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Mutters

Agenda

elften Band

25. Juli 1970

Vor Jahren schickte mir B regelmäßig ein Heft mit Fragen, und ich antwortete ihm. Dann vergaß ich es einmal. Gestern schrieb er mir nun, daß er sein Heft gern zurückhaben wollte, und ich fand es wieder. Auf eine Frage im Heft hatte ich nicht geantwortet.

Jetzt antwortete ich: Heute morgen "unterbreitete" ich diese Frage [dem Herrn], und es war, als hätte etwas nur auf diese Gelegenheit gewartet. Ich erhielt eine Antwort... einfach, wie immer, die aber die GESAMTE Funktionsweise erklärt. Als ich das sah, war es eine solche Erleuchtung... alles wurde so einfach! (Ich schrieb es auf, aber es hört sich nach nichts an – es klingt völlig banal.) Es setzt allen Fragen ein Ende. Absolut wunderbar!

Anstatt ihm das Heft sofort zu schicken, behielt ich es, um es dir zu zeigen, denn es sieht nach nichts aus, aber wenn es anderen dieselbe Erfahrung gibt wie mir, ist das wirklich etwas!... Ich lebte mehrere Stunden in einem Frieden, den nichts stören kann... Es ist so einfach, so einfach!

(Satprem liest aus dem Heft:)

Liebe Mutter,

Bestraft das Göttliche Ungerechtigkeiten? Ist es möglich, daß Er niemals jemanden straft?

(Mutter lacht) Er hatte immer eine sehr kindliche Art, Fragen zu stellen. So antwortete ich:

"Nach so vielen Jahren finde ich das vergessene Heft wieder und antworte:

Das Göttliche sieht die Dinge nicht wie die Menschen ..."

(Diese Formulierung wendet sich an B.)

"... und braucht nicht zu strafen oder zu belohnen. Alle Handlungen tragen ihre Früchte und Konsequenzen in sich selbst.

Je nach Art der Handlung bringt sie einen näher zum Göttlichen oder entfernt einen von ihm ..."

So sieht man die ungeheure Bewegung des Universums, um sich dem Göttlichen zu nähern, und daß ALLES Teil von dem ist... Ich würde dir gern meine Erfahrung vermitteln, ganz außerordentlich!... Einfach das.

"... und dies ist die höchste Konsequenz."

Es ist derart geschaffen und angeordnet, daß ALLES in jeder Sekunde so ist (und nun verstehe ich gewisse Bewegungen, die ich im Bewußtsein spürte und die ich mir nicht erklären konnte), automatisch und STÄNDIG, in jeder Sekunde (nur wir trennen die Zeit in Sekunden, aber es ist stetig). So führt der Weg zum Göttlichen, zur bewußten Identifikation mit dem Göttlichen, oder er entfernt sich davon. Der Körper hatte Dinge gespürt, die er nicht verstand, weil das Bewußtsein zwar in einer gewissen Verfassung war, aber manches trotzdem schlecht lief (plötzlich ein kleines Unwohlsein, ohne daß man weiß, warum): und dies ist der Grund. Das erklärt ALLES. So wird die Funktionsweise des Universums VÖLLIG erklärt.

Das beseitigt augenblicklich alle Begriffe von Sünde, Übel...

ALLE menschlichen Gerüste fallen in sich zusammen. Es ist so einfach! Und dieses ganze Gedankengebäude, das die Menschen errichtet haben, um eine Erklärung zu finden, stürzt ein.

Es ist automatisch [die Funktionsweise].

Automatisch und universell. Ich habe festgestellt, daß dies nichts Vages oder Ungenaues ist: es ist absolut genau, als hätte jedes einzelne Element seine eigene Bestimmung... An einem Tag kann man einen großen Schritt rückwärts tun und am nächsten Tag einen großen Schritt vorwärts. Das erklärt die ganze scheinbare Verwirrung in der Welt.

Oh, plötzlich fühlte ich mich so erleichtert! Als sei ein Tonnengewicht der Unwissenheit von mir gewichen.

(Schweigen)

Du siehst, wie die Dinge angeordnet sind: ich tat es nicht absichtlich, aber ich fand das Heft erst wieder, als ich fähig war zu verstehen. Weiß Gott, welche Antwort ich damals geschrieben hätte! Es kam genau in dem Augenblick, wo ich fähig war zu antworten. Wunderbar.

Ja, all dies ist wirklich von einer mikroskopischen Genauigkeit.

Ja, so ist es. Die Genauigkeit, die Exaktheit – dies ist das allgegenwärtige Höchste Bewußtsein. Es fällt einem schwer, sich dies überhaupt vorzustellen. Aber es ist offensichtlich... es springt einem in die Augen.

