Mutters
Agenda
elften Band
(Mutter verteilt "Transformations"-Blüten)
Für dich und Satprem...
Man verbietet mir, Salz zu essen (Mutter verteilt Suppenpäckchen), angeblich kommt diese Schwierigkeit [am linken Auge] von zu viel Salz...
Was hast du zu sagen?
Geht es besser, liebe Mutter?
Ja, ein wenig besser. Es ist noch nicht... (Mutter schüttelt den Kopf)
Aber ich würde gern ein wenig Wasser trinken, denn...
(Sujata holt Wasser)
Allerdings kann ich noch nicht richtig essen.
Es geht besser, und die Nacht, der zweite Teil der Nacht, war relativ gut, d.h. ohne ständige Schmerzen.
(Mutter versucht, einige Tropfen Wasser zu trinken)
Ich habe festgestellt... Vorher war es meine große Befriedigung, stundenlang schweigend, reglos, konzentriert zu verharren... jetzt kann ich das nicht mehr tun: ich habe unkontrollierbare Bewegungen. Ich muß im Gegenteil beschäftigt sein. Wenn ich beschäftigt bin, geht es relativ gut. Entweder fast mechanisch beschäftigt: Fotos signieren usw. – dies hält meinen Körper ruhig. Oder mit Antworten beschäftigt: man stellt mir Fragen.
Nur die Augen... Die Augen sind seltsam. Natürlich ist dies [das linke geschwollene Auge] lästig, aber zuweilen sehe ich fast klar, und in anderen Augenblicken liegt alles wie hinter einem Schleier. Der Atem ist noch nicht normal. Es scheint, ich hatte eine Lungenentzündung (Mutter deutet auf die linke Lungenspitze). Es ist noch nicht völlig normal.
Ist dieser Druck immer noch da?
Das... das war eine schreckliche Schlacht. Es ist noch nicht ganz vorbei.
Diese Erfahrungen müssen von der Empfindung zum Bewußtsein übertragen werden; und das Bewußtsein kann es noch nicht erfassen... Im Bewußtsein geht es; in der Empfindung ist es unmöglich. Und da ich es zuerst in der Empfindung hatte... Sobald ich bewußt wurde, war es natürlich viel leichter zu ertragen, aber es darf nicht die Empfindung beeinträchtigen.
(Mutter ist außer Atem)
Der Atem ist nicht frei... Diese beiden Dinge müßten verschwinden, dann ginge es gut.
Eine physische Verschlechterung ist eingetreten (Mutter berührt ihre Beine). Ich kann nur noch mit großen Schwierigkeiten gehen, und ich bin völlig gebeugt... Das ist sehr schlecht für die Atmung.
Ich habe bemerkt, daß all dies von einer bestimmten Haltung abhängt... Ärgerlicherweise zwingen mich die Umstände, an den Körper zu denken. Das ist lästig. Wenn ich nicht daran denke, geht es gut – wenn ich an die Arbeit denke oder Dinge betrachte, geht es relativ gut. Doch der Körper ist sehr... beschwerlich geworden.
Ich kann nicht mehr alleine gehen – theoretisch könnte ich es, aber es besteht Gefahr, daß ich mein Gleichgewicht verliere, deshalb wollen sie mich nicht lassen – sie haben völlig recht. Aber...
Und dies (Mutter berührt ihre Kehle, ihre Brust), der Atem ist kurz und beengt.
Man hat den Eindruck, daß eine Art Wille dich zwingt, in deinem Körper zu bleiben – denn man nimmt dir deine Konzentrationen, all das wird dir genommen.
Ja, ja.
Als wollte man...
Ja, das ist es! Ach, sobald ich es versuche (Geste, sich über den Körper zu erheben), entsteht augenblicklich ein schreckliches Unbehagen: es heißt NEIN.
Genau so ist es.
(Schweigen)
Dieses Leben im Körper ist fast eine Tortur für mich, denn in sich selbst birgt es keinerlei Interesse... Schon seit langem fand ich keine physische Freude mehr daran. Jetzt ist es so weit, daß die Leute gar nicht mehr verstehen, warum ich leide: ich scheine nicht krank zu sein, außer dieser Kurzatmigkeit, die nicht so ernst zu sein scheint. Ich habe nichts, das man wirklich als Leiden bezeichnen könnte: nichts. Es ist eine Art... Das Wenigste, was man sagen kann, ist ein völliges Desinteresse: ob ich esse oder nicht... Das einzige Problem ist, daß ich mich nicht ausruhen kann – ich kann eben nicht... (Mutter macht eine Geste, sich vom Körper zurückzuziehen) in ein höheres Bewußtsein eintreten. Das ist etwas... Seit SO VIELEN Jahren, seit mehr als zwanzig Jahren legte ich mich aufs Bett, und uff! (Geste, sich zurückzuziehen) trat ich in den Herrn ein. Genau das ist mir untersagt, und dies verursacht das größte Leiden.
