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zehnten Band

13. September 1969

P.L. hat etwas gesehen. Er meint, mich gesehen zu haben, aber ich glaube, daß er in Wirklichkeit seine eigene mentale Projektion sah. Jedenfalls drückt es recht gut das Problem aus, mit dem er konfrontiert ist... Im Grunde beunruhigt ihn die Frage, ob er eine nützlichere Arbeit vollbringt, wenn er innerhalb der Kirche bleibt, oder ob es wirksamer wäre, wenn er austreten würde. Dieses Problem beschäftigt ihn, denn im nächsten Monat zum Beispiel sollen sich alle Bischöfe zu einer Synode in Rom versammeln, und bei dieser Gelegenheit will sich eine gewisse Anzahl widerspenstiger oder aufsässiger oder rebellischer Priester zusammentun und eine Art Anti-Synode bilden, um die Kirche öffentlich auf einen revolutionäreren Weg zu drängen. Der Gedanke kam ihm...

Sich mit ihnen zu verbünden... Nein.

Ich habe ihm schon geantwortet, daß du ihm geraten hattest, sich ruhig zu verhalten.

Ja, das drückt das Niveau allzusehr herab.

Er hatte eine Vision darüber, und er bildet sich ein, er habe mich darin gesehen. Ich glaube das gar nicht... Es spielte sich am Meer ab: eine ziemlich einsame Landschaft voller Felsen. Dort gab es eine riesige Höhle, die sich zum Ufer hin öffnete. Aus dieser riesigen Höhle traten Mönche heraus – eine düstere Menschenmenge in Kutten, in schwarzen Gewändern –, sie kamen dort heraus in diese einsame, sehr windige Landschaft; alles war düster und finster. Er sah dies und wollte fliehen. In dem Augenblick sah er jemanden in dieser Menschenmenge, der ich gewesen sein soll, gekleidet wie ein Priester, und ich war das einzige strahlende Gesicht darunter und sagte ihm: "Siehst du, man muß dableiben, um das Licht hineinzubringen." Ich sagte ihm: "An deiner Stelle würde ich drinbleiben, bis du Bischof wirst."

Das kannst nicht du gewesen sein.

Selbstverständlich nicht! Aber da ich in gewisser Weise eine "idealisierte" Darstellung seiner Suche bin, projizierte er mich dorthinein. Jedenfalls sagte ich ihm angeblich: "Siehst du, man muß dort bleiben, um das Licht in diese religiöse Menschenmenge zu bringen."

Ich glaube nicht, daß der Augenblick gekommen ist.

Ich habe das eingehend betrachtet...

Ich hätte gern eine praktische Auskunft, ich weiß nicht, ob du sie mir geben kannst... In beiden Fällen kommt es nur auf eines an – egal ob er drinbleibt oder die Kirche verläßt –, in beiden Fällen kann er nützliche Arbeit leisten; nicht auf die gleiche Weise, aber er kann nützliche Arbeit leisten. Mir geht es deshalb nur darum, daß er jene Lösung wählt, bei der er sich am sichersten fühlt – weißt du, ich habe gar kein Vertrauen in diese Leute, ich weiß, daß sie zu ALLEM fähig sind. In beiden Fällen können sie so viel Übel anrichten, wie sie nur wollen – vielleicht weiß er, in welchem Fall er mehr in Sicherheit wäre: wenn er bleibt oder wenn er austritt? Ich weiß es nicht... Zu bleiben kann einen Schutz bedeuten, kann sie davon abhalten, gewisse Dinge zu tun; auszutreten macht ihn für sie weniger "verabscheuenswert", das heißt, vielleicht stoßen sie ihn aus und kümmern sich dann nicht mehr um ihn.

Aber er selbst sagt: "Wenn ich ausgestoßen werde und den Vatikan verlasse, habe ich keine Macht mehr und kann nichts mehr ausrichten." Genau darum ging es in seiner Vision: nur wenn er bleibt, kann er Licht hineinbringen. Sein Problem ist das: "Wenn ich austrete, kann ich nichts mehr tun." Er sagte mir: Alle Priester, die ausgetreten sind, um die Kirche vorwärtszubringen, wurden einfach aus der Kirche ausgestoßen und haben keinen Einfluß mehr.

Natürlich werden sie aus der Kirche ausgestoßen! Aber die Kirche heißt nicht die gesamte Welt.

Ich fürchte, er ist noch sehr christlich, ohne es zu wissen; er hat den Eindruck, das Christentum sei die wichtigste Sache.

Ja, aber er kann nichts mehr für das Christentum tun, das ist es.

Natürlich nicht.

Trotzdem hegt er tief in sich selbst immer noch das Verlangen, etwas für die Kirche zu tun – Licht hineinzubringen.

Dann muß er bleiben. Das ist offensichtlich: Wenn er noch die Idee hat, "etwas für das Christentum zu tun", muß er bleiben – komme, was wolle!

