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Mutters

Agenda

neunten Band

20. Februar 1968

(Mit Mutters nahendem neunzigsten Geburtstag am 21. Februar hat sie schon seit Wochen keine Zeit mehr gehabt, regelmäßig zu essen und zu schlafen, und sie verbringt ihre Zeit damit, Leute zu empfangen, zu arbeiten, Briefe zu schreiben usw. Satprem stellt fest, daß sie nicht müde aussieht.)

Gäbe es nicht die Gedanken der Leute, die Kollektivsuggestionen und vielleicht eine unterbewußte Suggestion (es ist möglich, daß die Zellen noch einer unterbewußten Suggestion unterworfen sind), bräuchte es nur einige Sekunden einer... (Geste der Verinnerlichung), sich in das Höchste Bewußtsein zu versenken, und alles geht gut. Ich bin nie hungrig (und ich verspüre kein Bedürfnis zu essen), ich bin nie müde (und ich verspüre kein Bedürfnis zu schlafen). Nur die alten Suggestionen bestehen noch, all die Gedanken der Leute: ich würde schwach und krank, wenn ich nicht esse, und ich würde müde und krank, wenn ich nicht schlafe – all diese Geschichten eben. Die Zellen glauben nicht daran, aber dennoch... Verstehst du, sie glauben, es sei ihre Pflicht, zu essen und zu schlafen, sonst... Und ich sehe sehr wohl, daß es GAR NICHT die Arbeit ist, die mich ermüdet: ich bin nicht müder, nachdem ich vierzig, fünfundvierzig, fünfzig Personen gesehen habe, als nach einer einzigen, die schlecht gelaunt ist. Vor allem ist die Atmosphäre verdorben, insofern als die Leute einen instinktiven Horror vor der Wahrheit haben (sie wissen es nicht einmal), und dies erzeugt ein Unwohlsein, ein Mißbehagen, immer. Das reicht schon aus – eine Minute mit jemandem, der mit dieser Atmosphäre eintritt, und sofort muß man sich konzentrieren, eine Anstrengung machen. Manchmal ist es notwendig... (Geste einer Kraft, die herabkommt, um zuzuschlagen), manchen Leuten "sage" ich: "Verhalt' dich lieber ruhig, sonst geschieht dir was!" Ich "denke" in keiner Weise, aber die Kraft ist gegenwärtig (gleiche Geste). Das passiert nicht oft, aber von Zeit zu Zeit geschieht es.

Die Nerven erinnern sich jedoch... Als ich nach einem Jahr hier zum ersten Mal Sri Aurobindo verlassen mußte (als der Erste Weltkrieg ausbrach), wegen des Krieges, wurden alle Nerven krank: sie befanden sich in einem Zustand aufgereizter Spannung (ich glaube, man nennt das Nervenentzündung: alle Nerven). Das ist besonders schmerzhaft, alles war aus den Fugen geraten: der Kreislauf, die Verdauung, alles (ich war in Frankreich, im Süden von Frankreich). Die Nerven erinnern sich daran, ich weiß nicht warum, sie erinnerten sich einmal daran, als es hier viele Schwierigkeiten gab. Sri Aurobindo war da, und ich sagte es ihm (ich weiß nicht, ob ich dir das schon erzählt habe): ich hatte vollkommen den Eindruck einer Hand, die kam und allen Schmerz einfach so auflöste – in Sekundenschnelle war alles weg. Und es ist nie wiedergekommen. Von Zeit zu Zeit, wenn die Leute sehr schlecht eingestellt sind, wenn ihre Gedanken schlecht sind, wenn man sich nicht ausruhen kann, nicht ißt, nicht schläft, dann fängt es manchmal wieder an zu ziehen. Ein kurzer akuter Schmerz. In Frankreich hatte ich das über Wochen. Das kommt immer noch manchmal, und dann muß ich mich ruhig verhalten und... mich in der göttlichen Gegenwart auflösen. Damit hört es auf, es verschwindet, ohne Spuren zu hinterlassen.

Wenn sie sich hingegen unwohl fühlen, erinnern sie sich daran. Und dann sagen sie: "Ich weiß nicht, was zu tun ist, um sich dieser Erinnerung zu entledigen ..." Ich erwische sie und sage ihnen, wie dumm sie sich anstellen... dann geben sie Ruhe.

