noch das ganze Paket liegen.

Es ist, als würde man einem Hund sagen: "Glaube nicht, glaube ja nicht, ich sei so, wie du dir vorstellst – allmächtig, allwissend!" Würde man ihm die Wahrheit darüber sagen, wie wir Menschen sind, der arme Hund wäre sehr enttäuscht. Er glaubt, der Mensch sei ein allmächtiges Wesen, das alles weiß und kann. – Einem Hund sagt man ja auch nicht: "Du bist abergläubisch."

(Schweigen)

Diejenigen, die höhere Regionen der Intelligenz berührt haben, die mentalen Fähigkeiten in sich aber nicht beherrschen, hegen ein naives Verlangen, alle möchten so denken wie sie und verstehen, wie sie verstehen, und wenn sie merken, daß die anderen das nicht können, nicht verstehen, dann sind sie zunächst schrecklich schockiert. "Was für ein Dummkopf!", heißt es dann. Aber sie sind keineswegs dumm – sie sind einfach anders, sie befinden sich in einem anderen Bereich. Man wird auch nicht zu einem Tier sagen: "Du bist ein Dummkopf", sondern man sagt: "Es ist ein Tier." Genauso sagt man: "Es ist ein Mensch." Es ist ein Mensch. Nur gibt es auch jene, die keine Menschen mehr, aber auch noch keine Götter sind, sie befinden sich in einer Lage, die sehr... auf englisch sagt man awkward [unbequem] ist.

Aber diese Vision war sehr beruhigend, so sanft, so wunderbar – jedes Ding drückte ganz natürlich seine Art aus.

Ja, und die Flamme... Wenn sich die Flamme entzündet, wird alles anders. Aber diese Flamme ist etwas vollkommen anderes; sie ist völlig verschieden vom religiösen Gefühl, vom religiösen Streben, von der religiösen Verehrung (all das ist sehr gut, es ist der Gipfel des menschlichen Strebens, und es ist sehr gut, ja ausgezeichnet für die Menschheit), aber DIESE Flamme, die Flamme der Transformation ist etwas anderes. Ach, da kommt mir gerade in den Sinn, wie mir Sri Aurobindo etwas wieder ins Gedächtnis zurückrief, das ich in Japan geschrieben hatte, (es wurde in Gebete und Meditationen veröffentlicht), und ich hatte nie verstanden, was da geschrieben stand. Ich hatte es immer zu verstehen versucht und mich gefragt: "Was zum Teufel wollte ich damit nur sagen? Ich habe keine Ahnung." Es kam einfach so, und ich schrieb es auf. Da war die Rede von einem "Kind", und es wurde gesagt: "Komm ihm nicht zu nahe, denn es brennt" (ich erinnere mich nicht mehr an die genauen Worte), und immer hatte ich mich gefragt: "Was ist das bloß für ein Kind, von dem ich da sprach?... Und bei dem man aufpassen muß, daß man ihm nicht zu nahe kommt? 5 Erst gestern oder vorgestern verstand ich plötzlich – plötzlich zeigte er es mir, indem er sagte: "Das ist es: das "Kind" ist der Anfang der neuen Schöpfung, sie ist noch im Kindheitsstadium, und berührt sie nicht, wenn ihr nicht verbrennen wollt – denn sie brennt."

(Schweigen)

Ganz offensichtlich bringt die Weite und Gesamtheit der Vision so etwas wie ein verstehendes Mitgefühl mit sich – nicht das Mitleid des Höheren gegenüber dem Niedrigen: das wahre göttliche Mitgefühl, das umfassende Verständnis, daß jeder das ist, was er sein muß.

Zurück bleiben nur die Entstellungen. Aber auch für diese gab es eine Erklärung. Es war die entscheidende Vision, die jedes Ding an seinen Platz stellt. Eine wahre Offenbarung.

All diese Dinge wurden schon tausendmal gesagt, sie wurden ich weiß nicht wie oft schon geschrieben, sie wurden gedacht und ausgedrückt – all das ist sehr gut, dort oben. Aber jetzt kam es in die [materielle] Ebene selbst, es wurde hier empfunden, geatmet, absorbiert; das ist etwas völlig anderes. Es ist ein Verständnis, das überhaupt nichts mit dem intellektuellen Verständnis zu tun hat.

(nach langem Schweigen)

Sri Aurobindo sagt mir weiterhin Dinge... Wirklich sehr interessant.

Eine Art Instinkt will, daß alles mit der Erfahrung, die man hat, übereinstimmt. Aber das tendiert zur Gleichförmigkeit, zur gleichförmigen Einheit des Höchsten, die das nicht-manifestierte, auf ewig mit sich selbst identische Höchste darstellt, im Gegensatz zur unzähligen Vielfalt aller Ausdrucksweisen dieser Einheit; und instinktiv kommt es immer zu einem Rückzug (Geste eines Zurückweichens) zum Nicht-Manifestierten hin, anstelle einer Annahme (Mutter öffnet beide Hände) der Manifestation in ihrer Gesamtheit. Das ist sehr interessant.

Das ist die erste Wirkung der Rückkehr zum Ursprung.

Dies bedeutet Vereinfachung, Identität, Einzigartigkeit – die identische Einzigartigkeit. Und auf der anderen Seite steht die Bewegung der Manifestation (Geste der Ausdehnung): die vielfältige Unermeßlichkeit.

Es ist instinktiv.

(Mutter versinkt in Kontemplation)

 

1 "Das" = der supramentale Einfluß

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2 Das Abenteuer des Bewußtseins.

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3 Mutter ließ die nachfolgende Passage, die sich zunächst auf den Ashram bezog, ändern. Interessant daran ist, was sie für den Ashram sah, interessant auch, was sie uns in dieser Passage streichen und ändern ließ. Im Original lautete sie: "Damit eine Gruppe, wie zum Beispiel der Ashram, wirklich ihre Aufgabe erfüllen kann, müßte sie aus Mitgliedern dieser höheren Menschheit bestehen, die dem zukünftigen oder zu erwartenden supramentalen Wesen gegenüber die gleiche Haltung einnimmt, wie es tierische Wesen (so zum Beispiel der Hund) dem Menschen gegenüber tun. Damit der Ashram seine Funktion erfüllen kann, bedarf es Menschen, die in sich selbst oder im Leben diese Harmonie mit dem Leben gefunden haben – diese menschliche Harmonie – und die das gleiche Gefühl der Verehrung und der Hingabe empfinden [das die Tiere haben] gegenüber "etwas", das ihnen so viel höher erscheint, daß sie nicht einmal versuchen, es zu verwirklichen, das sie aber verehren und dessen Einflusses, dessen Schutzes sie bedürfen, und die den Drang spüren, unter diesem Einfluß zu leben und die Freude zu genießen, unter diesem Schutz zu stehen."

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4 "Es ist gewiß ein Fehler, das Licht gewaltsam herabzubringen, daran zu ziehen. Das Supramental kann nicht im Sturm erobert werden. Wenn die Zeit gekommen ist, wird es sich von selbst öffnen. Aber vorher bleibt noch vieles zu tun, und es muß geduldig und ohne Eile getan werden." – Sri Aurobindo

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5 Gebete und Meditationen, 27. März 1917: "... Du siehst es in deinem Herzen, diese triumphierende Stätte; du allein kannst es tragen, ohne daß es zerstörerisch wird. Wenn die anderen es berühren, werden sie verbrannt. So lasse sie ihm nicht zu nahe treten. Das Kind muß wissen, daß es die strahlende Flamme nicht berühren darf, von der es so sehr angezogen wird ..."

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