Mutters
Agenda
zwölften Band
17. April 1971
A sagte mir, daß ihm dein Buch sehr gut gefalle 1 .
Ach, gut!
Ja... Ich freute mich für ihn! (Lachen)
Aber weißt du, den ersten anfänglichen Reaktionen nach verursacht das Buch eine Art Spaltung.
Ach, ja?
Ja, wie ein Schisma.
Wieso?
Es scheint, daß eine ganze Gruppe junger, offener und enthusiastischer Leute die neue Möglichkeit darin sieht, während eine andere "Schule", die viel Tapasya [spirituelle Disziplin] geleistet hat und sehr an die Tugenden aller möglichen Disziplinen glaubt, erklärt: "Aber nein, das kann nicht so sein!"
Ach!
Leute, die an die Tugenden der Meditation, der Tapasya, der Disziplinen usw. glauben und meinen: "Man muß große Anstrengungen unternehmen" – je mehr Anstrengungen sie aufgewendet haben, um so mehr schockiert sie deshalb die Unmittelbarkeit der Sache.
(Mutter lacht) Aber es ist viel schwieriger zu tun, was du sagst 2!
Ja, tatsächlich.
(Mutter lacht) Viel schwieriger... Das bedeutet, daß sie nicht verstehen.
Genau so ist es.
Sie sehen nur Worte.
Leider sehe ich diese Art von Reaktion auch bei T [der englischen Übersetzerin].
Ja, ja.
Das besorgt mich, denn ich frage mich, was ihre Übersetzung taugt.
Hat sie dir denn nicht gesagt, was ich ihr geschrieben habe?
Nein, liebe Mutter.
Ach!... Sie hatte mir nämlich geschrieben, daß ihr einige Abschnitte in deinem Buch mißfielen...
Ja, mir sagte sie, sie finde gewisse Stellen "repulsive" [abstoßend].
Daraufhin bat ich sie: "Zitiere mir die Abschnitte!" Darunter war ausgerechnet einer von denen, die mir am besten gefielen (Lachen). So schrieb ich ihr: "Leider muß ich Dir sagen, daß Du das Buch nicht verstanden hast ..." Sie hat mir nie geantwortet.
Ja, mir hat sie auch geschrieben.
Hat sie dir berichtet, was ich ihr gesagt hatte?
Nein, nein, liebe Mutter. Aber sie meinte, in dem Buch sei keine "Präsenz".
Keine...?
Keine Präsenz. 3
Aber das ist nicht wahr!
Das stört mich im Hinblick auf die Übersetzung.
Ja, ihre Übersetzung kann nicht gut sein... Man muß eine andere machen.
Sie hatte mir einen ganzen Abschnitt deines Buches geschickt, wobei sie jedoch einen Teil eines Satzes ausließ, so daß es genau das Gegenteil von dem ausdrückte, was gesagt wurde... Damit verstand ich, daß dort eine... (Bewegung einer Entstellung) war.
Ja, sie lassen stets Dinge weg.
Wie kann sie dann übersetzen?
Ja, das stört mich. Sie zeigte mir ihre Übersetzung, und so kann ich ihr sagen: "Dieses Wort ist nicht richtig; da ist ein Widersinn", aber das ist alles, was ich tun kann – es ist nicht genug, daß die Worte stimmen: etwas anderes ist nötig.
Oh, ja!
Ich weiß nicht, ob dieses "andere" da ist.
A konnte früher sehr gut Englisch, er kann es vielleicht lesen und es dir sagen.
(Schweigen)
Aber sie hat mir nicht geantwortet [auf Mutters Brief]. Sie muß mich für verrückt halten.
Ach! Nein, das glaube ich nicht, liebe Mutter.
Sie sind... dreiviertel von ihnen denken so, mein Kind.
Nein, liebe Mutter, nein.
Weil ich nicht dasselbe tun kann wie sie, nicht mehr sehr deutlich sehe und schlecht höre, halten sie mich für völlig benebelt.
Nein, nein, liebe Mutter! Ich glaube wirklich nicht, daß es viele sind.
Das macht nichts! (Mutter lacht schalkhaft)
(Schweigen)
Aber wenn man eine andere englische Übersetzung macht, muß es jemand sein, der nicht hier lebt.
