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Mutters

Agenda

zwölften Band

24. November 1971

Ich habe immer noch den Eindruck, daß ich dir etwas sagen wollte...

(Mutter versucht vergeblich, sich zu erinnern. Dann geht Satprem zur Lektüre mehrerer Briefe von Sri Aurobindo über, darunter der folgende an einen moslemischen Schüler, der den Ashram verlassen wollte, um ausschließlich seinen Islamismus zu praktizieren, wobei er seinen jüngeren Bruder X und seine Schwester Y gegen ihren Willen mitnehmen wollte:)

...Was X und Y betrifft, hast du keinerlei Anspruch auf sie und kein Recht, ihre Gedanken und Handlungen zu bestimmen. X ist alt genug, selber zu wählen und zu entscheiden; er kann für sich selbst denken und handeln und braucht deiner nicht, für ihn zu denken und zu handeln. Du bist weder sein noch Ys Wächter; du bist nicht einmal das Familienoberhaupt. Mit welcher Berechtigung beanspruchst du zu entscheiden, wohin er gehen und wo er sich aufhalten soll? Dein Anspruch für ihn oder sie Verantwortung vor Gott zu übernehmen, ist eine arrogante und groteske Absurdität. Jeder ist für sich selbst vor Gott verantwortlich, es sei denn, er beschließt freiwillig, jemand anderem, dem er vertraut, die Verantwortung zu übertragen. Niemand hat das Recht, sich anderen gegen ihren freien Willen als religiöser oder spiritueller Führer aufzuzwingen. Du hast überhaupt keinen Anspruch darauf, X und Y in ihrem inneren oder äußeren Leben Anordnungen zu geben. Dies ist wieder die Verwirrung und Zusammenhanglosigkeit deines gegenwärtigen Geisteszustandes, der dich davon abhält, diese einfachen und offensichtlichen Tatsachen zu erkennen.

Du sagst wiederum, du suchest nur nach Wahrheit, und dennoch sprichst du wie ein engstirniger und unwissender Fanatiker, der es ablehnt, an etwas anderes als die Religion zu glauben, in die er geboren wurde. Jeder Fanatismus ist falsch, denn er steht im Gegensatz zur wahren Natur Gottes und zur Wahrheit. Wahrheit kann nicht in ein einziges Buch – sei es die Bibel oder die Veden oder der Koran – oder in eine einzige Religion eingeschlossen werden. Das göttliche Wesen ist ewig und universal und unendlich und kann nicht das alleinige Eigentum der Moslems oder der semitischen Religion sein – jener, die sich in einer Linie mit der Bibel befanden und jüdische oder arabische Propheten als Gründer hatten. Hindus und Konfuzianer und Taoisten und alle anderen haben das gleiche Recht, mit Gott in Verbindung zu treten und die Wahrheit auf ihrem eigenen Weg zu finden. Alle Religionen tragen eine Wahrheit in sich, aber keine hat die ganze Wahrheit; alle wurden zu einer bestimmten Zeit geschaffen und schwächen sich allmählich ab und verschwinden. Mohammed selbst behauptete niemals, daß der Koran Gottes letzte Botschaft sei und es danach keine anderen geben werde. Gott und die Wahrheit überdauern diese Religionen und manifestieren sich neu, welchen Weg oder welche Form auch immer die göttliche Weisheit wählt. Du kannst Gott nicht in die Begrenzungen deines eigenen kleinen Gehirns einschließen oder der göttlichen Macht oder dem Bewußtsein auftragen, wie und wo es sich manifestieren soll; du kannst deine kleinen Barrieren nicht gegen die göttliche Allmacht errichten. Das sind wieder einfache Wahrheiten, die jetzt in der ganzen Welt anerkannt werden; nur die im Geiste Kindischen oder diejenigen, die in einer alten Formel dahinvegetieren, leugnen das ab.

Du hast darauf bestanden, daß ich schreibe und hast um Wahrheit gebeten, und ich habe geantwortet. Aber wenn du ein Moslem sein willst, hält dich niemand davon ab. Wenn die Wahrheit, die ich dir bringe, zu groß für dich ist, um sie zu verstehen oder zu ertragen, bist du frei, zu gehen und in Halbwahrheit oder in deiner eigenen Unwissenheit zu leben. Ich bin nicht dazu da, irgend jemanden zu bekehren; ich predige der Welt nicht, zu mir zu kommen, und ich rufe niemanden. Ich bin hier, um das göttliche Leben auf Erden und das göttliche Bewußtsein in denen zu errichten, die von selbst in sich den Ruf spüren, zu mir zu kommen und die sich daran halten und an nichts anderes. Weder ich noch die Mutter bitten dich, uns anzunehmen. Du kannst jeden Tag fortgehen und entweder ein weltliches Leben führen oder ein religiöses Leben entsprechend deiner eigenen Vorliebe. Aber da du frei bist, steht es auch den anderen frei, hier zu bleiben und ihren eigenen Weg zu gehen...

23. Oktober 1929
Sri Aurobindo
On Himself, XXVI.482

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(In einem anderen Brief antwortet Sri Aurobindo einem Journalisten, der nach 27 Jahren einen Artikel über "Das Ideal des Karmayogin" verfassen wollte. Dieses Buch wurde aus einer Reihe von politischen Artikeln zusammengestellt, die Sri Aurobindo 1909 und 1910, während er den Kampf gegen die Engländer führte, in der Zeitschrift "Karmayogin" veröffentlichte.)

Ja, ich habe es gesehen, aber ich denke nicht, daß es in der gegenwärtigen Form veröffentlicht werden kann, da es den politischen Aurobindo der damaligen Zeit bis zum Sri Aurobindo der gegenwärtigen Zeit verlängert. Du behauptest sogar, daß ich das Buch "gründlich" überarbeitet habe und diese Artikel ein Spiegel meiner neuesten Ansichten zu den brennenden Problemen von heute seien, und es habe in 27 Jahren keine Änderung meiner Ansichten gegeben (was sicherlich einen recht unfortschrittlichen Geist beweisen würde). Wie kommst du auf all das? Mein spirituelles Bewußtsein und Wissen der damaligen Zeit waren nichts im Vergleich zu dem, was sie jetzt sind – wie könnten diese Veränderungen meine Ansicht über Politik und Leben völlig unverändert lassen?...

21. April 1937
Sri Aurobindo
On Himself, XXVI.372

Das ist sehr wichtig – sehr wichtig.

Ich wußte es, aber niemand glaubte mir. Er hatte seinen Gesichtspunkt völlig geändert.

Ich bin froh.

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