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Mutters

Agenda

siebenten Band

25. Juni 1966

Heute morgen gegen fünf Uhr bist du gekommen und hast mir alle möglichen Dinge erzählt.

Ach ja?

Hast du geschlafen?

Wahrscheinlich.

Ich war jedenfalls wach, ich machte meine Gänge – meine Japa-Gänge. Da kamst du und sprachst mit mir. Du fragtest mich sogar (lachend): "Hast du heute nacht Sri Aurobindo gesehen?" Ich erzählte dir dann allerlei, aber ich sagte auch: "So werde ich dir heute morgen nichts mehr zu erzählen haben!" Und jetzt erzähle ich dir all dies. Nichts Sensationelles letzte Nacht. Es war eine Nacht tiefer Ruhe. Mehr kann ich dir also nicht berichten. Aber es war amüsant, und ich sagte: "Aha, du bist also bewußt, du kommst, um dich mit mir zu unterhalten." Dabei warst du gar nicht bewußt. Das heißt für mich, daß dies [das äußere Wesen Satprems] nicht bewußt war, das andere aber sehr wohl: du kamst, um dich mit mir zu unterhalten.

Ich bin überhaupt nicht bewußt.

Merkwürdig.

Manchmal gibt es, je nach den Handlungen und dem Leben, das man geführt hat, Zwischenbereiche (Mutter deutet einen schmalen Streifen an), die unentwickelt geblieben sind und so etwas wie ein Polster bilden: das Bewußtsein dringt nicht durch. Ich hatte auch so eines; aber sobald ich Théon traf, erklärte er mir das. Er sagte: "Dein... (Mutter sucht nach Worten) nervöser Zwischenbereich (glaube ich), zwischen dem Vital und dem Physischen, ist nicht entwickelt." Ein Polster also, und das Bewußtsein dringt nicht durch. So arbeitete ich sechs bis zehn Monate beharrlich daran, es zu entwickeln – keinerlei Ergebnis. Dann verreiste ich (vielleicht habe ich dir das schon erzählt), ich ging aufs Land. Eines Tages legte ich mich ins Gras, und plötzlich, paff! kam es von überall her, das Bewußtsein war erwacht. Und es war wirklich blockiert gewesen: eine Unmenge Dinge hatte ich deswegen nie empfangen. Aber es bedeutete harte Arbeit.

Was könnte ich also tun?

Damals hätte ich dir in allen Einzelheiten antworten können; heute weiß ich es nicht mehr so genau. Aber das beste ist eine kleine Konzentration vor dem Schlafengehen mit der Absicht, bewußt zu bleiben. Allein das. Eine Art Aspiration, bewußt zu bleiben.

Aber ich gehe nie einfach nur so schlafen, ich schlafe immer erst nach einer Meditation ein.

Ja, deshalb besuchst du mich ja auch, und deshalb sehe ich dich. Aber es fehlt noch ein kleines Verbindungsstück.

Damals, als ich voll im Okkultismus war, hätte ich dir genaue Details geben können, doch heute erinnere ich mich nicht mehr daran. Dies aber weiß ich noch (etwas, das ich behalten habe): Aspiration. Eine Sehnsucht danach... Du weißt, wenn man um eine bestimmte Uhrzeit aufwachen will und sich sagt: "Ich will um soundsoviel Uhr aufwachen", dann klappt das sehr gut; nun, es ist dasselbe Prinzip. Anstatt sich eine bestimmte Uhrzeit zu setzen, beschließt man, daß man sich erinnert, daß man bewußt bleibt und sich an das erinnert, was passiert. Das kann durchaus funktionieren. Und dann, wie ich immer sage, nicht abrupt aufwachen, d.h. nicht aus dem Bett springen, sondern eine Zeitlang ganz still liegenbleiben. Mir passiert das heute noch: wenn ich aufwache und abrupt aufstehe, dauert es einen Augenblick, bis ich in meine Konzentration zurückfinde und die Erinnerung kommt.

Diese beiden Dinge genügen, mehr braucht es nicht.

*
*   *

(Etwas später geht es um eine europäische Schülerin, die gern im "Kunsthandwerksbetrieb" des Ashrams mithelfen möchte. Wir haben dieses Gesprächsfragment belassen, weil es, obwohl sehr prosaisch, einen guten Einblick in manche Dinge gibt.)

Diese "Cottage Industry" stellt keine sehr schönen Sachen her... Sie würde also gern wissen, ob du möchtest, daß sie dort arbeitet, oder ob sie lieber etwas Unabhängiges unternehmen soll. Ich habe den Eindruck, sie hat ein kunsthandwerkliches Talent, das genutzt werden sollte.

Pavitra las mir ihren Brief vor. Ich sagte ihm spontan: "Ach, diese Frau ist mir zu perfekt." Verstehst du: "Ich mache das und das so gut, ich bin perfekt in diesem und jenem ..." Seitenlang ging das so, mein Kind! Und so sagte ich schließlich: "Sie ist mir zu perfekt."

Wahrscheinlich ist sie tüchtig.

Ja, und diese "Cottage Industry" hat viele Mittel, die nicht voll genutzt werden...