(Schweigen)

Hast du etwas zu sagen?

Nein, aber ich wollte dir eine Frage zur Orthographie stellen.

Oh, mein Kind, ich mache so viele Fehler, wie man sich nur vorstellen kann! (Mutter lacht)

Es geht um die berühmten "Aurovillianer"...

Ich schreibe es mit einem "l".

Absichtlich?

Absichtlich. (lachend) Das ist nicht französisch, sondern "aurovilianisch"!

(Schweigen)

Seit heute morgen bin ich von einer außerordentlichen Freude erfüllt – alles hat sich aufgehellt!

Amüsant ist, daß man zu wissen glaubte – man glaubte, man wüßte dies: es sieht nicht nach einer Offenbarung aus... aber man wußte es wirklich nicht! Es kam wie eine Umkehrung der Dinge.

(Schweigen)

Wenn man diesen Unterschied im Verständnis erklären könnte, würde das den Unterschied zwischen der mentalen Funktionsweise (selbst im höheren Mental, selbst die höchste intellektuelle Funktionsweise) und der Funktionsweise des göttlichen Bewußtseins erklären... Ich spüre es, aber... (Mutter versucht zu erklären und gibt dann auf)

Die mentale Funktionsweise will stets erklären – es erklärt. Die Dinge sind "Konsequenzen" (selbst bei dem Wort "Konsequenz" im Heft bin ich mir nicht sicher, ob es gut ist), es "erklärt", während das andere spontan ist. Es ist nicht das Ergebnis einer Entscheidung sondern spontan. Man könnte es fast als automatisch bezeichnen. Wir haben immer den Eindruck (unter "wir" verstehe ich die menschlichen Wesen), wenn wir an die göttliche Aktion denken, haben wir immer den Eindruck einer über-menschlichen Aktion, d.h. die erst sieht und DANN entscheidet – so ist es nicht! Es ist... ja, ein Automatismus, ich kann es nicht anders sagen.

Ich muß dazusagen, daß ich vor zwei Tagen eine Erfahrung hatte (wieder mit R, sie war anwesend): eine Erfahrung des ganzen Universums, wie die globale Schau einer Unermeßlichkeit, und dann war es auf einmal, als sei das Bewußtsein zu einem Punkt geworden, der keinen Platz einnahm, und dieser Punkt war das Ewige Bewußtsein. Das war so stark! Wie all das – dieses ganze entfaltete Universum – das Ergebnis dieses Bewußtseins war... (Mutter bezeichnet einen Punkt). Mein Bewußtsein wurde zum Ewigen Bewußtsein (für einige Sekunden vielleicht; ich glaube, es dauerte nicht einmal eine Minute, aber die Zeit hatte darin keine Bedeutung), es war das Ewige, es war Das Bewußtsein. Und diese Erfahrung hatte etwas vorbereitet [in Mutter], denn die beiden waren simultan – das eine löschte das andere nicht aus, beide waren simultan: dieser Punkt, der keinen Raum beanspruchte, aber ewig und alles war, und zugleich die Entfaltung [des Universums]. Das war eine sehr intensive Erfahrung. Danach blieb nur noch eine Verschwommenheit des "Ganzen" zurück, aber sie behielt den Eindruck einer Verschwommenheit, d.h. von etwas Ungenauem. Und seit diesem Moment hat sich etwas verändert [in Mutter]. Als heute in diesem Bewußtsein die Antwort kam, war es nicht die Kenntnis von "dem" – es war nicht das Wissen sondern die Funktionsweise. Plötzlich WURDE ich die Funktionsweise. Ich versuchte, dies so gut wie möglich in dem Heft auszudrücken... Es war von einer allmächtigen Einfachheit – wunderbar!

Worte sind nur etwas Annäherndes. Ich mußte es in Worte fassen, um es für ihn aufzuschreiben, aber die Erfahrung war die der Funktionsweise: die universale Unermeßlichkeit, die zum göttlichen Bewußtsein zurückkehrt, und wie sie dorthin zurückkehrt – mannigfaltig, mit allen möglichen Erfahrungen, aber in einer wunderbaren Einfachheit.

(langes Schweigen)

Worte...

Gleichzeitig gab mir das eine körperliche Erfahrung der universalen Bewegung der Rückkehr des Bewußtseins zum Göttlichen; und das... eine Wahrnehmung, die überhaupt nicht mental ist: als spürten alle Zellen diese Bewegung der umfassenden Rückkehr zum Höchsten Bewußtsein.

Es muß die Bewegung des Universums zum Höchsten sein.

