Mutters
Agenda
zwölften Band
Nichts Neues von deiner Seite?
Ich bin dabei, eine neue Person zu werden... Aber...
Es ist interessant.
(Mutter geht in sich)
Verstehst du, ich erlebe gerade die Transformation der Natur. Wenn ich nichts zu tun habe und sehr ruhig bleibe, ist das sehr deutlich. Ich sehe drei Dinge: die Natur, die sich transformiert, oder vielmehr die neue Natur, sozusagen die supramentale Art und Weise, die Dinge zu sehen (das wird immer klarer – es bleibt nur noch die Erinnerung an die alte Natur, die immer schwächer wird, so daß es fast unglaublich und phantastisch erscheint, so gewesen zu sein). Dann ist da der physische Verfall, der vom Alter herrührt: zum Beispiel die physische Unfähigkeit, das zu tun, was ich früher tat, der alternde Körper – doch diese Alterung ist REIN physisch, das heißt, ich bleibe den ganzen Tag da sitzen und habe Schwierigkeiten, mich zu bewegen, Dinge dieser Art, aber im Hinblick auf die Wahrnehmung oder das Bewußtsein besteht keine Minderung, im Gegenteil: das wird immer klarer und präziser. Aber ich habe zum Beispiel Schwierigkeiten zu sprechen (Mutter berührt ihren Brustkorb, sie ist außer Atem), es ist schwierig für mich zu sprechen; ich kann nicht frei sprechen, das ist schwierig. Dinge dieser Art. Das ergibt drei Dinge.
Wenn ich sehr ruhig bleibe (nachts zum Beispiel), wird das neue Bewußtsein immer klarer, aber es kann sich noch nicht leicht durch Worte ausdrücken, denn... es ist eine Art von... (wie soll ich sagen?), es ist fast wie ein neues Mental, das sich formt (aber es ist nicht mental). Das Sprechen, die Worte... sind ein schlechtes Mittel, während die direkte Kommunikation immer präziser und stärker wird. Deshalb kann ich nicht sprechen. Das ist rein physisch. Aber die Basis für das Gleichgewicht, d.h. für die physische Gesundheit, ist dabei, sich zu verändern, das heißt, sie verlagert sich: Das, was die Bedingung für eine gute Gesundheit war, ist es fast gar nicht mehr und wurde durch diese andere Bedingung ersetzt, die sich einzurichten beginnt, aber noch nicht da ist. Alles ist eben dabei... (ungefestigte Geste), alles ist nicht mehr dies und noch nicht das. So ist das. Es ist unaussprechlich. Deshalb kann ich es nicht ausdrücken.
(Schweigen)
Ich sehe das auf sehr interessante Weise in meiner Art, die Dinge zu verstehen; zum Beispiel, was Sri Aurobindo geschrieben hat, das ist jetzt GANZ anders... Fast als hätte man vorher durch einen Vorhang geschaut, und jetzt ist dieser Vorhang dabei zu verschwinden – er ist noch nicht vollständig gefallen, aber er ist nicht mehr ganz da.
Aber du siehst, das Sprechen nimmt mir den Atem – ohne besonderen Grund, nur weil... weil es nicht mehr natürlich ist.
(Schweigen)
Die Art und Weise, Zeit und Raum wahrzunehmen, wird ganz anders. Sie ist dabei, sich völlig zu verändern. Begriffe wie Zeit und Raum, Objektivität und Subjektivität – ob die Dinge konkret sind oder nicht –, all das scheinen Mechanismen gewesen zu sein, Mittel, um das Bewußtsein auf eine neue Seinsweise vorzubereiten.
Die Funktionsweise des Bewußtseins beginnt sich zu verändern. Aber ich kann es nicht erklären.
(Schweigen)
Und was das Sehen betrifft, so sehe ich manchmal besser mit geschlossenen Augen als mit offenen Augen, und es ist DASSELBE Sehen: das physische Sehen, rein physisch; aber ein Physisches, das... vollständiger zu sein scheint, ich kann es nicht ausdrücken. Zum Beispiel, wenn ich schreibe: manchmal sehe ich mit geschlossenen Augen deutlicher, was ich schreibe, wo ich schreibe, als mit offenen Augen – und es ist dasselbe, was ich sehe, aber ich sehe es... (wie soll ich sagen?... man kann dies wortreich umschreiben, aber das mag ich nicht). Als wäre das, was man sieht, vollständiger, und es ist dasselbe, aber es enthält mehr als die rein physische Sicht.
Ich schreibe jeden Tag Geburtstagskarten, und Sri Aurobindo... Ich wollte sagen, ich habe den Eindruck, als ließe Sri Aurobindo mich schreiben, aber so ist es nicht, es ist noch viel besser!... Wenn ich zu schreiben beginne, schließe ich die Augen und sehe besser, was ich schreibe. Champaklal gibt mir jeweils die Karten, und er sagte mir, daß ich manchmal drei oder vier Karten mit fest geschlossenen Augen schreibe, und die Schrift ist viel gerader und näher an der Stelle, wo sie sein soll.
Dahinter steht kein persönlicher Wille, keine persönliche Anstrengung, es ist... spontan. Folglich...
Dann ist da ein gewisses "Etwas", das sich im Körper geformt hat, um das Mental zu ersetzen, das verschwunden ist, und das seine mentalen Ausdrucksweisen hat, aber es ist sehr unvollkommen. Und für dieses "Etwas" erscheinen die mentalen Wahrnehmungen so dünn – wie eine Rinde, eine Rinde von etwas –, es ist vertrocknet, dahinter steht kein wahres Leben.
Aber da ist vor allem die Schwierigkeit zu sprechen (Mutter berührt ihre Brust). Ich weiß nicht, ich habe die gleiche Schwierigkeit beim Essen. Ich glaube nicht, daß es die Auswirkung des Alters ist, denn ich fühle mich stark: ich spüre die Kraft, es ist keine Müdigkeit, ich fühle mich gar nicht müde – es ist... eine Veränderung. Aber das Alter erscheint als... eine "vernünftige" Erklärung dafür. Und dann (lachend), ich weiß nicht, ob es gestern oder vorgestern war, plötzlich verstand ich, als ließe Sri Aurobindo mich verstehen, daß es in diesem fortgeschrittenen Alter gekommen ist, um den Anschein von Vernunft zu erwecken, aber daß dies so ist, um... um mir (in meinen Beziehungen zu den Leuten) das Maximum an Ruhe zu geben.
Ich kann das nicht erklären.
Im Wesentlichen sind die Dinge, was sie sein sollen, aber das menschliche Bewußtsein ist so... (wie soll ich sagen?) so dürftig: es fehlt ihm etwas, was bewirkt, daß wir die Dinge nicht so sehen, wie sie sind, und nicht so fühlen, wie sie sind.
Was das Hören betrifft, so habe ich etwas beobachtet: Jemand sagt mir zum Beispiel etwas mit sehr lauter Stimme, indem er viel Lärm macht – und ich verstehe NICHTS; während ich ein anderes Mal ein Geräusch, das die anderen nicht einmal wahrnehmen, sehr klar höre. 1... Ich brauche eine gewisse BEWU&Szlig;TE Atmosphäre, um zu hören, und diese Atmosphäre wird von den meisten gar nicht wahrgenommen.
1 Hier war das Tonband zu Ende, und Satprem hatte eine Reaktion von Besorgnis, die Mutter gleich bemerkte (sie spricht mit geschlossenen Augen), und sie unterbrach das Gespräch. Tatsächlich konnte Mutter nur in einer völlig transparenten Atmosphäre sprechen.