Nicht hier?
Ja, denn das würde sie verletzen.
(langes Schweigen,
Mutter geht in sich)
Hast du etwas zu sagen?
Ja, zu einem ganz anderen Thema... Zu den Ereignissen.
Oh!...
Ich dachte, für diese "Agenda", wo wir alle Geschehnisse notieren, wäre es gut – falls du zustimmst – zu vermerken, was du genau an Indira geschrieben hast. Es wird behauptet, du hättest ihr geraten [in Bangladesh] einzugreifen, aber... Was hast du ihr genau geschrieben?
Ich erinnere mich nicht... Ich schrieb ihr zwei Mitteilungen, eine am 3. und eine am 4. – ich weiß, daß es der 4. war, denn das war der Tag von Sri Aurobindos Ankunft hier. Aber was in diesen Mitteilungen geschrieben stand... Es sei denn, man hat vielleicht eine Kopie aufbewahrt?...
(Mutters Assistentin sucht)
Es sieht so aus, als würde man es tatenlos zulassen, daß dieses Land zerstört wird.
Nein. Es gibt schon drei oder vier Länder (ich erinnere mich nicht mehr), die es anerkannt haben.
Aber nein, liebe Mutter, niemand!
Doch, man sagte es mir heute morgen.
Niemand, liebe Mutter, niemand!
Aber heute morgen hat man es mir gesagt.
Die Leute von Bangladesh entsandten Abgeordnete, um die Anerkennung zu erlangen, aber bis jetzt...
Doch. Sie haben gearbeitet. Drei Länder haben es schon anerkannt.
Aber nein, liebe Mutter, ich versichere dir!... Es sei denn, es gibt geheime Neuigkeiten; niemand hat Bengalen anerkannt.
Die Neuigkeiten, die wir erhalten, sind überhaupt nicht vollständig... Nun, ich weiß es nicht.
Den Nachrichten zufolge nehmen pakistanische Truppen gerade wieder Städte ein, und nicht nur das, sie riegeln auch die Grenze mit Indien ab, so daß selbst die geheime Unterstützung, die wir geben konnten, nicht mehr hindurch kann.
Woher hast du diese Neuigkeiten?
Das sind die offiziellen Nachrichten.
(langes Schweigen,
die Assistentin bringt Mutters Mitteilung an Indira)
Du hast geschrieben: "The urgent recognition of Bangla-Desh is imperative." [Die dringende Anerkennung von Bangladesh ist zwingend].
Ja, "the urgent recognition"... [die dringende Anerkennung]. Das ist die zweite Notiz, die vom 4. April: "The urgent recognition of Bangla-Desh is imperative." 4
Sie haben nicht auf dich gehört. Man hört nicht auf dich.
Man sagte mir, es sei geschehen.
Aber nein, liebe Mutter, gar nichts wurde getan.
Es sei sogar eine Regierung gebildet worden und so weiter.
Ach, das ja. In Bangladesh haben sie eine provisorische Regierung gebildet, aber man hat sie nicht anerkannt.
(Schweigen)
Je länger man es hinauszögert, um so unmöglicher wird es einzugreifen.
(nach einem Schweigen)
Die Nachrichten, die von dort eintreffen, sind sehr widersprüchlich.
Ich habe Neuigkeiten von Surendra Mohan [ein Berater Indiras], der aktiv arbeitet...
Dann ist es eine heimliche Anerkennung, denn offiziell wurde es in keiner Weise anerkannt 5 .
(Schweigen)
Es ist jedenfalls eine Tatsache, daß die pakistanischen Truppen weite Gebiete wieder einnehmen und versuchen, eine provisorische Pseudoregierung unter ihrer Kontrolle aufzustellen. Genau das tun sie. Eine Regierung von Verrätern, verstehst du, wie Pétain [der Präsident der französischen Vichy-Regierung im Zweiten Weltkrieg, die mit den Nazis zusammenarbeitete].
(Mutter geht lange in sich, und hebt dann die Hände)
Ich weiß nicht (traurige Stimme).
