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Mutters

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zehnten Band

20. Dezember 1969

(Mutter gibt Satprem eine Champak-Blume)

Weißt du, was das ist?... Es ist die "Göttliche psychologische Vollkommenheit". Jemand fragte mich: "Was bedeutet "Göttliche psychologische Vollkommenheit"?" – Ein Lächeln in allen Umständen...

Gut... Gestern bin ich zum Flughafen nach Madras gefahren, um meine Mutter abzuholen. Das gibt mir wirklich jedesmal den Eindruck, eine andere Welt zu betreten, ich weiß nicht... Eine andere Welt. Niemals in meinem Leben hatte ich so stark den Eindruck, eine Welt zu betreten, die nicht menschlich ist, die ich weiß nicht was ist – wie eine Traumwelt, eine existenzlose, falsche, leere Welt.

Mechanisch.

Ja, kleine angezogene Hampelmänner, die sich bewegen. Es ist... nichtexistent.

Ja, das ist es, kein inneres Bewußtsein.

Es ist geradezu schmerzlich.

Ja.

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*   *

(Etwas später sieht Mutter alte Post durch)

Das ist von Y. Sie möchte mich sehen, glaube ich...

Ja: "Ich würde Dich gern sehen und bestimmte Dinge aus Deiner Sicht betrachten."

(Mutter lacht sehr)... Sie will mich immer davon überzeugen, daß das, was sie tut, vollkommen ist, somit...

Das legen wir zur Seite.

(Mutter deutet auf die Stelle, wo sich die einzuordnenden Briefe stapeln.)

Ich schlug vor, in "Auromodèle" eine Schule einzurichten.

Wer wird sich um die Schule kümmern?

Da ist eine Französin, die Lehrerin war – man sagte mir, sie sei nett (ich habe sie nicht gesehen) –, und eine Inderin (die ich gesehen habe), die in Auroville unterrichten möchte; sie ist gut, ihre mentale Haltung ist jedenfalls gut. Die beiden werden anfangen (lachend): es gibt fünf Kinder.

Es sind interessante Leute nach Auroville gekommen, Leute, die wirklich etwas suchen... Ich lasse sie dort mal schmoren, um zu sehen, was dabei herauskommt.

(Schweigen)

Kennst du den ehemaligen Prinzen von Kaschmir, K.S.? Er hat eine Art "Komitee für die Jahrhundertfeier Sri Aurobindos" gegründet. Er ist sehr aktiv, und sie wollen ein "Institut" oder ich weiß nicht was gründen, "um die Werke Sri Aurobindos zu studieren" und sie "in die Praxis umzusetzen" – von einem Regierungs- und internationalen Standpunkt aus. Erst wollte er das in Delhi einrichten – ich hatte gesagt: "In Ordnung." Dann kam eine große Bewegung, daß dies hier, in Auroville, geschehen sollte... Zwei Dinge wollen sie in Auroville einrichten: dieses Institut, und 1972 wollen sie einen indischen Nachrichtensatelliten starten. Sie haben so gut wie beschlossen, daß sie den Satelliten, den sie "Sri Aurobindo" nennen wollen, von Auroville aus starten werden... Ich hatte dir auch schon von dem Schiff erzählt, das ebenfalls 1972 von Amerika aus in See stechen wird: "Sri Aurobindos Schiff". Sie bemühen sich...

Aber ich will mich nicht allzusehr darauf einlassen, denn... sobald es die Manifestation berührt, wird es so, wie du es dort unten (in Madras) gefühlt hast, und dann wird es dermaßen lächerlich, daß es, sobald es in mein Bewußtsein kommt, anfängt zu zittern, deshalb halte ich mich lieber zurück.

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*   *

Ich hätte gerne, daß du die Verantwortung für das Bulletin übernimmst.

(es folgen verschiedene Details)

Bezüglich dieser Aphorismen fragt mich T immer: "Was will Sri Aurobindo damit sagen?" oder "Worauf will Sri Aurobindo hinaus?" Dann verhalte ich mich so (passive Geste), und er antwortet mir. Das ist wirklich amüsant: Er antwortet GENAU mit der Art von Dingen, die T verstehen kann. 1 Wirklich wunderbar! Die ganze Zeit, als ich bei ihm lebte, beobachtete ich stets mit Erstaunen diese außerordentliche Geschmeidigkeit, mit der er das Mental des Betroffenen benutzte, um ihm zu antworten. Das war wirklich wunderbar. Der Standpunkt, die Haltung, die Worte, die Satzwendungen, alles war so, daß der andere es verstehen konnte.