Wahrscheinlich hätte ich diese Arbeit nicht ertragen können und hätte meinen Körper verlassen; es war allzu natürlich... (Geste, nach oben zu entschwinden). Aber... (Mutter senkt ihre beiden Fäuste, als würde sie gewaltsam in die Materie geschleudert oder dort festgehalten) Ich traf keine Vorkehrungen, die Kraft wirklich in den Körper zu ziehen... Ich könnte sagen, daß mein Körper zu sehr (wahrscheinlich wegen seiner Art, in der materiellen Welt zu sehen, zu fühlen und zu reagieren), zu sehr 1... Nur äußerst selten in meinem Leben habe ich das Ananda im physischen Körper erlebt. Nur wenn ich schöne Dinge sah (Mutter hebt ihre Augen, als betrachte sie die Kokosnußpalme im Hof, die sie mit ihren physischen Augen nicht mehr sehen konnte), in gewissen Augenblicken im Kontakt mit der Natur habe ich das erlebt, aber ansonsten war mein ganzes Leben niemals... (wie soll ich sagen?) eine Quelle des Ananda.
(Mutter hält inne und versucht zu atmen)
Es ist wirklich lästig, nicht frei atmen zu können.
Wenn man beschäftigt ist, bemerkt man es nicht, aber wenn man verharrt, ohne etwas zu tun, und ständig keucht... das ist unangenehm.
(Schweigen)
In meinem ganzen Leben empfand ich eine völlige Indifferenz gegenüber den Dingen: ob sie so oder so waren, hatte keinerlei Bedeutung. Doch jetzt... Ich gebe dir ein Beispiel: Ich bat um Wasser, aber sie brachten es mir viel zu kalt, so daß ich es nicht trinken konnte; früher hätte ich es trotzdem genommen, aber ich konnte nicht, meine Kehle war wie zugeschnürt. Statt mir leicht gekühltes Wasser zu geben, brachte man mir fast Eiswasser 2...
Ja, ich habe es gesehen.
Ich konnte es nicht trinken. Dadurch wird man so unerträglich, nicht wahr! Die Dinge müssen genau so oder so sein – das macht das Leben für die anderen unerträglich.
Nein, liebe Mutter, keineswegs!
Das regelt sich dann so, daß der Arzt sagt: "Es MUSS so sein"... Dann... verstehst du, das ist lächerlich.
Damit kommt dem materiellen Leben eine unendlich größere Bedeutung zu als früher, und das ist nicht lustig... Gerade jetzt, wo schon genug Schwierigkeiten und Reibereien bestehen...
Da ich erschöpft aussehe, wollen sie mir natürlich nichts sagen, sie wollen mir keine Arbeit geben, sie wollen nicht... Das schafft für mich eine Atmosphäre, die derjenigen, die sein sollte, genau entgegengesetzt ist.
Ich habe jetzt darum gebeten, mich arbeiten zu lassen... Und du siehst, ich spreche und bin atemlos.
(Schweigen)
Aber all dies ist ein Zeichen, daß wir uns nähern, liebe Mutter...
Ja.
Es muß dort etwas geben... ganz in der Tiefe des Körpers muß eine Sprungfeder sein, dort muß etwas sein.
Ja... ja, aber was denn?
(Schweigen)
Der Göttliche Wille dort.
(Mutter nickt und tritt in eine lange, recht friedliche Kontemplation)
Hast du nichts?
Nein, liebe Mutter.
Wie spät ist es?
Fünf vor elf.
(Mutter taucht wieder ein,
um dann wie erstickt aus der Kontemplation zu treten)
Ach...
(Mutter taucht wieder ein, worauf ihr Bein zuckt)
Das sind diese Bewegungen, sobald ich mich konzentriere.
Wenn ich beharre, wird es... Ich fange an zu schreien.
Diese Bewegungen hören nur auf, wenn der Körper mit irgendeiner Tätigkeit beschäftigt ist.
Wenn ich keine Tätigkeit aufnehme und darauf beharre, mich zu verinnerlichen, beginne ich buchstäblich zu schreien, als würde ich gefoltert.