(Mutter geht wieder in sich)
Ich bin sicher, daß die Wahrheit ganz anders aussieht – weder das, was die einen sagen, noch das, was die anderen sagen. Aber was ist sie?... 6
(Schweigen)
Jedenfalls besteht noch eine viel größere Gefahr, und zwar die einer Hungersnot.
Ja, liebe Mutter.
Surendra Mohan wird versuchen, alle nötigen Lieferungen von Amerika herkommen zu lassen.
Ja, aber die pakistanischen Boote sind da und fangen alles ab.
Es müßte von Indien kommen.
Aber sie schließen gerade die Grenzen!... Mutter, die Tatsache ist, daß sie nicht auf dich gehört haben und die Gelegenheit verpaßt haben – sie sind dabei, sie zu verpassen.
(Mutter geht in sich,
nimmt dann Satprems Hände
und sieht müde aus)
ADDENDUM
"Das Schisma"
Satprem hatte einen enthusiastischen Brief eines Lesers der Genèse erhalten, der folgendes sagte:
"Bis zum Jahr der Gnade 1969 [der Herabkunft des Neuen Bewußtseins] waren alle Philosophien, alle Religionen, alle "Ismen", alle Spiritualitäten nur verfeinerte Produkte des "mentalen Zirkels" (laut der Genèse du Surhomme). Alle Erfahrungen sind nur "höhere Ebenen des Mentals" (S. 61); diese "Gipfel des Geistes" sind nur "Höhepunkte des Ichs" (S. 61); wir müssen uns der Weisheiten der Vergangenheit, der Aufstiege der Vergangenheit, der Erleuchtungen der Vergangenheit und all dem Spektakel der alten Heiligkeiten des Geistes entledigen" (S. 29) usw. Kurz, alles, was vor 1969 geschah, ist eine Verfeinerung der "alten Haut" (S. 28). Das ist völlig klar. Dieses Geheimnis haben einige berührt: die Rishis, die Ägypter – der Leser versteht, daß sie die Intuition hatten, aber nicht die Erfahrung. Das gleiche gilt für Sri Aurobindo, der das "verkündete", aber dennoch führte sein Yoga die Verfeinerung der "mentalen Blase" fort; der Leser versteht deshalb, daß er den Schlüssel dieses Yoga des Übermenschen nicht kannte und unterdessen den integralen Yoga lehrte ..."
Der Irrtum dieses Lesers ist wie eine umgekehrte Demonstration dessen, was die "Orthodoxen" der Genèse du Surhomme vorwarfen, nämlich, Sri Aurobindo verraten zu haben. Hinter diesem angeblichen "Schisma" versteckten sich einerseits diejenigen, die Mutter von Sri Aurobindo trennen wollten und es bequemer fanden zu philosophieren, als konkret den Yoga zu betreiben, und auf der anderen Seite, am anderen Extrem, diejenigen, die es bequemer fanden, alle spirituellen Disziplinen zu verwerfen, um nur nach ihrer Lust und Laune zu leben. Zwei Extreme derselben Verirrung. Hier Satprems Antwort an den Leser:
Pondicherry, 6. April 1971
Sie sind recht kühn zu behaupten, Sri Aurobindo habe den Schlüssel zum Yoga des Übermenschen nicht gehabt und sein integraler Yoga sei eine Verfeinerung der mentalen Blase. Wo soll ich denn erlernt haben, was ich schreibe, wenn nicht von Mutter und Sri Aurobindo? Sie vergessen, daß dank seiner Arbeit der Yoga des Übermenschen erst möglich ist, daß er es war, der ihn vorbereitet hat, der den großen Fluß des Neuen Bewußtseins herabkommen ließ, so daß die Menschen, anstatt die göttliche Wahrheit dort oben zu suchen, sie hier leben können und bei jedem Schritt in ihr gehen können. Das liefe darauf hinaus, zu sagen, Sri Aurobindo habe nicht den Schlüssel zu der Tür gehabt, die er geöffnet hat!