Ich mische mich da nie ein... seit langer Zeit nimmt das seinen Gang, und sie produzieren diese schrecklichen Sachen...

Ja.

Ich habe nie etwas gesagt, weil... wir sprechen nicht dieselbe Sprache. Aber vielleicht würde sich G [der Leiter des Betriebs] freuen, sie zu haben?

Es bräuchte nur deine Einwilligung. Wie soll man es G beibringen? Es bräuchte ein Wort von dir oder...

O nein, ich kann nichts sagen. G muß selbst darum bitten. Sie müßte G ihre Hilfsbereitschaft bekunden, und er müßte ihr Angebot spontan annehmen; sonst funktioniert das nicht, mein Kind. Man würde mir nur mit einem höflichen Brief antworten.

Merkwürdig!

Nein, nein, das ist so. Die Menschheit ist so.

Wenn sie hingeht und ihr Interesse und eine kräftige Portion guten Willen bekundet, mag dies angehen. Sollte G mich fragen, ob ich einverstanden bin, werde ich natürlich ja sagen – aber es muß von ihm kommen. (Mutter lacht)

Sie könnte da etwas frische Luft hineinbringen...

An ihrem Haus waren Reparaturen zu machen – aber sie wollte den Arbeitern unbedingt zeigen, wie es getan werden muß. Die Arbeiter zogen es vor, woanders zu arbeiten.

Alle haben das, alle: diese Arroganz der Europäer, ach!... Denn die Europäer haben eine gewisse Übung im Umgang mit der Materie und beherrschen sie in gewisser Weise. Das trifft zu. Sie sind zum Beispiel viel ordentlicher (ich meine natürlich im allgemeinen, es gibt immer Ausnahmen), sie haben eine gewisse Meisterschaft über die Materie, die man hier nicht findet, und damit wähnen sie sich so überlegen, daß es widerlich ist.

Bei allen, die hierher kommen, ist das so, und ich gestehe, daß mich das... Ich lasse sie jahrelang reden, bis ihnen schlagartig aufgeht, daß sie bei all ihrer Überlegenheit doch unterlegen sind. Dann – dann hat man eine Verständigungsgrundlage.

Siehst du?

Das ist wahr.

*
*   *

Dann geht Mutter zur Übersetzung von Savitri über

Ich lasse mich immer vom Klang führen...

Weißt du, daß Sunil Musik zu Savitri komponiert hat und sie mir Anfang Juli vorspielen wird? Ich glaube nicht, daß er Publikum dabeihaben will, es ist rein privat, denn es soll erst 1968 aufgeführt werden – im Februar 1968. Er wird mir nur ein kleines Stück vorspielen, um zu sehen, ob das so geht. Aber ich dachte, das würde dich interessieren. Ich werde meine Fenster weit offenlassen.

Ich mag seine Musik sehr.

O ja. Nicht nur einmal – sehr oft, wenn ich seine Musik höre, öffnet sich eine Tür in die Region der universellen Harmonie, in den Bereich, wo man den Ursprung der Klänge hört, und mit außerordentlich viel Gefühl und Intensität. Etwas, das einen aus sich selbst herausholt (Mutter macht eine Geste abrupten Losreißens). Es ist das erste Mal, daß mir so etwas beim Anhören von Musik passiert – sonst erlebe ich das nur, wenn ich ganz allein bin. Die meiste Musik ist der Erde viel näher, aber diese ist etwas sehr Hohes und Universelles, von enormer Kraft: eine Schöpferkraft. Wie gesagt, seine Musik öffnet das Tor.

Einige Leute haben inzwischen seine Musik gehört, und in Rußland, Frankreich und den Vereinigten Staaten haben sie alle gleichzeitig um Erlaubnis gebeten, sie zu vervielfältigen und zu verbreiten. Sonderbar, sie kennen einander nicht, haben aber alle denselben Eindruck gewonnen: das ist Musik von morgen. Ich habe jenen, die gefragt haben, geantwortet: "Ein bißchen Geduld, in zwei Jahren werden wir euch ein musikalisches Monument geben." Es ist viel besser, mit einem Meisterwerk anzufangen, weil das unmittelbar den Rang absteckt; sonst könnte man denken, es seien einfach kleine Inspirationen – das nicht: etwas, das einem einen Schlag versetzt und einen dazu bringt, sich zu verneigen.

Ich rezitiere die Verse (auf englisch, natürlich), und er komponiert die Musik dazu. Wahrscheinlich sind die Worte mit der Musik vermischt, wie er das immer macht. Meine Rezitation besteht einfach aus einer möglichst klaren Aussprache mit dem vollen Verständnis dessen, was gesagt wird, OHNE JEDE INTONATION. Ich glaube, das ist mir gelungen, denn mit einer Woche Abstand (ich lese nicht jeden Tag) ist das Timbre der Stimme immer gleichbleibend.

Alle Musik, die ich früher gern zu hören pflegte, erscheint mir heute blaß.

Nicht wahr? Sie kommt einem nichtssagend vor.

Ja, flach.

Künstlich und ganz flach. Alle Stücke, die ich einmal wunderbar fand – aus, vorbei.

in French

in English