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Mutters

Agenda

elften Band

13. Mai 1970

R fragte mich, was wir unter Religion verstehen...

(Mutter zeigt Satprem einen Brief)

Liebe Mutter, der Begriff Religion ist meistens mit der Suche nach Gott verknüpft. Ist er nur unter diesem Aspekt zu verstehen? Gibt es heute nicht auch andere Formen von Religionen?

Ich hatte etwas geschrieben, BEVOR ich diese Frage erhielt. Es kam auf englisch:

(Mutter reicht Satprem eine Notiz)

Wir bezeichnen als "Religion" jede Anschauung der Welt oder des Universums, die sich als eine alleingültige Wahrheit präsentiert, an die man unbedingt zu glauben hat – meistens, weil man von dieser Wahrheit annimmt, daß sie einer Offenbarung entstammt.

Die meisten Religionen beteuern die Existenz eines Gottes und bestimmen die Regeln, die befolgt werden müssen, um Ihm zu gehorchen, aber es gibt auch Religionen ohne Gott – z.B. die sozialpolitischen Organisationen, die im Namen eines Ideals oder des Staates das gleiche Recht auf Gehorsam beanspruchen.

Der Mensch hat das Recht, seine Suche nach Wahrheit frei zu verfolgen und sich ihr frei und auf seinen eigenen Wegen zu nähern. Aber jeder muß wissen, daß seine Entdeckung nur für ihn gut ist und niemand anderem aufgezwungen werden darf.

Und dann dies:

In Auroville gehört niemandem etwas persönlich. Alles ist gemeinsamer Besitz.

Das Sprechen fällt mir schwer...

*
*   *

Hast du eine Frage?

Ja, mehrere Dinge... Eigentlich zwei. Auf der mentalen oder vitalen Ebene bestehen Verbindungsmöglichkeiten: man hat einen entsprechenden mentalen bzw. vitalen Körper, und diesen Körper kann man entwickeln. Wie aber kann man das Subtilphysische entwickeln, wie kann man bewußt mit ihm in Verbindung kommen?

(nach einem langen Schweigen)

Ich selber habe es nicht absichtlich getan, deshalb weiß ich es nicht.

Eigentlich bin ich Sri Aurobindo GEFOLGT, denn bevor er seinen Körper verlassen hatte, erinnere ich mich nicht, viel mit dem Subtilphysischen zu tun gehabt zu haben – vielleicht bestand eine Verbindung, aber sie war mir nicht sonderlich aufgefallen. Erst seitdem er dort ist und ich ihm dort täglich begegne...

Hat man denn einen Körper, der dieser Welt entspricht?... Haben wir Menschen einen jener Welt entsprechenden Körper?

Einige besitzen im Subtilphysischen einen Körper – ja, gewiß!

Aber nicht alle?

Bei manchen ist das... irgendwie unbestimmt und verschwommen, aber es gibt welche, die einen haben – ich glaube, daß man sogar im Laufe eines einzigen Lebens sein Subtilphysisches entwickeln kann.

Ja, genau das würde ich gern wissen: Wie erreicht man das?

Wie man das macht? Das weiß ich nicht, weil es bei mir ganz spontan kam.

Aber es ist sehr ähnlich [der materiellen Welt]... Nur gelten dort scheinbar nicht die gleichen Gesetze der... Wie nennt man das, was sie als die Folge der Anziehungskraft der Erde bezeichnen?

Schwerkraft.

Ja, dort scheinen nicht die gleichen Gesetze der Schwerkraft zu gelten, denn man kann sich nach Belieben fortbewegen (Mutter deutet mit dem Finger einen Sprung von einem Punkt zu einem anderen an). Man braucht weder zu laufen noch... (gleiche Geste). Das Bewußtsein und der Wille haben dort eine viel größere Kraft als im materiellen Physischen.