Aber er faßt dies als eine Art Arbeit auf, die ihm von dir aufgetragen wurde.

Meine Reaktion darauf ist, daß ich ihn in beiden Fällen gebrauchen kann. In beiden Fällen habe ich Arbeit für ihn.

Das werde ich ihm sagen. Denn dies war symbolisch: Er wollte von diesem Ort flüchten, aber genau in dem Augenblick sah er plötzlich mein Gesicht in der Menge.

Ja. Offensichtlich steckt in ihm der Wille zu bleiben (vielleicht noch nicht sehr bewußt) – ich glaube schon.

Ja, das fühle ich auch.

Werden diese Priester, die sich in Rom versammeln wollen, denn exkommuniziert?

Oh, sie sind schon mehr oder weniger exkommuniziert worden, ihre Kirchen wurden geschlossen...

Oh!

Aber sie repräsentieren eine kleine Minderheit – meistens intelligente Leute –, und die Weltpresse ist da, um die Geschichte auszubeuten.

Sie profitieren davon.

Ja, ich fürchte, es ist nur eine "intelligente" Bewegung. Wie das, was zu Beginn des Protestantismus geschah. Eine "intelligente" Sache: eine Mentalisierung der Opposition.

Ich glaube auch, daß dahinter keine Mystik steht – im Grunde sind sie Neo-Protestanten.

Ich weiß es nicht, ich kenne sie nicht.

Du hast sicher recht.

Dieser Papst wird sich nicht lange halten können, wenn er Krebs hat... Ich kenne jemanden, der Krebs heilt... Es wäre ja amüsant, den Papst zu heilen. Das würde sie alle... ach, stell dir bloß vor, wie die sich ärgern würden! (Lachen)

Wenn dieser Papst bei guter Gesundheit wäre, könnte er eine sehr gute Stütze für die Arbeit sein – aber sie würden niemals zulassen, daß man ihn behandelt und heilt. Diese Leute sind Schurken. 1

(Schweigen)

Ist P.L. denn selber kein Geistlicher?

Doch, doch! Er ist Priester.

Er ist Priester... Ach, das wußte ich nicht. Aber trägt er keinen Talar?

Wenn er dort ist, bestimmt.

Er ist also Priester...

Tragen die Priester denn nicht überall dasselbe Gewand?

Jetzt haben sie das modernisiert, d.h. sie tragen Hosen und einen Stehkragen wie die Protestanten – dies sind ihre großen "Reformen".

(nach einem langen Schweigen)

Dann muß er bleiben.

(Schweigen)

Ernennen nur die Kardinäle den Papst?

Ja.

Und unter sich.

Ja.

Notwendigerweise?

Ja, immer. 2

Und der Freund von P.L., dieser Kardinal, von welchem Land ist er Kardinal?

Er ist kein Kardinal, ich weiß nicht, was er ist – man nennt ihn "Monsignore", aber er ist ein Mann mit einem ungeheuren Vermögen von zig Millionen. Er hat die Gabe, das Geld anzuziehen. Er verwendete all diese Gelder, um kirchliche und soziale Wohltätigkeitswerke zu gründen.

Ach, er ist nicht Kardinal.

Nein, aber er ist ein Freund des Kardinals von Frankreich, glaube ich.

Ist er fortschrittlich oder rückständig?

Er ist ein guter Mann, aber schon alt.

Leben die Kardinäle immer in Rom?

Sie leben in ihren jeweiligen Ländern. In jedem Land gibt es einen Kardinal.

Ich glaubte, sie lebten alle in Rom.

Nein, keineswegs, sie kommen häufig nach Rom. Nach dem Tod des Papstes versammeln sich z.B. alle Kardinäle in einer Konklave. Und von Zeit zu Zeit halten sie eine Versammlung ab, aber sie leben nicht ständig dort, außer einer gewissen Anzahl, die den Papst umgibt.

Leute des jeweiligen Landes.

Ich glaube, gewöhnlich ja.

Und die Ehrgeizigen.

Im Prinzip gibt es einen Kardinal pro Land.

Gibt es wohl einen Kardinal in China?... (Lachen)

 

1 Dasselbe ließe sich von denen sagen, die sich später die "Eigentümer" von Sri Aurobindo, Mutter und Auroville nannten. Es ist die ewiggleiche Geschichte, ob in Pondicherry oder in Rom – aber vielleicht wird die Geschichte diesmal eine andere Wende nehmen?

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2 Später erfuhren wir, daß dies nicht stimmt: Celestin V. wurde im 13. Jahrhundert unter den Bettelmönchen gewählt, aber fünf Monate später dankte er ab, wahrscheinlich aus reinem Ekel. Er wurde von seinem Nachfolger ins Gefängnis gesteckt (und später heilig gesprochen!). Tatsächlich diktiert keine Regel, daß der Papst unter den Kardinälen gewählt wird, aber praktisch verläuft es immer so.

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