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Mutters

Agenda

achten Band

3. April 1967

Mutter zeigt Satprem ein Blatt Papier:

Dies hab ich für die Eröffnung der Sportsaison geschrieben:

...Ich halte es für wichtig, noch einmal zu betonen, daß unser spirituelles Leben nicht darin besteht, die Materie zu verachten, sondern sie zu vergöttlichen; wir wollen den Körper nicht ablehnen, sondern transformieren. Der Sport ist zu diesem Zweck eines der direktesten und wirksamsten Mittel...

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Das letzte Mal hatte ich keine Zeit mehr, dir etwas zu sagen; jetzt ist es unglücklicherweise nur noch eine Erinnerung – nicht ganz, etwas ist doch geblieben. Die Wirkung dauert fort. Aber im Augenblick, als es da war...

Sri Aurobindo sagte, und er sagte dies als Ausdruck eines Wissens, das schon immer auf einer höchsten Bewußtseinsstufe ausgedrückt worden war, einer Stufe, die noch eine Sprosse höher liegt als der Zustand, in dem man um die essentielle Einheit weiß (und sie lebt) – daß alles "Das" ist, das heißt, der Ausdruck oder die Manifestation oder die Objektivierung oder... von "Dem". Natürlich wurde dies je nach Zeit, Epochen und Milieu mit verschiedenen Worten ausgedrückt, aber es scheint die höchste Erfahrung zu sein. Und die Schlußfolgerung beim Heraustreten aus Raum und Zeit ist die, daß alles seit aller Ewigkeit ist.

Sri Aurobindo war der Meinung (wir sprachen bereits darüber), daß dies die Verwirklichung sei (nicht nur das Wissen: die Verwirklichung), die den höchsten Frieden gebe und alles Warum und Wozu und jeglichen Wunsch nach Berichtigung abwende. Das ganze Drama des Lebens verschwindet, wenn man dies verwirklicht.

Ich hatte diese Erfahrung. Ich hatte sie fast beständig. Im bewußtesten Teil des Wesens (jener, der eins mit den Höhen ist) läßt sich diese Erfahrung folgendermaßen ausdrücken: "Alles besteht seit aller Ewigkeit" oder "Alles ist der Ausdruck der höchsten Schau" (ich verwende bewußt nicht das Wort Willen; nachher werde ich sagen, warum), doch verbunden mit dem Gefühl einer Beschränkung. Ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll, aber es ist so (wohlverstanden sind alle Worte nur Annäherungen): jedesmal, wenn ich die Erfahrung hatte, kam das Gefühl, daß... ich könnte es banal ausdrücken mit dem Satz: "Es ist nicht Das!"

Neulich (am Tag, bevor ich dich sah) kam es zur Stunde meiner Erfahrungen (meiner erlebten Erfahrungen), das heißt sehr früh morgens, mit diesem gleichen Gefühl des Ungenügens. Ich trat in einen gewissen Zustand, wo "Das" völlig leuchtend und klar blieb, aber gleichzeitig – zur selben Zeit – kam die Wahrnehmung... (wie soll ich sagen?) der ursprünglichen Schwingung im vollen Glanz ihres allmächtigen Lichts, und die beiden – das und Das – wurden gleichzeitig auf die Ausdrucksebene übertragen, ohne Gegensatz, beide so zusammen (Mutter preßt ihre beiden Hände zusammen, indem sie die Finger ihrer rechten Hand zwischen die Finger der linken fügt), eng verbunden, im selben Licht: in jedem Augenblick wie ein Pulsieren dieser Kraft (die schöpferische Kraft-Licht-Macht in der allumfassenden Schwingung der Liebe); bei jedem Pulsschlag eine völlige Neuschöpfung 1 .

Wenn die beiden so sind (dieselbe Geste) und wenn man in diesem Bewußtsein lebt, hat man die Empfindung einer absoluten Freiheit: nichts ist unmöglich.

Dies dauerte alles in allem vielleicht einige Minuten, dann begann es, sich zu objektivieren, aber vorher war es... es IST einfach. Danach begann es, sich zu objektivieren, das heißt, man ist Zeuge von DEM und ist es zugleich – das bedeutet einen kleinen Abstieg. Aber im Moment, wo es war, war es DAS.

Das war die Allmacht.

Eine absolute Allmacht.

Im gleichen Moment kam die Erfahrung (keine objektivierte Erfahrung), daß der Wille auf einem sehr viel tieferen Niveau im Vergleich zu "Dem" oder vielmehr sehr viel äußerlicher steht; denn der Wille sieht und handelt – sieht UND handelt –, während es dort nicht sehen UND ausführen UND handeln oder sehen UND sein ist: all dies besteht gleichzeitig, oberhalb der Schau – oberhalb der Schau und oberhalb des Willens – etwas... (Schweigen) etwas, das IST. In dem Moment, gleichzeitig, das heißt ohne irgendeinen Raum (Raum oder Zeit liegen völlig außerhalb davon, denn es ist keine Vision, die sich selbst sehen sieht, keine Wahrnehmung, die sich ihrer Wahrnehmung bewußt ist, kein Bewußtsein, das sich seines Bewußtseins bewußt ist): es IST, einfach so... alles ist so (könnte man sagen), wie es in Raum und Zeit geschleudert werden wird.

