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Mutters

Agenda

zwölften Band

27. Oktober 1971

Was hast du zu sagen?

Es gibt ein praktisches Problem...

(Mutter gibt eine Transformationsblüte)

Mehr habe ich nicht.

Sie ist sehr schön!... Ein praktisches Problem betreffend die Sri Aurobindo-Statue in Kalkutta. Du weißt, daß die bengalische Regierung beschlossen hatte 1, die Sri Aurobindo-Statue anstatt der von Lord Curzon zu errichten – ausgerechnet jener, der die Teilung Bengalens wollte, und Sri Aurobindo hatte versucht, dies zu verhindern. So würde man, anstatt von Lord Curzon die Statue Sri Aurobindos gegenüber des "Victoria Memorial" aufstellen, am Eingang von Kalkutta. Dies war im Prinzip entschieden worden. Dann wurde die bengalische Regierung gestürzt, und ihr Beschluß war nicht verbindlich festgelegt worden, so daß jetzt alles in der Schwebe ist. Um nun die Sache wieder in Gang zu bringen, müssen die Leute vom "Pathmandir" 2 in Kalkutta etwas unternehmen. Aber die Leute vom Pathmandir haben eine andere Idee. Vor einiger Zeit haben sie Sri Aurobindos Geburtshaus in Kalkutta gekauft...

Ach!

Sie schlagen vor, anstatt Sri Aurobindos Statue auf einer öffentlichen Straße zu errichten, sie in seinem Geburtshaus aufzustellen.

Wird es denn offen sein?

Nein, sie wird im Haus sein.

Dann wird sie aber niemand sehen!

Genau das denke ich auch. Aber sie sagen (ihr Argument): Wenn man sie im Haus aufstellt, wird sie geschützt sein – die Raben werden sie nicht beschmutzen, und die Studenten werden ihr nicht den Kopf abschlagen.

Sind die Studenten Bengalens gegen Sri Aurobindo?

Nein, nein! Aber es kam z.B. vor, daß sie eine Gandhi-Statue enthaupteten.

(Mit einem Lächeln) Oh!

Für Sri Aurobindo selbst ist es besser im Haus – es entspricht mehr seinem Temperament und Charakter. Für die Leute ist es draußen besser.

Ja, sicherlich. Eine Statue ist für die Öffentlichkeit gebaut, damit das Bildnis vor aller Augen ist.

Ja, aber sie sind imstande, sie zu beschädigen oder zu... Das muß um jeden Preis vermieden werden... Ich weiß nicht, sie sind verrückt dort – sie sind überall verrückt. Auch hier sind sie verrückt.

Hier auch: Das ist auch hierher gekommen – die gleiche Idee... zu töten, zu zerstören... Überall. Als sei die ganze vitale Welt auf die Erde herabgekommen (Geste einer erdrückenden Masse).

Ich möchte nicht, daß der Statue etwas zustößt.

Ja, aber für mein Gefühl verliert sie ihren Sinn, wenn sie der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Wenn sie angefertigt wird, um in einem Haus aufgestellt zu werden, verliert sie ihren Sinn.

Offensichtlich.

Es wäre sinnvoll, Sri Aurobindo gegenüber des Victoria Memorial aufzustellen, anstatt des englischen Mannes, der Bengalen teilen wollte – das macht Sinn.

Das ist offensichtlich. Aber die Inder müßten sich ordentlich benehmen.

Die Leute vom Pathmandir werden auf alle Fälle tun, was du sagst.

Das beste ist, zwei Statuen zu haben: eine in der Öffentlichkeit und eine im Haus.

Gut.

Das wäre bei weitem das beste.

Ich werde es ihnen sagen.

Und es muß nicht unbedingt dieselbe sein. Eine kann z.B. sitzend sein und die andere stehend. Die auf der Straße stehend und die im Haus sitzend. So wäre es sehr gut. Denn im Haus muß niemand um Erlaubnis gefragt werden. Ich hoffe, die auf der Straße ist stehend?