Dort herrscht eine größere Fluidität, aber dennoch findet man gewisse Dinge wieder: man trifft sie beim nächsten Mal mit Veränderungen wieder an. Die Dinge haben also ein Eigenleben unabhängig von unserem Willen.

(langes Schweigen,
ein Pfau läßt sich auf Mutters Terrasse nieder)

Ich bin nicht sehr nützlich. (Mutter lacht) Ich selbst muß dort noch alles lernen.

Offensichtlich hängt es weder vom Mental noch vom Vital ab...

(Mutter schüttelt den Kopf)

Aber hängt es vom Psychischen oder von einer Aspiration des Körpers ab?

Ich habe den Eindruck (eher einen Eindruck als eine Gewißheit), daß es einen subtileren Teil gibt (da, wo sich Sri Aurobindo aufhält: Mutter hebt ein wenig ihre rechte Hand), der von oben abhängt, das heißt vom höheren Bewußtsein und vom Psychischen; und dann gibt es einen Teil, der sich im Körper zu formen versucht (Geste einer Verbindung zwischen den beiden oder einer Herabkunft des einen in das andere), das heißt eine Seinsweise der Zellen, die der Beginn eines neuen Körpers wäre. Aber das ist... wenn das kommt, entsteht ein sonderbares Gefühl. Der Körper selbst hat den Eindruck... zu sterben – etwas, von dem er nicht weiß, was es ist. Und es ist ziemlich schmerzhaft. Nur in einem Zustand intensiven Glaubens kann man das ertragen. Als ob das eine in etwas anderes verwandelt würde... Als ob das, was ist, versuchen wollte, in etwas anderes umgewandelt zu werden. Aber das ist... schmerzhaft. Man muß sich wirklich in einem Zustand sehr intensiven Glaubens befinden, um das durchzustehen. Es äußert sich durch etwas ganz Neues, das einem Unbehagen ähnelt.

Dies ist jetzt ein fast ständiger Zustand meines Körpers. Es gibt nur SEHR SELTENE Augenblicke, in denen plötzlich: "Ah!..." (Geste eines Entzückens) Wenn diese Augenblicke kommen, ist es wunderbar. Aber das ist sehr selten... Manchmal vergeht ein ganzer Tag ohne einen solchen Augenblick. Dieser Zustand machte sich häufiger tagsüber bemerkbar, aber jetzt fängt er auch nachts an. Letzte Nacht verbrachte ich einen großen Teil auf diese Weise [in diesem "Unbehagen"], und ich konnte nur Ruhe finden, weil mein ganzer Körper so war (Geste der Hingabe) und dem Herrn sagte: "Dein Wille, Herr, Dein Wille, Dein Wille ..."

(Schweigen)

Und dann das Seh- und Hörvermögen: in manchen Augenblicken scheint es fast vollkommen zu erlöschen; in anderen Momenten wird es äußerst klar – sehr klar. Ohne erkennbaren Grund. Manchmal sehe ich die Dinge ganz genau, und manchmal erscheint alles wie durch einen Schleier.

Für das Hörvermögen ist es das gleiche: manchmal höre ich sehr genau; manchmal höre ich gar nichts mehr.

Das muß an der Wahrheit dessen liegen, was du siehst oder hörst.

Vielleicht, aber es hängt vor allem davon ab... Ja, vielleicht hast du recht. Aber es hängt auch vom Zustand des Körpers selbst ab.

(langes Schweigen)

Hattest du noch etwas anderes?

Ja, die andere Frage betraf genau diesen Punkt: Wie wird diese "nächste Art" zu sehen und zu hören sein?

Ja...

(nach einem langen Schweigen)

Soviel weiß ich: dies hängt AUSSCHLIESSLICH vom Bewußtsein ab, das heißt, wie weit es erwacht ist.