Interessant ist, daß es für mich keinen Hunger und keine Müdigkeit gibt; das existiert nicht, es entspricht keinerlei Wahrnehmung. Es handelt sich vielmehr um ein Gefühl von Harmonie oder Disharmonie: Ist die Atmosphäre harmonisch oder zumindest voll guten Willens (die Harmonie könnte natürlich immer größer sein, das versteht sich), aber voll guten Willens, dann geht es.

Es gibt Leute, bei denen, sobald sie eintreten, eine ungeheure Herabkunft stattfindet, sehr häufig die Kraft der Kali oder der Maheshwari (nicht der Höchste sondern das, was für sie am besten verständlich ist), sehr häufig, sofort und augenblicklich. Dann steht alles still. Und das Amüsante und Interessante daran ist: durch die Reaktion (durch den Aspekt, der antwortet) wird mir der Zustand klar bewußt, in dem die Leute sich befinden. Das ist keineswegs eine mentale Wahrnehmung. Nur als Schlußfolgerung dessen, was eingetreten ist (die Art von Kraft, die sich in Mutter manifestiert), weiß ich, was sie denken; so weiß ich also: sie müssen in dem und dem Geisteszustand sein. Aber ich könnte nicht direkt sagen, was sie denken. Es gibt ja Leute, die einem sehr wohl sagen können: "Sie denken genau dies oder jenes". Aber alles Mentale ist mir sehr fremd. Hingegen könnte ich stets genau sagen, welches der jeweilige Zustand der Aufnahmefähigkeit, der gute Wille und der Zustand der Aspiration ist, und dies kommt automatisch, ohne danach zu suchen, einfach durch das, was sich in der Atmosphäre regt.

(Schweigen)

Sri Aurobindo ist immer zugegen. Manchmal wird er sehr aktiv, besonders dann, wenn die Leute einen "auspumpen", an einem zerren oder einen mit dem Gewicht all ihrer Schwierigkeiten und Begierden niederdrücken. Seine Haltung hinsichtlich dieser letzten Tage kann ich mit folgenden Worten wiedergeben: "Für sie wird Gott erst dann akzeptabel, wenn sie ihn kreuzigen können."

Das finde ich sehr interessant.

Sie räumen Gott – dem Göttlichen – keinen Platz in ihrem Leben ein, es sei denn, sie können ihn ans Kreuz nageln. Das heißt, sie anerkennen das Göttliche in einem Körper erst dann, wenn der Körper sich kreuzigen und martern läßt. Wenn irgendwelche Hindernisse auftreten, sagen sie: "Er ist also nicht göttlich!"

Er ist nicht göttlich...

Sri Aurobindo pflegte immer zu sagen: "Das Göttliche trägt Sorge, sich zu verschleiern, um sie nicht zu zermalmen."

Und das ist wahr, ich habe das beobachtet: Mitunter, wenn die Kraft wirklich in ihrer ganzen Macht kommt, ist es schrecklich. Selbst für diejenigen, die das kennen, selbst für die Mutigsten von ihnen ist es hart. Und es ist immer so: Es hält sich zurück, um nicht unerträglich zu werden.

Was hast du mir zu sagen? Nichts?... Schade, immer bin ich es, die redet!

(Mutter geht in Meditation)

Du hast vor dir, dort (Geste in Brusthöhe), Sri Aurobindos Symbol. Das nach unten zeigende Dreieck besteht aus einem fast weißen Licht, aber mit einer Spur von Gold, und der nach oben weisende Teil ist von einem intensiven Dunkelviolett – ich weiß nicht warum... Das aufsteigende Dreieck ist dunkelviolett (die Farbe der Vitalkraft), ein Violett von einer sehr intensiven dunklen Färbung, sehr stark, und zusammen mit dem absteigenden Dreieck ergibt es Sri Aurobindos Symbol. Direkt vor dir.

Es ist nicht leuchtend, aber auch nicht dunkel: eine sehr reiche und intensive Farbe, wirklich ein Violett von großer Intensität.

Das aufsteigende Dreieck ist die Aspiration der Schöpfung; das absteigende Dreieck ist die Antwort des Göttlichen. Und dort, wo beide zusammenkommen, ergibt es das Viereck der Manifestation. Und es ist direkt vor dir, sehr deutlich dargestellt.

Das entspricht deinem inneren Zustand... (lachend) sehr schön!

Alles Gute zum Geburtstag, liebe Mutter!

(Mutter ergreift Satprems Hände)

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