Sein Yoga ist integral, denn anstatt die Suche auf die spirituellen Höhen zu beschränken, sagte er uns wiederholt, daß man den Körper miteinbeziehen müsse und die spirituelle Wahrheit in unseren Körper und in unser Leben herabsteigen lassen müsse. Der Weg des Aufstiegs und alle anderen Wege und Ebenen des Bewußtseins sind Teil einer integralen Entwicklung – für jene, welche die Zeit und die besonderen Fähigkeiten haben, die das erfordert. Aber diese Abschweifungen sind nicht mehr zeitgemäß, denn alles kann hier gefunden werden – weil Mutter und Sri Aurobindo den Weg HIER eröffnet haben. Erinnern Sie sich bitte an Mutters Erklärung: "Sri Aurobindo kam, um uns zu sagen: Es ist nicht nötig, die Erde zu verlassen, um die Wahrheit zu finden; es ist nicht nötig, das Leben zu verlassen, um seine Seele zu finden; es ist nicht nötig, die Welt aufzugeben oder einen beschränkten Glauben zu haben, um mit dem Göttlichen in Beziehung zu treten. Das Göttliche ist überall, in allen Dingen, und wenn es verborgen ist, dann nur, weil wir uns nicht die Mühe machen, es zu entdecken." (Entretiens, 13.8.1958) Und wieder: "Für viele ist das spirituelle Leben gleichbedeutend mit Meditation. Solange diese Dummheit nicht aus dem menschlichen Bewußtsein gefegt wird, bleibt die supramentale Kraft immer einer erheblichen Gefahr ausgesetzt, von der Finsternis einer unverständigen menschlichen Denkweise verschlungen zu werden". (Entretiens, 17.4.1957) Wenn Sie Sri Aurobindo und Mutter zu lesen wissen, werden Sie sehen, daß sie den hiesigen Weg und diesen Sonnenweg vollkommen beschrieben haben – La Genèse setzt lediglich eine absichtliche Betonung auf dieses "Hier", weil wir keine Zeit verlieren dürfen und weil nicht alle die besonderen Fähigkeiten haben, weitläufige Forschungen zu unternehmen – schließlich sind wir in der Stunde Gottes: sie hat begonnen. Sie ist da. Denn es hat sich wirklich etwas verändert in der Welt seit 1969.
Sri Aurobindos Yoga hat sich nicht verändert, er blüht nur auf, wenn ich so sagen darf. Ich glaube nicht, daß die Blüte des Flamboyanten das Gegenteil des Flamboyantenbaumes ist.
Jetzt stiften Sie eine komplette Verwirrung zwischen dem Psychischen und dem Spirituellen. Das Psychische, die Seele, das innere Feuer, Agni, gehören nicht der "mentalen Blase" oder irgendeiner Blase an: es ist das Göttliche in der Materie. Dieses kleine Feuer öffnet die Tür zum großen Sonnenfeuer des Neuen Bewußtseins. Es ist das Instrument des Yoga des Übermenschen (wenn ich von den Leuten spreche, die ihren "psychischen Knopf" betätigen, benutze ich hier das Wort in dem allgemeinen und lächerlichen Sinne, den die Menschen ihm gewöhnlich geben, wenn sie hellsichtige und okkulte Erfahrungen suchen – nicht in seinem wahren Sinn). Andere hatten zu allen Zeiten die Erfahrung des Psychischen, dieses inneren Feuers, aber außer den Rishis benützte es keiner, um die Materie zu transformieren; die Religionen machten eine rein fromme und "mystische" Angelegenheit daraus. Was das "Spirituelle" betrifft, es umfaßt alle Bewußtseinsebenen oberhalb des gewöhnlichen Mentals. Es ist der Weg des Aufstiegs. Genau da sage ich und wiederhole mit Nachdruck und aus eigener Erfahrung, daß die großen Erfahrungen, aus denen man spirituelle Höhepunkte macht, sich in der mentalen Blase befinden (einbegriffen das Übermental): es sind ätherische Gipfelpunkte, wo das Wesen sich in eine wunderbare, unermeßliche, königliche Weiße auflöst, ohne einen Hauch von Unruhe, in einem ewigen Frieden – der definitionsgemäß Tausende von Jahren andauern kann, ohne daß ein Jota in der Welt verändert würde. Aber das Spirituelle ist nicht das Supramental, und wenn man an das Supramental rührt, könnte man fast sagen, daß es ein ganz anderer Geist ist, so dicht, heiß, mächtig, gegenwärtig, inkarniert und strahlend fest ist es mitten auf dem Weg. Eben um dieses Strahlen auf die Welt zu bringen, sind Sri Aurobindo und Mutter gekommen – sie hörten nicht auf zu sagen, daß ihr Yoga neu, neu, neu ist –, und daß wir mit diesem einfachen kleinen inneren Feuer in direkten Kontakt mit Dem treten können, ohne uns im Lotossitz hinzusetzen oder das Leben zu verlassen. Wenn man das anrührt, erscheinen "die spirituellen Höhen" blaß. Das ist alles, was ich zu sagen habe. Man braucht kein Super-Yogi zu sein, um damit in Kontakt zu treten, und diejenigen, die das Nirvana oder ich weiß nicht was gefunden haben, sind nicht einen Zentimeter vorwärts gekommen, um Das zu berühren, denn der Leitfaden von Dem findet sich keineswegs dort oben, auch nicht außerhalb, sondern in Ihrer eigenen, kleinen Fähigkeit dieser Flamme.