Ich glaube, du hattest ein Foto von Sri Aurobindo ausgewählt, wo er in die Zukunft blickt. Ich glaube, es ist das Foto des holländischen Malers.

Ja, das ist es. Ich möchte, daß er bei der Statue auf der Straße steht 3 und im Haus vor dem Tisch sitzt.

An einem Tisch?

Oder einfach sitzend.

So wäre es gut.

(Schweigen)

Wenn der Statue auf der Straße etwas zustößt, wäre dies ein Symbol für den Zusammenbruch Bengalens. Das ist alles. Das wäre Pech für sie.

Aber ich möchte gerade, daß seine Aktion nicht davon abhängt. Wenn er im Haus sitzt, geht seine Aktion weiter – selbst wenn man seine Statue [auf der Straße] zerstört...

Aber man wird sie nicht anrühren, liebe Mutter!

Ich glaube nicht.

Er ist zu schön!

Oh, die Leute werden verrückt. Nein, ich weiß nicht, wie lange das weitergehen wird, aber überall weht ein Wind des Wahnsinns. Man spricht nur noch vom Töten. Es ist, als ob... (Geste eines Ansturms vitaler Kräfte auf der Erde)... Die Welt ist abstoßend geworden.

Die Teilung ist sehr stark.

Für jene, die arbeiten wollen, ist eine ABSOLUTE Aufrichtigkeit notwendig geworden.

Gestern hatte ich Erfahrungen, die mir zeigten, daß die gewohnte Haltung, die darin besteht, zu denken, "die Dinge werden sich schon einrenken", sie seien dabei "sich zu arrangieren", nicht genügt. Man muß (Mutter schlägt ihre Faust in die Materie wie eine Schwertschneide): so.

Kali?

Ein ABSOLUTES ist nötig. Man darf in sich selbst nichts akzeptieren, das sagt: Es wird schon kommen, es wird schon kommen...

Ich hatte eine Erfahrung... Es ist gut, ich war sehr froh darüber, denn das erfordert eine Integrität – eine absolute Aufrichtigkeit und Integrität –, sonst... Aber die Erfahrung war schrecklich.

(langes Schweigen)

War es eine persönliche physische Erfahrung?

(Mutter nickt,
Schweigen)

Äußerlich gibt es viele Unruhen in der Stadt, wegen der...

Der Universität 4?

Ja, viele.

Aber es sind nicht die Studenten.

Es sind die Studenten.

Ja, aber dahinter steht etwas anderes, liebe Mutter.

Die Mission.

Ja, sicherlich.

Es ist die Mission. Aber der französische Konsul steht auf ihrer Seite.

Ja, natürlich!

Gestern abend hielten sie eine Versammlung von zweitausend Leuten ab – mit flammenden Reden gegen den Ashram, die Universität und die Bundesregierung, denn die Regierung befürwortet die Universität.

Die Menschheit ist wirklich winzig klein.

Oh, ja, sie ist sehr tief gesunken.

Sri Aurobindo... Sri Aurobindo ist für sie ein "Fremder", weil er aus Bengalen stammt – schrecklich! Er, der alles für dieses Land getan hat. Entsetzlich. Nur das Göttliche kann so etwas ertragen.

Ja.

Denn menschlich würde ich sagen: Möge diese Menschheit in die Grube fallen! Möge sie zermalmt werden! Was solls!

Mit der Einstellung würden nicht viele am Leben bleiben.

Ja, sicherlich.

(Schweigen)

Aber man sieht wirklich nicht, welches Wunder all das ändern könnte.

Ach, es WIRD ein Wunder geben. Aber welches, weiß ich nicht.