Mehrere Dinge trugen zu der Erfahrung bei: In Beantwortung gewisser Fragen erklärte mir Z gestern das Alter der Erde und wie sie jetzt Methoden gefunden haben, es zu messen (Dinge, die das Problem auf mentale Weise angehen). Während er sprach, fand ganz plötzlich diese Art Vereinigung statt, und... (wie soll ich sagen?) ich spürte fast im Körper, wie die Erde zum Göttlichen Bewußtsein zurückkehrte. All das zusammen führte zu dieser Erfahrung.

(Schweigen)

Wenn ich früher Erfahrungen hatte (vor langer Zeit, vor Jahren), nützten sie in erster Linie dem Mental – von dort breiteten sie sich aus und wurden verwertet. Jetzt ist das ganz anders: der Körper macht die Erfahrung selber – direkt –, und dies ist SEHR VIEL WAHRER. Eine gewisse intellektuelle Einstellung legt stets eine Art Schleier oder... ich weiß nicht... etwas Irreales über die Wahrnehmung der Dinge – eine gewisse Einstellung. Als schaue man durch einen bestimmten Schleier hindurch oder durch... etwas... durch eine bestimmte Atmosphäre. Der Körper hingegen fühlt die Sache in sich selbst, er WIRD zu dem. Die Sache wird nicht mehr von außen aufgenommen (Geste von außen nach innen), sondern er WIRD zu dem (Geste eines Explodierens in alle Richtungen oder einer Ausdehnung). Anstatt die Erfahrung auf den Maßstab des Individuums zu reduzieren, erweitert sich das Individuum auf den Maßstab der Erfahrung.

(Mutter tritt in Kontemplation)

Hast du nichts zu sagen?

Ich hatte einmal eine Art Wahrnehmung – eigentlich war es eine sehr starke Erfahrung dieser ganzen universalen Bewegung der Rückkehr, und ich hatte den Eindruck oder die Empfindung, daß alles ZUM GÖTTLICHEN ging, daß alles FÜR Das war, und daß es unmöglich war, daß darin irgend etwas "dagegen" lief oder nicht IN diesem Sinne lief, selbst wenn es dem Anschein nach "dagegen" oder "zuwider" oder "obskur" war oder...

Ja, ja.

Ich hatte das Gefühl, daß alles FÜR Das war, daß nichts dagegen sein konnte – die Unmöglichkeit jeglicher gegenteiligen Bewegung darin.

Ja, das ist, als ob... ich weiß nicht... als ließe das "Dagegen" sie inexistent werden, auf eine für uns unverständliche Art.

Nur aus Unverständnis sprechen wir von einem "Gegen".

Es kam mir in dieser Form: Selbst das, was wir als "falschen Weg" bezeichnen, ist noch Teil des richtigen Wegs.

Ja.

Dies klingt wie ein Paradox...

Ja, das liegt nur an einer Begrenztheit der Sicht.

(Schweigen)

In der Wahrnehmung des Raumes (die einer Sache entsprechen muß) entfernen sich die Dinge nur, um eine weitere Kurve miteinzubeziehen (in dem, was ich sah, in meiner Erfahrung)... Das Sichentfernen dient letztlich dazu, den Horizont und das Aktionsfeld zu erweitern.

(Schweigen)

Für mich ist besonders interessant, daß der Körper in letzter Zeit sehr mit all den Schwierigkeiten der Transformation beschäftigt war, und nun gab ihm diese Erfahrung... ich kann nicht sagen "Freude", denn es ist unendlich höher und größer, stärker – unermeßlich –, als würden alle Zellen vor Freude tanzen. Dies ist der Eindruck.

In den letzten Tagen fragte ich mich, warum der Körper so sehr in die Schwierigkeiten der Transformation vertieft war, und ich bekam keine Antwort, außer geduldig und ruhig zu sein und mich nicht aufzuregen – wie immer. Jetzt verstehe ich!... Er kann nur in einer gewissen Atmosphäre der Wahrheit freudig sein; dann ist es, als würde sich alles vergrößern, ausdehnen – eine außerordentliche Freude, für die es in der gewöhnlichen Wahrnehmung kein Äquivalent gibt.

(Lachend) Es ist ein wenig so, als hätte jemand meinen Kopf genommen und ihn verdreht (Mutter macht eine Geste, als würde ihr Kopf nach oben gewendet). Dort ist das Bewußtsein (Geste nach oben), etwas nahm ihn so und drehte ihn zur richtigen Seite! (Lachen)

(Schweigen)

Nur die Begrenzungen rufen den Eindruck eines Übels, eines Schlechten hervor – sobald man die Begrenzungen aufhebt, verschwindet das.

in French

in English