Mutters
Agenda
zehnten Band
15. Januar 1969
(Nach dem Besuch eines "Acharya" oder Meisters der Jain-Sekte, der Mutter mit einer Gruppe seiner Schüler besuchte)
Er versuchte mit allen Mitteln, mich zum Sprechen zu bringen. – Ich weigerte mich. Aber diese Leute, die sich den Mund verdecken, hatte ich noch nie gesehen 1 – es hindert sie jedenfalls nicht am Reden.
Angeblich sagte er gestern (er kam gestern an), er habe seine Sadhana noch nicht begonnen, er unternehme jetzt eine Reise durch Indien und werde seine Sadhana danach aufnehmen... Er bat mich um eine Botschaft; ich sagte nichts, aber innerlich sagte ich ihm: "Sei aufrichtig, sei aufrichtig!..." Ich sprach jedoch nicht. Er versuchte es sogar mit Schmeicheleien, aber vergeblich. Er sagte: "Oh, ich habe viel von Ihnen gehört, aber Sie selber zu sehen, ist etwas ganz anderes ..." (und er schaute genau, um zu sehen, ob es eine Wirkung hatte). Ich hatte Mühe, mir das Lachen zu verkneifen.
Unter seinen Schülern waren Männer und Frauen. Die Frauen, die sie "Nonnen" nennen, hatten ihren Mund auch verdeckt.
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(Dann kommt die Rede auf einen amerikanischen Schüler, der in seinem Haus das ganze griechische Pantheon aufgebaut hat und ziemlich aus dem Gleichgewicht geraten ist.)
Seltsamerweise ist er recht aufnahmefähig; jedesmal, wenn ich etwas tue, führt es zu einem Ergebnis... Aber er schreibt das Ergebnis seinen Göttern zu, und das ergibt eine große Verwirrung in seinem Bewußtsein.
(Schweigen)
Dieses Bewußtsein [des Übermenschen] ist geblieben. Es bleibt sehr stark, ach... Auch heute mit diesen Sadhus [den Jains] hatte ich wieder eine Erfahrung: Es kam massiv, mit ungeheurer Macht, und umhüllte mich gänzlich, so konnte ich ganz ruhig im Hintergrund bleiben, nichts konnte hindurchkommen. Interessant... ja, es ist eine wirkliche Macht. Bis zum Vital. Physisch kann der Körper nicht darauf reagieren; es hatte zwar eine Wirkung, aber... es ist nicht das. Es ist nicht das. Doch es gab dem Körper ein ungeheures Vitalwesen (du weißt, daß das Vital fort war). Das ist recht amüsant. Man hat den Eindruck, den Leuten ständig sagen zu müssen: "Bleibt ruhig!"
Ich werde es mit A [dem amerikanischen Schüler] versuchen und sehen, ob es ihn ins Gleichgewicht bringt... Er wird glauben, es sei seine Statue der Athene. Das macht nichts. Selbst wohlgesonnene Leute denken noch Dummheiten, folglich...
Diesen Sadhu versuchte "Das" nach innen zu ziehen, und als der Druck zu stark wurde, begann er zu sprechen. Er konnte es nicht... [aushalten oder in sich halten]. Der neben ihm stehende Schüler wurde ganz aufgeregt, aber er wurde von ihm in Schach gehalten.
Er begann mit einer Banalität über "die Arbeit, die ich für die Menschheit leiste" (irgendeine Dummheit dieser Art), und als er sah, daß das nicht zog, schwieg er, solange er konnte, dann begann er wieder zu sprechen und sagte, was ich dir erzählte: Er habe viel von mir gehört, aber... Ich stellte dieses ganze Bewußtsein zwischen meinen Körper und ihn.
Im Grunde belustigt mich das alles. (Mutter lacht)
Er trug einen Stock, den er auch in Weiß gehüllt hatte. Er war ganz weiß, auch der Stock war weiß, er trug ihn wie ein Bischofskreuz.
Sie sind sehr verschlossen.
Ach, sie haben sich absichtlich von der Welt abgeschnitten, und sie wollen dies auch kundtun: die Abtrennung ist Teil ihrer Auffassung.
Sie sind in ihrer Heiligkeit eingesperrt.
Ich bin mir sicher, daß viele von ihnen verdrängte Begierden und vielerlei solche Dinge haben, die in ihnen gären... Aber mein Körper blieb ganz still, umgeben von diesem Bewußtsein [des Übermenschen], und das Bewußtsein sagte dem Sadhu ständig: "Das Individuum ist nichts, entledige dich des Individuums – sei aufrichtig, entledige dich des Individuums! Allein das höchste Bewußtsein IST ..." Es hat ihn nicht berührt. Ich weiß nicht, ob irgend etwas in ihm empfänglich war, aber er merkte es nicht... Wir werden sehen.
1 Die Jain-Mönche binden sich ein Tuch vor den Mund, um keine Insekten zu verschlucken, weil sie nicht einmal den geringsten Lebewesen Leid zufügen möchten.