(Schweigen)

Nein, die ganze Reaktion, die ganze Bewegung (Geste auf Bodenebene) stammt vom unteren Mental und vom Vital, und es ist ganz unten, aber ein Druck von oben würde all das zermalmen – wie wird es sich zeigen? Ich weiß nicht... Aber man sieht deutlich, daß die Umstände darauf hin tendieren, daß die Dinge mit einem Schlag zerplatzen. Aber wie? Ich weiß es nicht.

(langes Schweigen)

Hat man dir die Zitate von Sri Aurobindo gegeben?... Sie sind interessant.

Ich habe sie noch nicht angesehen.

Oh, du mußt sie ansehen, das ist sehr interessant.

Ich habe sie hier.

Da sind zwei lange und vier kleine. Wir werden sie im Februar und im August des nächsten Jahres nehmen.

(Satprem blättert) Hier ist eines:

"One must have faith in the Master of our life and works, even if for a long time He will conceal Himself, and then in His own right time He will reveal His Presence." 5

Das ist es! Genau so ist es! Aber die aus dem Göttlichen Leben sind wirklich interessant:

Der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse mit seinen süßen und bitteren Früchten ist heimlich verwurzelt in der eigentlichen Natur des Unbewußten, aus der unser Wesen aufgetaucht ist und auf der es noch steht als niedrigem Boden und als Basis unserer physischen Existenz; sie ist sichtbar auf der Oberfläche im vielfältigen Geäst der Unwissenheit gewachsen, die immer noch der Hauptteil und die Verfassung unseres Bewußtseins ist in seiner schwierigen Evolution zu einem höchsten Bewußtsein und einem integralen Gewahrsein. Solange es diese Erde mit den nicht gefundenen Wurzeln in ihm gibt und diese nährende Luft und das Klima der Unwissenheit, wird der Baum wachsen und blühen und seine zweifachen Blüten und seine Früchte von gemischter Art hervorbringen. Es würde folgen, daß es keine endgültige Lösung gibt, bis wir unser Unbewußtes in ein größeres Bewußtsein gewandelt haben, die Wahrheit des Selbst und des Geistes zur Lebensbasis gemacht haben und unsere Unwissenheit in ein höheres Wissen umgeformt haben. Alle anderen Zweckmäßigkeiten werden nur Notbehelfe oder blinde Ergebnisse sein; eine vollkommene und radikale Transformation unserer Natur ist die einzig wahre Lösung.

The Life Divine, XVIII.627

Dieses Zitat möchte ich für den 21. Februar aufheben.

(Schweigen)

Ich denke an das, was er da sagt, diese "nicht gefundenen Wurzeln". Was ist diese Wurzel, diese nicht entdeckte Wurzel?

Wurzel von was?

Diese Wurzel, die man nicht entdeckt hat. Die Wurzel allen Übels, der Unwissenheit, all dessen: "... solange diese Erde mit den unentdeckten Wurzeln und dieser nährenden Luft bleibt ..."

(nach einem Schweigen)

Was ich in der gestrigen Erfahrung fand und was mir diese Erfahrung bewies, ist, daß das physische Wesen, das glaubte, es sei ausschließlich dem Göttlichen zugewandt, nur auf fast oberflächliche Weise so ist (wie soll ich sagen?)... Das heißt, es ist immer noch fähig, die Ereignisse als "Katastrophen" zu empfinden. Man ließ mich alle Eventualitäten durchleben, die diesem Körper noch zustoßen können, wenn die Dinge fehlgehen oder die Menschen durch die gegnerischen Kräfte unter Druck gesetzt werden. Ich sah, wie sehr... All die schrecklichsten Möglichkeiten – wie sehr der Körper immer noch nicht... (unstörbare, reglose Geste). Mehrere Stunden lang war er wirklich, oh, gestört, krank durch den Schrecken der Möglichkeiten 6 . Doch er konnte all das dem Göttlichen darbieten und wirklich bewußt sagen: "Dein Wille."