Wenn wir nun sagen: "Wollen, was Gott will" oder "Sich mit dem göttlichen Willen vereinen", ist dies immer noch unsere Betrachtungsweise (Geste von unten nach oben), sehr approximativ. Aber dort... Wunderbarerweise ist es keine Vereinfachung, wie wir in unserer Unfähigkeit meinen könnten, tatsächlich ist es... alles: das Manifestierte, das Nicht-Manifestierte, das Noch-zu-Manifestierende, alles, alles – das Ganze. Und dort in dieser Sekunde, ist es die Allmächtigkeit. Die Allmächtigkeit, die absolute Freiheit, das Unvorhersehbare und alles Existierende. Nun das...

Natürlich sind alle Worte dumm.

Als ich von Dem zurückkam (es dauerte lange genug, daß ich die Erfahrung voll, total ausschöpfen konnte), verstand ich vieles. Eines zum Beispiel hatte ich bei Sri Aurobindo beobachtet, etwas, das für die geringsten Details des Lebens, eben für alle Dinge auf der Erde, alle Nichtigkeiten zutrifft: wenn ich mit einer inneren Vision zu ihm ging und ihm sagte: "So sehe ich das" (mit oder ohne Worte), wurde es AUTOMATISCH wahr, wurde es wirklich: Dinge, die weder in seiner noch in meiner Hand lagen, und auch nicht... Nicht, als ob wir eine Entscheidung treffen mußten: es geschah automatisch. Ich stellte dies mehrere Male fest und fand es wunderbar... In einigen psychologischen Fällen, das heißt, wenn es sich um ein individuelles Bewußtsein handelt, und sofern jemand aufrichtig ist (man muß aufrichtig sein) und zum Beispiel eine Aspiration ausdrückt, eine Hoffnung oder eine Vision dessen, wie er oder sie sein sollte, sah ich erst kürzlich (es ist noch nicht lange so), wie sich dieses gleiche Phänomen zeigte: es wird automatisch wahr.

Es geschieht noch nicht sehr häufig, aber es ist vorgekommen. Jetzt verstehe ich, wie das funktioniert.

Von dem Tag an, wo man diesen Zustand, in dem ich kürzlich war, bewahren kann, wo der Wille schon zu einer sekundären Bewegung geworden ist, wird es so sein: die Allmacht. Denn diese beiden Ideen 2, die sehr gegensätzlich zu sein scheinen, sind nur zwei Arten... dieselbe Sache zu sehen.

Wenn man diesen Zustand in dem sich ausdrückenden Bewußtsein verankern will, wird es natürlich sehr schwierig, aber wenn man es lebt, in dem Augenblick, wo man es lebt, ist es anders.

Jetzt ist die Erfahrung zur Erinnerung geworden, aber eine Erinnerung, die völlig lebendig bleibt und deren Wirkung in den Zellen ständig spürbar ist. Hier drückt es sich durch das Gefühl der freien Wahl aus. Eine Wahl, die allmächtig in ihrer Ausführung ist. Der Eindruck, daß... das Universum bei jedem Pulsschlag des Lebens wählt, was es ist.

(Schweigen)

Darauf folgte eine andere seltsame Erfahrung. Einige Leute in Bombay haben es sich in den Kopf gesetzt, für 1968, meinen neunzigsten Geburtstag ("meine 90 Jahre"), eine große Veranstaltung zu organisieren. Sie haben Broschüren zusammengestellt, die sie an viele Leute verteilen wollen, usw. – das ist mir völlig gleichgültig, aber sie schickten es mir zur Begutachtung. Ich legte es beiseite und beschäftigte mich nicht mehr damit. Doch sie ließen nicht locker und sagten Nolini, sie seien sehr in Eile, denn es sei eine große Arbeit, sie müßten den Text ganz schnell haben, und ich solle sie nicht warten lassen. So begann Nolini die Broschüre zu lesen. Während er las... (sie beschrieben all das, was Sri Aurobindo über die "Universelle Mutter", die "Aspekte" der Mutter und all dies gesagt hat, die ganze alte Geschichte – gewöhnlich läßt mich das völlig kalt), aber während er all die Zitate und Sätze vorlas, hatte ich eine Art Empfindung (ich weiß nicht, wie ich das erklären soll), wie das Gefühl einer auferlegten Begrenzung, verbunden mit einem Unbehagen und etwas, das die Begrenzungen sprengen wollte. Ich sagte nichts. Ich sagte: "Ich will mich nicht damit befassen, macht, was ihr wollt, das geht mich nichts an." Er antwortete höflich in diesem Sinne. Aber es interessierte mich sehr, denn dieses Gefühl von Unbehagen, von Bedrängnis – von Einengung und Bedrängnis – war sehr stark. So fragte ich mich: "Was geht hier vor? Was ist los, warum fühle ich mich so? Was ist das?..." Wie ich schon sagte, lasse ich mich gewöhnlich, einfach so, in eine Art Indifferenz gleiten, nein, keine "Indifferenz", eine... (weite Geste). Stattdessen war mir, als ob man mich in etwas einschließen wollte. Ich beobachtete, und die Erinnerung an die Erfahrung [die Pulsationen] kam zurück, und ich verstand. Das ist interessant.

