Mutters
Agenda
zehnten Band
10. September 1969
Ich habe nichts zu sagen.
Mein Körper macht außergewöhnliche Erfahrungen, aber sie lassen sich nicht in Worte fassen... Es ist, als zeigte man ihm unter allen möglichen Umständen – unzähligen Umständen –, wie man zum Tode geht, und wie man zum Leben geht: Alles, alles, verstehst du, alle Teile des Körpers, alle Organe, alle Handlungen, eine nach der andern – unmöglich, das auszudrücken. Man kann nicht darüber sprechen.
Interessant.
Dieser Körper hat eine seltsame Beschaffenheit, denn jedesmal, wenn er äußerlich mit einer Gemeinheit konfrontiert wird, d.h. einem Willen zu schaden, zu zerstören, Böses anzurichten, kann er dies gar nicht begreifen, und er wird von einer Art kindlichem Kummer erfaßt: "Wie ist das nur möglich?..." Ich sehe zwar, daß dies einer bestimmten Arbeit dient, aber...
(Schweigen)
Auch findet in jedem einzelnen Augenblick eine detaillierte Belehrung statt über die verschiedenen Arten, körperliche Empfindungen zu empfangen, so wie beim Yogauntericht (die Haltung gegenüber all den Gedanken, den Reaktionen und Gefühlen; man lernte, die wahre Haltung einzunehmen – all dies gehört der Vergangenheit an); und jetzt erhält der Körper dieselbe detaillierte Unterweisung: die richtige Haltung gegenüber allen Gefühlen, Empfindungen und Ereignissen, gegenüber allem, was passiert, gegenüber allen Kontakten. Eine peinlichst genaue Arbeit bis ins Detail. Und begleitet von einer allgemeinen Haltung; wobei er diese allgemeine Haltung schon eingenommen hat, das ist etwas Abgeschlossenes – jetzt geht es um die Umsetzung in die Praxis, d.h. die detaillierte Arbeit einer jeden Minute... Das ist nicht interessant zu erzählen. Es interessiert nur ihn; und auch dann begeistert es ihn nicht – eine minutiöse Arbeit. Die Reaktionen in bezug auf die Haltung bei den Handlungen – nicht das, was die Leute sagen: nur ihre Gesten, ihre Haltungen, all das. Wie man auf beständige Weise die wahre körperliche Haltung einnehmen kann.
Das ist eine langwierige, detaillierte Arbeit ohne... nichts Aufregendes.
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(Darauf schlägt Satprem vor, das Gespräch vom 16. August zu veröffentlichen, wo Mutter sagt, die "einzige Lösung" sei die, immer in einem Zustand der inneren Reglosigkeit zu sein, wo man nicht danach strebt, vorauszuschauen, vorauszuwissen usw., und die Kraft durch das Instrument strömen zu lassen; dann werde automatisch das Nötige getan oder empfangen.)
Dennoch glaube ich nicht, daß man diesen Zustand allen Leuten empfehlen kann.
Ja, das leuchtet mir ein. Aber es kann trotzdem auf den Zustand hinweisen, den wir anstreben sollten.
Ja, aber... Das ist zwar sehr gut für jemanden wie mich, der ruhig lebt, denn ich bewege mich nicht, aber jemand, der tätig ist?... Das ist nicht mehr ganz dasselbe. Besonders wenn es darum geht, "nicht vorauszuschauen"; im Leben tut man eine Sache, um eine andere zu bewirken, dann noch eine und noch eine... auf die Weise (Geste einer endlosen Verkettung). Ich selbst rühre mich nicht vom Fleck, deshalb brauche ich dies nicht zu tun... Daher praktiziere ich das ständig und immer präziser (zum Beispiel bei all diesen Regierungsfragen), und das ist sehr gut, denn ich tue das nicht FÜR etwas: man braucht nur dies zu tun (Mutter senkt ihre beiden Arme, wie um die Kraft herabzuziehen), und das Resultat wird sich zeigen. Aber kann sich z.B. jemand, der die Verantwortung für eine Gruppe oder für eine Verwaltung trägt, so verhalten?
Ich möchte nicht, daß... (Schweigen) Ich weiß nicht.
(langes Schweigen)
Offensichtlich kommt es ganz darauf an, was man empfängt – alles ist möglich, und ich möchte nicht, daß man glaubt, man empfange nur EINE Art von Dingen. Ich weiß nicht, ob durch meine Worte klar wird, daß man alles Erdenkliche empfangen kann.
Ja, du sagst, man dürfe vor allem keine Begierden, keine Ängste, keine Vorlieben usw. haben.
Das ist klar.
Aber natürlich sagst du nicht, daß alle möglichen Dinge kommen können.
Wenn der wahre Zustand immerwährend ist, genügt das, aber... Worte sind unmöglich.
(Schweigen)
Was soll's! (Mutter lacht) Wir werden den Text herausgeben.