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Mutters

Agenda

neunten Band

17. Februar 1968

Bevor wir anfangen zu arbeiten, sieh, was ich erhalten habe!

(Mutter reicht Satprem einen Brief)

"Hier einige Seiten aus unserer Nummer über Auroville, der Stadt der Liebe, die von den vier Müttern behütet wird."

Y

(Mutter reicht Satprem einen Prospekt,
dessen Umschlagbild offensichtlich etwas darstellen soll) 1

Wenn du verstehst, um was es geht, sag es mir!

Verstehst du es?

Nein.

Du verstehst es nicht? Ich dachte, du könntest es mir erklären!

Alles ist durcheinander.

Ist das eine Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt?

Das ist wirklich eine rein mentale Konstruktion.

Ja, absolut.

Und der Text... Es gibt darin nicht die kleinste Schwingung von Wahrheit.

Das stimmt, es ist eine vollkommen künstliche Konstruktion.

Es enthält keine Flamme und auch sonst nichts.

Und von welcher Liebe spricht sie? Das klingt alles so, als ob sie nur von der sexuellen Liebe spräche.

Es macht alles einen sehr menschlichen Eindruck.

(Mutter lacht) Allzu menschlich, allerdings.

Ich habe mir das lange angesehen und mich gefragt, ob das nicht genau die moderne Vorstellung vom Yoga sein wird.

Ja, sie sind voll von all diesen Geschichten über "sexuellen Yoga". Sie denken an nichts anderes, sie sprechen von nichts anderem. Die "Stadt der Liebe", das klingt wie...

Ja, sobald man dieses Wort im gewöhnlichen Sinne verwendet, geht es so.

Ich weiß nicht, was tun.

Es erscheint mir nicht sonderlich interessant.

Ich finde das IN GAR KEINER WEISE interessant. Ist es aber nicht gar gefährlich? Das ist die Frage.

Es vermittelt jedenfalls eine falsche Idee von Auroville. Es bringt alle möglichen Zweideutigkeiten mit sich.

(Mutter schaut sich die kleinen beiliegenden Zeichnungen an, die an drei sich vermischende Linien erinnern)

Es sind immer eins, zwei, drei. Wenn es nur zwei wären, aber es sind immer eins, zwei, drei – das heißt die Vereinigung und ihr Ergebnis!

Und die Hauptzeichnung ergibt genau das Bild eines Bauches, es liegt auf der Ebene des Bauches.

Ach, dann ist es ja noch schlimmer!

Es macht den Eindruck eines Bildes von Eingeweiden.

Scheußlich!

Etwas, das ganz in sich selbst verstrickt ist.

Ja, so sieht es aus.

Mir gefällt es nicht.

Mir auch nicht.

Und Z hat eine Krankheit, die man nur bekommt, wenn man verdrängte sexuelle Begierden hat. Und es gelingt ihm nicht, das loszuwerden, weil er die Ursache nicht beheben kann... sie stecken voll und ganz da drin.

Was soll ich damit anfangen?

Es wäre schade, wenn bei der Einweihung von Auroville so etwas verteilt würde.

Schlimmer noch: sie wollen eine Konferenz für Kinder veranstalten, wobei die Kinder Fragen stellen und ein Dutzend Personen, vor allem aber Y und Z, antworten werden. Also kommen die Kinder mit der Vorstellung, etwas Wahres zu finden, und stattdessen sehen sie dies.

Die "Stadt der Liebe" wird nicht so verstanden werden, wie es sollte. Die Zeitschrift "Planète" wird Herrn D schicken, um einen Artikel über Auroville zu schreiben, und genau diesen D traf ich vor einem Jahr, als er hier war, und er ist wieder ein großer Anhänger dieses "Yogas der Sexualität". 2 Ich hatte ein ausführliches Gespräch mit ihm – ein so lebhaftes Gespräch, daß ich danach eine Art Offenbarung hatte und einen langen Brief über das Problem der Sexualität im Yoga schrieb. Dieser Mann ist verrottet von solchen Geschichten. Und "Planète" schickt ihn als Korrespondenten. Wenn man ihm das zeigt, "die Stadt der Liebe"...

Das ist ärgerlich.

Ich glaube, es hat sich noch verschlimmert, mein Kind, denn ich erinnere mich, als ich Y bat, sich mit der Erziehung in Auroville zu befassen, war sie noch ziemlich anständig. Ich glaube, das ist ihr zu Kopf gestiegen.

Und dann die Geschichte des kleinen R, den man mit Musik und Streicheln erzieht. Die gleiche Geschichte. Und jetzt die Krönung: "die Stadt der Liebe"! Auroville sollte etwas sein, das andere Vorstellungen erweckt als diese kleinlichen Dinge. Ich bin einmal hingegangen. Der Ort hat etwas Ergreifendes...

Oh, es ist sehr schön dort.

