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Mutters

Agenda

dreizehnten Band

2. August 1972

Die "Formation des Todes"

Seit Beginn dieses Jahres 1972 und tatsächlich sogar schon in einem Gespräch am 8. September 1971 hatte Mutter mehrmals von der "Formation des Todes" gesprochen, mit der sie konfrontiert wurde. Auch im folgenden Gespräch geht es darum.

Im okkulten Sprachgebrauch bedeutet "Formation" einen machtvoll geformten Gedanken oder eine Konzentration von Kraft mit einem festgelegten Ziel und einer dauerhaften eigenen Existenz. Diese Formationen können negativ oder positiv sein: so gelangen Wünsche und Begierden und lange gehegte Vorstellungen eines Tages zu ihrer glücklichen oder unglücklichen Verwirklichung im Leben. Dieser Tag und dieser Erfolg oder "Unfall" waren lange vorbereitet worden durch unbedeutende kleine Gedanken, die sich stets wiederholten und schließlich ihren Krebs oder ihren glänzenden Erfolg auslösen. Nun war Mutter, die schon lange nicht mehr "dachte" und schon lange nichts mehr "wollte" – außer das "was Du willst" –, unendlich empfindlich gegenüber allem, was von außen kam, denn es gab kein "Außen", und sie badete direkt und unmittelbar in allem, was kam: sie "war" in den anderen. Ihr Körper war schrecklich empfindlich geworden, wie sie sagte: "Er muß vor allen ankommenden Dingen beschützt werden – als müsse er innen arbeiten, wie in einem Ei." (26. Februar)

Wir sind auf der Suche nach dem, was sich am 17. November 1973 ereignete, dem Warum der Dinge. Die "Tragödie" ist nicht eine Minute oder eine Stunde der Geschichte sondern all die Tage und die kleinen Minuten, die jene andere Minute vorbereitet oder unabwendbar gemacht haben. Wie ich früher sagte, war ich an jenem 18. November 1973 wie vom Donner gerührt, und ich war zweifellos der blindeste aller Akteure, die in dieser Tragödie eine Rolle spielten. Alle schienen im voraus zu wissen, daß sie sterben würde, zumindest die Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung. Und in diesem "Vorauswissen" steckt eine schreckliche Folgerung, denn genau dort lauert die "Formation des Todes", die Mutter täglich in sich aufnahm – "ein ständiges Unbehagen", sagte sie – und all diese kleinen Minuten bilden die Ursache des Geschehens um 19:25 am 17. November 1973.

Es gibt keinen besseren physischen Zeugen als Pranab, Mutters "Wächter", denn er war physisch fast immer da und schlief sogar in Mutters Zimmer. Über die Ursachen von Mutters Dahinscheiden befragt, erklärte er folgendes in einer öffentlichen Rede am 4. Dezember 1973:

"Einerseits mußte sie gegen den Beginn von Verfall und Alter kämpfen und andererseits gegen den Schmutz, den wir ständig auf sie häuften. Aber noch mehr halte ich den versagenden Körper verantwortlich für das Geschehen. Oft sah ich, wie sie diesen Kräften entgegenzuwirken versuchte, doch als sie sah, daß sie sich nicht mehr gut konzentrieren konnte, nicht viel sprechen und schreiben konnte, nicht viele Leute sehen konnte, nicht tun konnte, was sie wollte, weil der Körper versagte, und der Schmutz und Staub, den wir auf sie häuften, immer mehr wurde, fühlte und sah ich eine Art Verzweiflung ..."

Wir kennen das nur allzugut: sie hielten sie für alt und unfähig. Aber Pranab fügte folgendes hinzu, was plötzlich das Ausmaß der wirklichen Tragödie zeigt – man könnte fast sagen, den Schrecken, dem Mutter in ihrem Körper ins Gesicht blicken mußte. Hier, was er sagt:

"Ich denke, sie bereitete mich schon seit recht langer Zeit ausreichend auf das vor, was jetzt eingetreten ist [November 1973]. Schon im Jahr 1948, als Sri Aurobindo noch lebte, sagte sie mir: "Ich möchte nicht gehen. Ich werde nicht weggehen, und dieses Mal wird es keine Tragödie geben. Aber falls es geschieht, daß ich meinen Körper verlasse, dann legt meinen Körper unter den "Service-Baum"."... Und kürzlich, ungefähr seit dem 15. August 1972, fühlte ich, daß dieser Fall vielleicht tatsächlich eintreten würde. Ich konnte es nicht jedem Beliebigen erzählen, aber zu meinen engen Mitarbeitern sprach ich über mein Empfinden. Nachher fühlte ich deutlich, daß es eintreten würde. Ich wehrte mich gegen diesen Gedanken, indem ich mir sagte, es dürfe nicht passieren. Aber hinter allem stand dieser Gedanke."

