Mutters
Agenda
siebenten Band
2. März 1966
Es wird immer gedrängter. Ich arbeite bis abends halb zehn daran, Geburtstagskarten für den nächsten Tag zu schreiben.
Letzte Nacht erlebte ich eine "amüsante" kleine Episode. Ich wollte dich besuchen (oder ich versuchte es), und du warst gleich im angrenzenden Zimmer – es herrschte ein infernalischer Lärm! Lärm von Leuten, die alle unentwegt redeten. Leute vom Ashram. Seltsam, es ist das erste Mal, daß mich im Traum der Lärm stört – so ein Heidenlärm! Am liebsten hätte ich gesagt: "Jetzt seid endlich still!"
Ja, genau, so ist es.
Aber ich habe dich letzte Nacht gesehen, du warst also wirklich da.
(Dann hält Mutter abrupt inne und wendet sich zum Fenster)
Warte, ich sehe nicht mehr klar... (Mutter nimmt ihr Gesicht zwischen die Hände und bleibt eine Weile reglos)... Weißt du, ich bin dabei, auf eine ganz präzise, materielle und detaillierte Weise die Macht zu heilen zu entwickeln. Ich mache das nicht absichtlich, es ist einfach so. Folglich (lachend) gibt man mir Gelegenheit, Versuche anzustellen: Erfahrungen am eigenen Körper – ständig stößt mir irgend etwas zu. Plötzlich kommt etwas, und ich lege meine Hand auf oder konzentriere mich einfach, mache die eine oder andere Bewegung, und alles verschwindet – ganz materiell: die Macht zu heilen. Verstehst du, ich lege meine Hand auf, und die Kraft geht hindurch. Sehr interessant. Allerdings (lachend) bin ich selber das Experimentierfeld! Das ist weniger lustig.
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(Wenig später, anläßlich eines unbedeutenden, aber aufschlußreichen Vorfalls. Mutter zeigt auf einen Umschlag mit Geld und fragt Satprem, ob sie ihm nicht schon einen Umschlag gegeben habe 1 . In der Tat hatte Mutter Satprem vor acht Tagen einen blauen Umschlag überreicht.)
Ich muß die Dinge in solcher Eile tun... Wenn ich zum Beispiel mit meiner Arbeit am Morgen fertig bin, verteile ich vor dem Mittagessen das Geld – der Arzt ist da, P ist da, die Stunde des Mittagessens ist vorbei, alle warten, auch der Kassierer ist da und wartet auf sein Geld. Alle klammern sich an mich. Und anstatt die Arbeit mit meinem Bewußtsein machen zu können, wird das Bewußtsein von all diesen Leuten gefangengehalten, die denken: "Es wird Zeit, es wird Zeit... es ist spät, es ist spät ...", also erledige ich die Dinge automatisch und weiß nicht mehr, was ich tue – an alles, was ich automatisch tue, erinnere ich mich nachher nicht mehr. In deinem Fall wußte ich nicht mehr, ob ich dir den Umschlag gegeben hatte oder nicht, weil ich das in diesem Zustand tat. Doch als ich diesen neuen Umschlag vorbereitete (dieses Mal tat ich es bewußt), sah ich plötzlich meine Geste, wie ich dir einen kleinen blauen Umschlag gab, etwa so groß, und ich erinnerte mich an das Lächeln, mit dem du ihn entgegennahmst. Diese beiden Dinge waren sehr klar in meinem Bewußtsein. Da sagte ich mir: "Ich muß es ihm gegeben haben!"
So ist das, ich erinnere mich an meine Hand mit dem Umschlag und an dein Lächeln.
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(Satprem geht über zu einem früheren Entretien vom 17. April 1951. Ein Abschnitt betraf die Vervollkommnung des physischen Instruments: "Die physische Vervollkommnung beweist keineswegs, daß man einen weiteren Schritt zur Spiritualität hin gemacht hätte, nicht im geringsten. Die physische Vervollkommnung zeigt lediglich, daß das Instrument, dessen sich die Kraft bedient – welche Kraft auch immer –, ein hinreichend perfektioniertes Instrument ist, um von bemerkenswerter Ausdruckskraft zu sein. Der bedeutsame Punkt jedoch, der wesentliche Punkt, ist der, welche Kraft sich des Instruments bedient. Dort muß man eine Wahl treffen." An dieser Stelle macht Mutter folgende Bemerkung:)
Ich erinnere mich genau an den Moment, als ich das sagte – an den Ort, die Stunde, den Klang, an alles –, denn in diesem Moment hatte ich plötzlich den Eindruck eines göttlichen Willens, der sich manifestierte. Ich erinnere mich, in diesem Augenblick gesagt zu haben: "Ach, so müßte es immer sein." Jetzt ist das wiedergekommen. An welchem Datum war das?
Am 17. April 1951.
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(Am Ende der Zusammenkunft verbleibt Mutter lange in Kontemplation, dann nimmt sie Satprems Hände)
...Ganz im blauen Licht Sri Aurobindos.
Er ist ganz nah, so nah, er erfüllt dich vollständig.
So weit... so reglos, und gleichzeitig außerordentlich vibrierend – eine so mächtige Schwingung und eine vollkommene Reglosigkeit.
1 Mutter gab Satprem jeden Monat 20 Rupien für seine Zigaretten.