Und wenn Sie sich, anstatt Haare zu spalten, mit Feuer auf den Weg begeben, werden Sie vielleicht entdecken, daß wir tatsächlich in der Stunde Gottes sind und daß ein einziger Funke einer aufrichtigen Anstrengung auf Ihrem Niveau Tore öffnet, die seit Jahrtausenden verschlossen waren.
Satprem
P.S. Damit Sie Mutter zu verstehen wissen, sende ich Ihnen zwei ihrer Texte:
"Man könnte sagen, daß es viel schwieriger ist, vom mentalen Leben zum supramentalen Leben zu gelangen als von einer gewissen psychischen Emotion im Leben – so etwas wie einer Widerspiegelung, einer leuchtenden Emanation der göttlichen Gegenwart in der Materie – zum supramentalen Bewußtsein; es ist viel leichter, von da zum supramentalen Bewußtsein zu gelangen als von der höchsten intellektuellen Spekulation zu irgendeiner supramentalen Schwingung. Vielleicht täuscht uns das Wort. Vielleicht erwarten wir, weil wir es das "Supramental" nennen, daß wir durch eine höhere intellektuelle, mentale Aktivität dorthin gelangen, aber tatsächlich ist es ganz anders. Man scheint durch diese sehr hohe, sehr reine, sehr noble intellektuelle Aktivität zu einer Art kalten Abstraktion ohne Kraft zu gelangen, einem gleißenden Licht, das gewiß sehr weit vom Leben entfernt ist und noch weiter von der Erfahrung der supramentalen Realität.
In dieser neuen Substanz, die sich in der Welt ausbreitet und agiert, gibt es eine so intensive Wärme, Kraft und Freude, daß jede intellektuelle Tätigkeit daneben kalt und trocken erscheint. Je weniger man deshalb darüber spricht, um so besser ist es. Ein einziger Augenblick, eine einzige Aufwallung von tiefer und wahrer Liebe, eine einzige Minute des tiefen Einsseins mit der göttlichen Gnade führt einen viel näher an das Ziel als alle möglichen Erklärungen."
(Entretiens, 14.5.1958)
*
"In der anderen Hemisphäre herrscht eine Intensität und eine Fülle, die sich durch eine andere Macht als hier ausdrücken. Wie das beschreiben? – Man kann es nicht.
Die Beschaffenheit des Bewußtseins selbst scheint sich zu ändern. Es ist nicht etwas Höheres als der Gipfel, den wir hier erreichen können, es ist keine WEITERE Stufe, nein: hier sind wir am Ende, wir haben den Gipfel erreicht... Die Beschaffenheit ist anders. Beschaffenheit in dem Sinne, daß dort eine Fülle, ein Reichtum, eine Macht besteht (dies ist nur eine Übersetzung auf unsere Art), aber "etwas" dort... entzieht sich uns. In der Tat bedeutet es eine neue Bewußtseinsumkehrung.