All dies wurde im Körper verspürt; alle Erfahrungen vollziehen sich im Körper, hier – übrigens wird er... manchmal schaue ich (lachend), um zu sehen (wie von oben), ob er noch eine Form hat! (Mutter lacht) ... Seltsam. Und warum bleibt er so?... Oh, auch diese Frage stelle ich mir nicht mehr. Es ist... die Auswirkung einer höchsten Gnade, denn sonst... wäre es unerträglich – unerträglich für die ganze Welt.

Allein schon der Bewußtseinszustand, wenn ich spontan handle... (dieses "Ich" ist eine Redensart, um keine langen Sprüche zu machen), wenn ich spontan handle, ohne mich zu objektivieren, ist es gewöhnlich ziemlich unerträglich: die Reaktionen bei den anderen sind schmerzhaft. Ich muß mich immer zurückhalten... Meistens muß ich jedenfalls aufpassen, besonders wenn ich sprechen muß.

Was mich zu einer sehr lustigen Feststellung führt, und genau das, was Sri Aurobindo in Savitri schreibt: "Die weisen Menschen sprechen und schlafen ..." Gott wächst, während die weisen Menschen sprechen und schlafen 3 . So ist es: sie sind sich dessen, was passiert völlig unbewußt. Ich sage es ihnen nicht (ich sage es dir), aber sie sind völlig unbewußt. Ständig habe ich den Eindruck, als ob ich mir selber ein Löschhorn aufsetzte, um nicht... wirklich unerträglich zu sein. Wenn diese leuchtende Macht kommt, ist sie so kompakt – sie erweckt den Eindruck, viel schwerer zu sein als die Materie. Es ist verschleiert, völlig verschleiert, andernfalls... unbearable [unerträglich]

(Schweigen)

Als Nolini mir diese Sätze aus der Broschüre vorlas und ich dieses Unbehagen spürte, fragte ich mich zuerst... Denn, wie ich schon mehrmals sagte, hielten sich alle diese Wesenheiten, diese Mächte und Seinsformen abseits, damit sich die Transformation im Körper in Freiheit vollziehen könne. Sie manifestierten sich nicht mehr, um keine Vermischung zu verursachen. Erst dachte ich: "So ist das also: Der Körper hat die Gewohnheit verloren, sie zu manifestieren (die Götter, die Aspekte der Mutter), und wenn er damit in Kontakt tritt, ruft es ein Unbehagen hervor." Einen ganzen Tag lang kam es immer wieder, wie ein zu lösendes Problem. Plötzlich, während ich aufmerksam beobachtete, sah ich, daß es sich ganz im Gegenteil um ein Gefühl der Einschränkung, der Begrenzung handelte. Anstatt ein unerträgliches Gewicht zu sein (diese Götter oder diese Aspekte der Mutter), war es etwas, das die freie Manifestation störte. All diese Wesenheiten und Mächte, all diese Qualitäten, Unterschiede und Attribute, all dies... oh (Mutter macht eine Geste der Einengung).

Nun, das wollte ich dir heute sagen.

(Schweigen)

Manchmal kommen die Erfahrungen, um dann wieder zu gehen. So wie früher, da kamen die Erfahrungen häufig, zeigten sich und gingen wieder. Aber hier ist es nicht so: es blieb DA, aber... der Körper ist noch nicht ganz bereit, damit Das die ganze Zeit bleiben kann. Aber es ist da, der Kontakt wird nicht aufgehoben. Nur ist es nicht die Manifestation.

Der Körper hat noch zu viele Begrenzungen.

 

1 Das ist die "vertikale Zeit".

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2 Die Erfahrung, in der alles seit undenkbaren Zeiten existiert, und die Erfahrung der höchsten Schwingung, die in jedem Augenblick das Universum neu schafft.

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3 Wenige werden sehen, was noch niemand jetzt versteht. Wachsen wird Gott, während die Weisen hier reden und schlafen. Denn der Mensch wird das Kommende vor seiner Zeit nicht wissen, Und Glaube wird nicht sein, bis dieses Werk getan ist. (I.IV.55; s.a. dt. Ausgabe, Hinder + Deelmann, S. 65)

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