Deshalb hört es sich äußerlich so an, als bestünden Widersprüche, aber es sieht nur so aus.

(Schweigen)

Dieses kurze Auftreten des wahren Bewußtseins, des supramentalen Bewußtseins hat im Körper (im physischen Wesen) eine gewisse Haltung oder Schau hinterlassen – er sieht die Dinge überhaupt nicht mehr auf die gleiche Weise, und seine Reaktionen sind ganz anders. Es hat einen Unterschied bewirkt... Während dieser wenigen Stunden gab es nichts anderes mehr als dieses Bewußtsein, das war wunderbar; jetzt bleibt nur noch... das, was daraus entstanden ist. Aber die innere Haltung hat sich verändert, selbst im physischen Bewußtsein; die Schau der Dinge und die POSITION gegenüber der Welt und der Schöpfung hat sich gewandelt. Sie ist nicht mehr die gleiche. Und dann eine Art hellsichtige Sensibilität für alles, was kommt, um... getan oder gesagt oder entschieden zu werden (das hängt von den Leuten oder den Umständen ab)...

Wie soll ich sagen?... Ich weigerte mich, eine Prophetin zu sein. Dieses Bewußtsein dort (Geste nach oben) hat den Eindruck, daß man die Dinge sozusagen zusammenziehen muß, um ein Prophet zu sein. Das bedeutet, ihnen eine Art Starre oder Härte zu verleihen (wie soll ich das erklären?), ja, eine Starre, die sie an sich nicht haben. Die Dinge werden wahrgenommen (sie werden die ganze Zeit gesehen, andauernd), aber zwischen ihrer Wahrnehmung und der Ausführung braucht es Zeit – das, was sich für uns als "Zeit" ausdrückt (Mutter zeichnet eine absteigende Kurve) – und wenn wir uns im wahren Bewußtsein und in der wahren Schau befinden, kann das, was dort so war (vage, fließende Geste oben), noch geändert werden. Die ganze Schöpfung befindet sich in einer so ungeheuer schnellen Bewegung, daß sie für das physische Bewußtsein nicht wahrnehmbar ist, aber zwischen dem Zeitpunkt, wo die Dinge gesehen werden (Geste oben), und dem Zeitpunkt, wo sie sich materiell ausdrücken, findet eine Veränderung statt. Und wenn man sehr achtsam ist – sehr achtsam und (wie soll ich sagen?) objektiv –, bleibt einem eine gewisse Zeit für eine mögliche Umwandlung. Nur die Gewohnheit, alles zu fixieren, verhindert eine schnelle Transformation der Welt. Und das Prophezeien ist eine Art des Fixierens, und... das Bewußtsein weigert sich, dies zu tun, es möchte den Dingen ihre ganze Geschmeidigkeit lassen, damit sie sich in jedem Augenblick verändern können.

Unglücklicherweise wird hier auf der Erde alles so (Mutter ballt ihre Fäuste), zusammengeballt – eben das ist die Lüge der Schöpfung. Das darf man nicht unterstützen.

Ansonsten, wenn Probleme zu lösen sind, sehe ich sie kommen: sie bleiben und insistieren, bis die Lösung gefunden ist; das ist wirklich interessant. Für alles, alles. Um es auf eine sehr vereinfachte Art auszudrücken: All jene Leute, die an mich denken oder auf mich zählen (du verstehst, was ich mit "mich" meine: nicht dies – Mutter deutet auf ihren Körper) und die eine Lösung ihrer Probleme erwarten, all diese Dinge erreichen mich ständig, Tag und Nacht, zusammen mit der Lösung. Aber dies geschieht nicht auf eine mentale Weise, und folglich ist es nicht starr; es ist etwas Geschmeidiges und verändert sich dauernd. Wenn man jedoch prophezeit, fixiert man einen bestimmten Moment, und das verdirbt alles. Wenn man es sich hingegen entwickeln läßt... Aber die Leute wollen ständig Prophezeiungen hören – daß man ihnen sagt: "So wird es sein." Ich weigere mich hartnäckig, das zu tun. Wir müssen die wahre Haltung bewahren und den Dingen ihr aufsteigendes Fließen lassen.

Es gibt nichts "Kleines" oder "Großes", "Wichtiges" oder "weniger Wichtiges" mehr, all das ist...