Aber da war unsere Art Unfähigkeit, den göttlichen Willen wirklich zu kennen – vor allem für die Zukunft, morgen, das, was unmittelbar geschehen wird –, das war schrecklich. Wie sehr wir nichts wissen, wie absolut unwissend wir sind!

Ja, das fühle ich auch sehr stark. Ich fühle sehr stark, wie wir nichts wissen – wir wissen nichts!

Das geschah gestern nachmittag zwischen ein und zwei Uhr. Das war schrecklich, schlimmer als die Hölle – einfach die Feststellung, wie sehr man nichts weiß.

(Schweigen)

Es war eine sehr umfassende Erfahrung, denn es war nicht die Erfahrung einer Person sondern die der gesamten Menschheit. Ich sah auf ganz konkrete Weise, daß alle Menschen, die GLAUBTEN, sie wüßten und hätten die Erfahrung [des Göttlichen]... (schwankende Geste oberhalb des Kopfes) all das war sozusagen halbwegs. Wenn es nur ein klein wenig oberhalb unseres gewöhnlichen Bewußtseins ist, haben wir sofort den Eindruck, das Göttliche berührt zu haben.

Und diese gestrige Erfahrung führte nicht zu einem Wissen; sie führte zu... (Mutter öffnet die Hände in einer Geste der Selbstaufgabe).

Die individuelle Existenz – die Existenz – erscheint als eine so schreckliche, so fürchterliche Angelegenheit!... (Mutter ringt nach Atem)

Und gleichzeitig das sehr klare Bewußtsein, daß dies nicht eine einzige Existenz in einem materiellen Körper ist: es ist die persönliche, individuelle Existenz, die sich über alle Zeiten hinweg fortsetzt (unendliche Geste nach vorn). Die Lösung war (Geste, die Hände geöffnet): sich hinzugeben, ohne den Ehrgeiz zu haben, sich zu vereinen, ohne die Illusion zu haben, die Vereinigung zu spüren. In der Art. Eine totale Selbstaufgabe.

Der Tod ist keine Lösung! GANZ UND GAR NICHT. Es gibt keine Lösung, außer... außer wenn... was? (Mutter berührt ihren Körper, die materielle Transformation andeutend) Vielleicht dann, wenn man bereit ist – falls man bereit ist.

Das war unvorstellbar schrecklich.

Ich kam dort heraus. Aber ich kam so heraus (Geste offener Hände).

Eine Anstrengung – eine etwas aufrichtigere Anstrengung – und eine etwas aufrichtigere Realisation: Was Du willst.

(Mutter geht in ein lächelndes Schweigen)

 

1 Durch einen Beschluß vom 26. Juni 1971.

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2 Ein Zentrum des Ashrams in Kalkutta.

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3 Die Bronzestatue wurde vom Bildhauer Hrishikesh Dasgupta geschaffen und am 16. August 1975 vom indischen Vizepräsidenten B.D. Jatti eingeweiht.

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4 Streik der Studenten, öffentliche Manifestationen, Protestmärsche gegen die "Sri Aurobindo Universität", die man zur Jahrhundertfeier einweihen wollte. Man fand sogar Slogans an den Mauern der Tennisplätze des Ashram: "Sri Aurobindo, the head of thieves and scoundrels" ["Sri Aurobindo, der Anführer von Dieben und Schuften"]. Tatsächlich war es der Ausdruck des Zornes gegen die Geschäftsleute und Kaufleute des Ashrams. Anstatt des Namens Sri Aurobindos ("einem Fremden") wollten die Studenten den Namen Gandhis oder eines tamilischen Heiligen oder sogar des Staatsministers nehmen.

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5 "Man muß Vertrauen in den Meister unseres Lebens und unserer Arbeit haben, auch wenn Er sich für lange Zeit verbirgt. Dann wird Er zu Seiner eigenen richtigen Zeit Seine Gegenwart offenbaren."

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6 Im Hof hörte man Mutter vor Schmerzen stöhnen.

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