Wenn wir das spirituelle Leben zu leben beginnen, ereignet sich eine Umkehrung des Bewußtseins, die uns beweist, daß wir das spirituelle Leben begonnen haben; nun, eine weitere Umkehrung vollzieht sich, wenn wir die supramentale Welt betreten.
Und vielleicht wird es jedesmal, wenn eine neue Welt sich öffnet, eine weitere Umkehrung geben. Das bedeutet, daß sogar unser spirituelles Leben, das eine so totale Umkehrung im Vergleich zum gewöhnlichen Leben darstellt, wieder so völlig anders im Verhältnis zum supramentalen Bewußtsein, zur supramentalen Verwirklichung erscheint, daß... die Werte beinahe entgegengesetzt sind.
Man könnte es folgendermaßen illustrieren (aber das ist ungenau, mehr als verringert, entstellt): es ist, als wäre unser ganzes spirituelles Leben aus Silber gemacht, während das supramentale aus Gold besteht, als hätte das ganze spirituelle Leben hier eine Schwingung von Silber, nicht kalt, aber einfach ein Licht, ein Licht, das bis zum Gipfel reicht, ein völlig reines und intensives Licht, doch die supramentale Welt enthält einen Reichtum und eine Macht, die den ganzen Unterschied ausmachen. Das ganze spirituelle Leben des psychischen Wesens und unser ganzes gegenwärtiges Bewußtsein, das dem gewöhnlichen Bewußtsein so warm, so voll, so wunderbar, so leuchtend erscheint, diese ganze Pracht wirkt arm im Verhältnis zur Pracht der neuen Welt.
Das Phänomen läßt sich sehr gut so erklären: aufeinanderfolgende Umkehrungen bewirken, daß sich mit jeder weiteren Stufe ein IMMER neuer Reichtum der Schöpfung offenbart und alles Vorhergehende dann als Ärmlichkeit erscheint. Das, was uns im Vergleich zu unserem gewohnten Leben als höchster Reichtum erscheint, wirkt wie eine Ärmlichkeit verglichen mit dieser neuen Umkehrung des Bewußtseins. Das war meine Erfahrung."
(Agenda Bd. 1, 15. November 1958)
1 La Genèse du Surhomme.
2 Um verständlicher zu machen, worin dieses "Schisma" bestand, veröffentlichen wir als Addendum den Text eines Briefes an einen enthusiastischen aber irregeleiteten Leser.
3 Man beschuldigte Satprem sogar, "Sri Aurobindo verraten zu haben". So gab es eine kleine Clique von "Intellektuellen" im Ashram, die sich nach Sri Aurobindos Weggang lange weigerten, Mutter anzuerkennen (und wieviele Briefe mußte selbst Sri Aurobindo zu seiner Zeit schreiben, um Mutter zu verteidigen). Wir vermuten, daß dieselbe, heute sehr einflußreiche kleine Clique Mutter niemals anerkannt hat, außer durch Lippenbekenntnis, und daß sie es vorzogen, sich hinter einem "philosophischen Sri Aurobindo" zu verstecken, während Mutter sie zu einem gründlicheren Yoga verpflichtete (oder verpflichten wollte). Dies ist das "Schisma". Die erste Reaktion der englischen Übersetzerin läßt erahnen, was nach Mutters Weggang zum Ausbruch kam. Nach und nach begannen alle diese kleinen Wellen zusammenzulaufen.
4 Die erste Version vom 3. lautete: India must recognize Bangla-Desh. This is urgent. [Indien muß Bangla-Desh anerkennen. Das ist dringend.]
5 Tatsächlich erklärte der indische Präsident V.V. Giri am nächsten Morgen auf einer Pressekonferenz, wo man ihn beharrlich fragte, warum er Bangladesh noch nicht anerkannt habe, folgendes: "Die Bundesregierung untersucht gerade die Frage, ob man die Regierung von Bangladesh anerkennen solle." Dann fügte er hinzu: "Unsere Sympathien sind mit dem Volk von Bangladesh. Es steht der Ministerpräsidentin [Indira] und dem Bundeskabinett zu, über diese Frage zu entscheiden." (P.T.I.)
6 Man fragt sich, welche Art Nachrichten Mutter von ihrer Umgebung erhielt.