Es ist sehr schön, ergreifend, man hat den Eindruck, daß dort wirklich etwas entstehen wird. Und nun diese "Stadt der Liebe"...

Aber ich habe nie gesagt, daß Auroville die Stadt der Liebe sei, nie, nicht ein einziges Mal!

Das Wort wird einfach zu sehr mißbraucht. Es ist besser, nicht davon zu sprechen.

Eben. Man kann dieses Wort nur verwenden, wenn man das Wort "göttlich" dazusetzt. Das ist die einzige Möglichkeit. Sonst wird es unmöglich. Und diese Leute weigern sich, das Wort "göttlich" zu verwenden.

Ja, es macht ihnen Angst.

Was sollen wir also tun?... Schicke ich ihr ihren Prospekt kommentarlos zurück, wird sie sagen, ich hätte zugestimmt; sage ich ihr, daß es so nicht gehe, wird sie nur noch wütender... Sie kümmert sich um alles, mischt sich in alles ein (mit einer gewissen Berechtigung, denn ich hatte ihr gesagt, daß ich sie mit der Erziehung beauftrage). Aber erst DANACH ist sie so geworden. Davor war sie ein wenig wirr, aber es war noch erträglich.

Das ist ärgerlich.

(Mutter verharrt einen Augenblick schweigend) Vielleicht sollte ich ihr folgendes schicken:

"Man muß sich vor dem Wort "Liebe" hüten, wenn es nicht vom Adjektiv "göttlich" begleitet wird, denn in der allgemeinen Vorstellung wird es sonst mit Sexualität in Verbindung gebracht."

Einfach das, keine Meinung über ihre Broschüre. (Mutter schreibt ihre Notiz)

Ich finde ihren Prospekt schädlich, denn nicht nur trägt er nichts zur Sache bei, sondern er öffnet im Gegenteil Tür und Tor für Zweideutigkeiten. Und er besagt nichts: die "Hippies" sind auch "Kinder der Liebe", das ist ihr großes Leitwort.

Um die Wahrheit zu sagen, als ich den Prospekt öffnete, hatte ich eine Reaktion von Ekel.

Nein, wenn ich Vertrauen zu ihr hätte, würde ich es anders formulieren – ich würde direkt schreiben: "... vom spirituellen Standpunkt aus ist dies eine Katastrophe." Aber die Leute zur Weißglut zu treiben, bringt uns auch nicht weiter.

Sie hat überhaupt kein Vertrauen, sie hält sich für unendlich überlegen. Lediglich aus politischen Gründen gibt sie sich die größte Mühe, nicht in einen offenen Konflikt (mit Mutter) zu treten, denn sie fühlt, daß es ihr Handeln stören würde.

Sie wollte einen LSD-Club in Auroville eröffnen – und sie behauptete, daß ich das autorisiert hätte (was der Wahrheit voll ins Gesicht schlägt). Denn ich hatte ihr geschrieben... verstehst du, um so objektiv wie möglich zu bleiben, hatte ich ihr geschrieben, daß man sich, wenn überhaupt, dann nur unter dem Schutz von Leuten mit der nötigen spirituellen Erkenntnis UND der Macht zum Beistand und zur Kontrolle damit befassen dürfe. Das hat sie dann auf den Kopf gestellt und gesagt: "Mutter hat ihren Segen dazu gegeben unter der Bedingung, daß wissende Leute dabei sind." Und bei den Leuten, die eine Ahnung haben, handelt es sich ihrer Meinung natürlich um...

Im Grunde geschieht alles im Leben und in der Aktion, damit die Bewegung der Transformation und des Aufstiegs so schnell wie möglich vonstatten gehen kann. Es mag Zeiten geben – es gibt da einen Rhythmus –, in denen eher Harmonie herrscht, es handelt sich dabei aber um eine stagnierende Harmonie, und in solchen Zeiten versucht man, all jene Bewegungen, die gefährlich sind und das Risiko mit sich bringen, den Fortschritt aufzuhalten oder selbst zur Zerstörung zu führen, zu unterdrücken oder wenigstens zu bündeln; aber es gibt andere Augenblicke, in denen ein großer Drang nach Transformation besteht, und, mein Gott... mit dem Risiko eines möglichen Schadens. Und bestimmt sieht man seit 1956 etwas, das unbeirrbar drängt, um die Bewegung voranzutreiben, und... das erzeugt Überspanntheiten, die sehr gefährlich sind.

Mit dieser Erkenntnis und dieser Gewißheit – dieser Vision der Dinge – begnüge ich mich meistens damit, Zeuge zu sein, ohne einzugreifen. Dies würde erst dann geschehen, wenn die Dinge einen wirklich bösartigen Charakter annehmen – dann ist man gezwungen einzugreifen.

Wir werden sehen.

 

1 Die Zeichnung ist unbeschreiblich, sie erinnert an Gedärme im Querschnitt.

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2 Siehe Agenda Bd. 8 vom 28. Januar 1967.

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