Mutter nahm also all diese Gedanken des Todes auf: "Sie WIRD sterben." Und für Mutter waren es keine "Gedanken": die Dinge waren "konkret" geworden. Ihr Körper, das Bewußtsein ihres Körpers fühlte sich IM Tod.

Wie in allen Tragödien der menschlichen Geschichte gibt es nicht "einen" Verantwortlichen. Die Personen sind nur die Verkörperung eines Typus dieser oder jener Kraft oder eines bestimmten Charakters – sie kommen und gehen, sie sterben, sie triumphieren und verschwinden –, aber die Kräfte bleiben und besetzen hier und da Millionen und Abermillionen von kleinen unbekannten Personen, die dennoch unsichtbare Akteure im Drama und stumme "Verantwortliche" sind. Da gibt es keinen Prozeß zu führen, niemand steht auf der Anklagebank, es sei denn die Millionen, zu denen wir alle gehören. Es wäre also absurd zu sagen, Pranab sei der Urheber oder der alleinige Urheber dieser Formation ("Wünsche, daß der Körper sterben möge, sind überall", sagte sie), aber er nahm die Formation auf und übertrug sie, und seine physische Gegenwart zwang Mutter, diesen Schrecken ständig einzuatmen. Trotzdem bleibt die quälende Frage, vielleicht die einzige: Hätte es anders sein können?

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(Schweigen)

Zwei Formationen stehen sich wie zwei Ringkämpfer gegenüber (Geste): eine Formation, daß ich an Sri Aurobindos Geburtstag sterben werde; die andere, daß ich gerade die notwendige Transformation durchmache, um das Übergangsstadium zwischen Menschheit und Supramental zu inkarnieren. Die beiden Formationen sind so... (die gleiche Geste der Konfrontation)...

Wenn diese Formation [des Todes] wahrgenommen wird, besteht ein Bewußtsein, wo zwischen dem Leben und dem physischen Tod so gut wie gar kein Unterschied besteht, in dem Sinne, daß jede beliebige Sache einen in jedem beliebigen Augenblick auf die andere Seite katapultieren kann. Und mit der anderen Formation besteht die Empfindung, daß... (wie soll ich sagen?) die Gebrechlichkeit des Körpers von der Tatsache herrührt, daß sich das Bewußtsein ändern muß, um das Supramental manifestieren zu können.

Ich bin einfach so (Geste zwischen den beiden).

Und der Körper hat gelernt, in jedem Fall ruhig zu sein.

(Schweigen)

Warum, warum sagt man mir nicht, was sein wird? Ich weiß es nicht... Ich glaube, das ist so, um einen sehr passiven Zustand zu bewahren.

(Schweigen)

Und du? Wie geht es dir?

Ich würde gern den Mechanismus der Transformation des Unterbewußten verstehen. "Auflösung" kann ich noch verstehen, aber "Transformation" fällt mir schwer. Bewegungen kommen, steigen an die Oberfläche (manchmal sieht man sie sogar in der vorhergehenden Nacht in einer bildhaften Form), sie steigen an die Oberfläche und rufen Störungen hervor, man meistert sie mehr oder weniger, sie treten mit dem Licht in Kontakt, und dann, hopp! sinken sie wieder zurück...

(Mutter nickt)

Und bei der ersten Gelegenheit tauchen sie wieder auf, und alles beginnt von vorn.

Ja, das ist unerträglich. Genau das gleiche geschieht mir.

Aber was tun?... Du scheinst zu sagen, daß es sich transformiert, wenn es mit dem Licht in Berührung kommt. Doch man hat den Eindruck, daß es sich ganz und gar nicht transformiert: es taucht unter und tritt bei der ersten Gelegenheit wieder hervor.

Nein, etwas transformiert sich, aber es geht extrem langsam...

(Schweigen)

Das ist, als verlange man von einem Stein, sich in Luft zu verwandeln.

(Schweigen)

Und was ich sehr erstaunlich finde, ist: Je mikroskopischer und kleiner die Sache ist, um so mehr Macht scheint sie zu haben.

Hier...

(Mutter nimmt Satprems Hände und geht bis zum Ende in sich)

in French

in English