Meistens beginnt es mit diesem Unbehagen, von dem ich sprach; dann gibt sich der Körper sofort hin – gibt sich hin, als wollte er sagen (er sagt es nicht mit Worten): "Falls dies der Tod ist, dann gut, Dein Wille geschehe!" Eine totale Hingabe. Und manchmal, wenn die Hingabe... wenn sie mehr oder weniger gelungen ist (ich weiß nicht), dann kommt eine Klarheit, ein Verständnis, eine Offensichtlichkeit von allem – ein wirklich außergewöhnlicher Zustand. Aber das ist nicht von Dauer. Die geringste Kleinigkeit stört.

(langes Schweigen)

Ich weiß... Der Körper fühlt, wenn er sich nur VOLLKOMMEN hingeben könnte – nicht mehr unabhängig existieren würde, keine persönliche Anstrengung mehr machen würde, keinen persönlichen Willen mehr hätte – in dem Maße, wie er das fertigbrächte, ginge alles gut. Aber das bedeutet eine Spannung und eine Erschöpfung, die absolut unerträglich werden... Im allgemeinen führt gerade diese Erschöpfung wegen der Angespanntheit des Lebens zum Tod. Auch letzte Nacht kam das wieder... Es wird so stark, daß ich mich... Ich war so (Geste der Hingabe), und der Körper gab sich hin, um... (wie soll ich sagen?) man kann nicht sagen, um zu "verschwinden", aber es ist so (Geste einer Verschmelzung und Hingabe). Ich lag auf dem Bett wie... Ich kann nicht sagen "bereit zu sterben", denn da war keinerlei Wille zu sterben oder nicht zu sterben, doch ohne jeglichen Widerstand. Und was geschah? Ich weiß es nicht, die Stunden verstrichen, und dann wachte ich auf – ich "schlief" nicht, und dennoch war es so etwas wie Schlaf.

Letzte Nacht.

Am Morgen war es nicht schwieriger als sonst – es war auch nicht viel leichter, aber jedenfalls nicht schwieriger als sonst.

Wenn der Körper es schafft, nicht an sich selbst zu denken... (ich weiß nicht, wie ich das erklären soll, denn es ist kein "Denken") nicht seiner selbst bewußt zu sein, dann geht es besser.

(Schweigen)

Ich habe den Eindruck, daß hier unten (Mutter deutet auf ihren Körper) etwas ausgearbeitet wird, und auch dort geschieht eine Arbeit (Geste ein wenig oberhalb mit der rechten Hand und darunter mit der linken, beide Hände parallel zueinander, mit einem Leerraum dazwischen). Und zwischen den beiden... ist es noch nicht. Was wird nun zwischen den beiden geschehen?... Dies (die obere Hand) ist das Subtilphysische, und das (die untere Hand) ist das materielle Physische, und zwischen den beiden herrscht eine Verwirrung... oder etwas, das noch nicht bereit ist, oder...

(langes Schweigen)

Hattest du noch etwas anderes?... Und du (zu Sujata), hast du nichts?

Am Freitag morgen sah ich dich: Du hattest mich gerufen, dann zeigtest du auf die Wand und sagtest mir: "Schau, diese beiden Bilder werden wirklich werden."

Und dann?

Da begann ich die Wände sauber zu wischen, damit es ohne Schwierigkeiten geschehen könne.

Sieh an!...

(Satprem:) She started wiping and cleaning the wall so the picture would come out without difficulty.

Oh!...

(Mutter lächelt)

Und ist etwas zum Vorschein gekommen?

(Sujata:) Es waren zwei Bilder.

(Satprem zu Mutter:) Danach erwähntest du diese beiden Visionen, die du hattest: das Bild des Todes (du tötetest jemanden aus nächster Nähe) und das andere von deinem supramentalen Körper.

War das am gleichen Tag?

Sujatas "Traum" war am Morgen davor.

Ach!

(Mutter tritt in eine Kontemplation ein)

Da war um dich herum einer dieser... wie ein Hindu-Tempel, aber klein... du kennst doch die Hindu-Tempel. Einfach so...

(Schweigen)

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