Winzig kleine Dinge, welche das Mental als völlig unwichtig betrachtet, haben manchmal ein intensiveres Licht als die "großen" Probleme, die das Mental für wichtig hält, wie Konflikte bei der Regierung oder die Beziehungen zu anderen Ländern; dies ist manchmal viel belangloser als ganz kleine Dinge, die nach nichts aussehen. All das ist verbunden mit der totalen Bewegung der Schöpfung zu einer... zur wahren Bewußtwerdung hin.

Dies ist zu einer ständigen Seinsweise geworden.

(Schweigen)

Das ist sehr interessant: Die erste Auswirkung jedes neuen Fortschritts ist immer eine totalere und vollständigere Wahrnehmung der Unfähigkeit, in der man sich im gewöhnlichen Leben befindet. Dies ist das erste Ergebnis, denn man beginnt zu fühlen, zu sehen, zu ahnen oder zu erkennen, wie es sein sollte, und dadurch... (Geste einer plötzlichen Diskrepanz). Es ist wahrlich eine Wirkung der Gnade, daß dies nur allmählich und scheinbar langsam geschieht, denn jede schnelle Bewegung würde eine derartige... Hoffnungslosigkeit aufgrund des Gegensatzes zwischen beiden hervorrufen, daß wir es gar nicht ertragen könnten. Der Körper wird seiner Schwäche und Unfähigkeit immer mehr bewußt; je klarer das Bewußtsein wird, um so bewußter wird der Körper – und dann heißt es aufpassen, weil... es nicht kippen darf.

(Mutter wendet sich plötzlich an Sujata)

Hast du die Schachtel mit den kandierten Maronen bekommen? Nein?... (die Schachtel wird gebracht) Wie hübsch! – Wenigstens ist die Schachtel hübsch.

Ißt du denn gar keine?

Nicht für mich.

Ach! Hör mal, du bist nicht vernünftig.

Essen ist lästig.

Nein, all diese Schwierigkeiten wurden mir gerade gegeben, um... Jedenfalls nicht, um mich zum Essen zu ermutigen.

Dies ist ein Experiment, um herauszufinden, wie man von der alten Methode zur neuen Methode übergehen kann, und daher... Der Körper weiß nichts. Er weiß gar nichts, er ist völlig unwissend – keinerlei Erfahrung, nichts, er hat lediglich einen guten Willen (Mutter öffnet ihre Hände). Er weiß nicht einmal... Er hat (lachend) eine gewisse Anzahl von Empfindungen des Geschehens, die nicht immer sehr angenehm sind, aber das ist alles, er weiß nichts. Er kennt die Auswirkungen nicht: wie, warum, all das... Natürlich gibt es gewisse Dinge, die nötig sind: er muß essen; aber wieviel und wie...? Der Übergang: wie den Übergang vollziehen? Die Geschwindigkeit des Übergangs, die Art des Übergangs?... Er weiß nichts. Dieser arme Körper kann nichts sagen, weil er nichts weiß; man hat ihm auf völlig unmißverständliche Weise gezeigt, daß alles, was er in neunzig Jahren gelernt zu haben glaubte, völlig wertlos ist (Mutter lacht), daß alles neu zu lernen ist. Er hat also einen guten Willen, ist jedoch absolut unwissend... Er bemüht sich, auf jeden noch so geringen Hinweis zu achten – aber die Hinweise sind... nicht sehr klar.

Es ist so geworden: wenn er etwas in den Mund nimmt, wartet er auf ein "Ja" oder ein "Nein"; und jetzt entdeckt er, daß dies absolut von seiner eigenen Haltung abhängt und daß es im allgemeinen recht gut geht, wenn er dem, was er tut, keine Bedeutung beimißt (d.h. wenn er sich mit etwas anderem beschäftigt), aber dann lernt er nichts. Also weiß er nicht, was tun.

Das geht so weit, daß alle gängigen und selbstverständlichen Dinge... (von Kind auf weiß man aus Gewohnheit, daß die Dinge "so" getan werden) all das ist absolut unwirklich und phantastisch geworden. Alles, worüber man nie diskutiert und was sich von selbst versteht: unwirklich und phantastisch. Mitunter fragt er sich sogar, wie eine bestimmte Geste getan wird... Weißt du, alle Abläufe und absolut alles ist fraglich geworden.

Man muß also aufpassen, daß es nicht zu weit geht. (Mutter lacht und deutet ein Kippen an)

(Schweigen)

Deine Mutter denkt an dich!

 

1 Deshalb ist der ganze letzte Teil von Mutters "Kommentaren" sehr knapp ausgefallen.

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