(Schweigen)
Gestern fragte ich den Arzt – nicht Sanyal 3: Dr. Bisht, der ein intelligenter Mann ist. Er sagte mir, daß gewisse Zellen des Gehirns unabhängig sind und nicht unter der bewußten Beherrschung stehen (bei allen Menschen ist das so), und wenn diese Zellen die Kontrolle ergreifen, treten solche Zuckungen auf... Sind dies wohl die Zellen, die unter der Kontrolle des Unterbewußten sind?...
Aber wie kommt es, daß ich früher STUNDENLANG so konzentriert bleiben konnte, ohne daß mir etwas geschah – sie hatten nie die Macht, etwas zu bewegen.
(Mutter tritt in ein langes absorbiertes Schweigen)
So viele Dinge weiß man nicht...
Wenn man die Ärzte um eine Auskunft bittet, hat man den Eindruck, daß es nur eine teilweise, oberflächliche Beobachtung ist und die wahre Sache fehlt. Wenn man nähere Fragen stellt, sagen sie: "Ach, nein, das wissen wir nicht." Folglich stehen wir da... Verstehst du, ich habe den Eindruck, in eine Welt getaucht zu sein, die mir unbekannt ist, und muß mich mit Gesetzen herumschlagen, die ich nicht kenne... um eine Änderung zu bewerkstelligen, die mir ebenfalls unbekannt ist – wie ist diese Änderung beschaffen?...
Das ist nicht sehr angenehm.
Wenn man das bei guter Gesundheit tut und sich in der Bewegung, in der Aktion befindet, ist alles schön und gut; aber so, wie ich jetzt bin, mit dieser physischen Machtlosigkeit, ist es schrecklich.
Ich denke das nicht, aber ich bin in einem Zustand, wo ich wirklich nicht weiß, was geschieht. Das ist nicht gerade angenehm.
Ja, aber liebe Mutter, ich habe ganz den Eindruck, daß du durch diese Dunkelheit, diese Unkenntnis der "Gesetze" ABSICHTLICH zu einem Punkt geführt wirst, wo die Lösung gefunden werden wird – daß all das einer Ordnung folgt und daß es keine "widrigen" Umstände sind, daß du wirklich getragen wirst.
Du hast recht. Du hast recht; wenn du willst, könnte ich sagen, daß ich auch so denke – ich "denke" nicht, aber es gibt eine solche Wahrnehmung. Nur... Da ist alles, was dazwischen liegt.
Ja... Ja.
Weiter so! (Mutter lacht und nimmt Satprems Hände)
Denke weiterhin so!
Ja, liebe Mutter, ich EMPFINDE es so.
Ja... Ich hoffe, daß ich es vermag: dieser Körper. Dieser Zweifel besteht.
Aber wenn du diesen Punkt erreicht hast, bedeutet das, daß der Moment gekommen ist, sonst wärst du nicht hier. Du bist in dieser Verfassung, weil es der richtige Augenblick ist.
Natürlich, ich weiß das wohl – ich weiß, daß der Moment gekommen ist, wo... Der Augenblick, den Versuch zu unternehmen, aber wird er gelingen? Ich weiß es nicht... Ist er... Wenn du willst, um die Dinge ganz klarzustellen: Ist ihm der Erfolg bestimmt? Da liegt der Zweifel. Ist es dazu bestimmt zu gelingen 4?
Es scheint mir unmöglich... Es scheint mir unmöglich, daß es nicht gelingt.
Warum?
Weil du der Körper der Welt bist!... Weil das wirklich die Hoffnung ist.
Ist das nicht Poesie?
Aber nein, liebe Mutter! Es IST SO. Man braucht doch nur zu sehen: Die äußere Welt wird immer höllischer.
Ach, das schon.
Genau dies geschieht in deinem Körper.
(Mutter ergreift Satprems Hände mit Tränen in den Augen)
Das bringt mich zum Weinen.
(Schweigen)
Danke.
(Satprem küßt Mutters Hand)
Danke. 5
1 Mutter will vielleicht sagen, daß sie sich zu sehr der höheren Welten bewußt war.
2 Mutter hat eine neue Assistentin.
3 Dr. Sanyal ist Mutters üblicher Arzt.
4 Wie sie höhnen und grinsen, Teufel und Menschen "Auf Trugbildern baut deine Hoffnung Malst uns den Himmel mit feurigen Farben Du wirst fallen, vergeblich dein Mühn." (A God's Labour)
5 Dieses Gespräch und unser Schrei am Ende, um aufzurütteln... wir wissen nicht was, erinnern seltsam an das letzte Gespräch, das wir drei Jahre später mit Mutter haben werden, am 19. Mai 1973, als müßten wir eine unmögliche, negative Atmosphäre um Mutter herum abschütteln.