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Mutters

Agenda

dreizehnten Band

7. April 1973

(Seit einigen Tagen empfängt Mutter fast niemanden mehr und bleibt in sich gekehrt. Das letzte Gespräch am 4. April verlief in völligem Schweigen. Mutter gibt uns Blumen, hält Satprems Hand und bleibt einen Moment schweigend. Sie ist so bleich...)

Ich scheine alle Widerstände der Welt zu vereinen... Einer nach dem anderen kommen sie, und wäre ich nicht... Wenn ich auch nur eine Minute lang nicht das Göttliche anrufe und in mir fühle, empfinde ich einen solch unerträglichen Schmerz, mein Kind! Inzwischen zögere ich sogar, den Leuten von "Transformation" zu erzählen, denn wenn dies das Resultat ist, dann muß man wirklich ein Held sein... Etwas im Körper möchte ununterbrochen aufschreien.

Dabei scheint es mir, daß bloß etwas ganz Einfaches getan werden müßte, damit alles gut geht... Aber ich weiß nicht, was.

(Schweigen)

Es ist seltsam, ich frage mich: "Möchte der Herr, daß ich fortgehe?" Ich bin quite willing... [durchaus bereit dazu] (das ist nicht der richtige Ausdruck); oder möchte er, daß ich bleibe?... Keine Antwort. Die einzige Antwort heißt stets: "Transformation." Und das...

Ich habe wirklich so stark den Eindruck, daß etwas Bestimmtes zu tun wäre, und alles ginge völlig gut – aber ich weiß nicht, was.

(langes Schweigen)

Und du?

Ich stelle mir dir bezüglich viele Fragen...

Dann stelle sie! Ich weiß nicht, ob...

Nein, Fragen, die DICH betreffen.

Mich?

Ich habe den Eindruck einer immer stärker beschleunigten Bewegung, die... dich absorbiert.

Ja, ja, das stimmt.

Verstehst du, ich hätte eine Lösung für die Transformation des Körpers, aber das ist... So etwas hat noch nie stattgefunden, deshalb ist es so... unglaublich. Ich kann nicht glauben, daß dies die Lösung ist. Aber es ist die einzige, die ich sehe... Der Körper möchte einschlafen ("einschlafen" auf eine bestimmte Weise: ich bin völlig bewußt im Bewußtsein, in der Bewegung) und erst dann wieder aufwachen, wenn er transformiert ist...

(Satprem, ohne Worte:) Dornröschen!

...aber die Leute würden niemals die nötige Geduld aufbringen, um ihn zu unterstützen und für ihn zu sorgen. Das ist eine kolossale Arbeit, eine Herkulesarbeit; sie sind lieb (Mutter deutet auf das Badezimmer), sie tun ihr Bestes, und ich kann nicht noch mehr von ihnen verlangen.

Da liegt das Problem.

Dies ist das einzige, wo das Bewußtsein sagt: "Ja, das ist es."

Du verstehst also... Es gibt einen Zustand – einen Zustand, ja, der so ist (Mutter schließt ihre Faust) in sich selbst absorbiert, wo man... in Frieden ist.

Aber wer, wer? Das von den Leuten zu verlangen, die sich um mich kümmern, ist fast unmöglich.

Ich weiß nicht, seit einiger Zeit habe ich den Eindruck, daß du auf dem Wege bist, dich "zurückzuziehen", daß du immer mehr absorbiert bist und für eine gewisse Zeit einfach äußerlich so wenig Kontakt wie möglich haben solltest.

Ja. Ja, aber alle würden glauben, daß... das Ende gekommen sei, und man wird sich nicht mehr um mich kümmern.

Oh, hör zu! Nein, nein!

(Sujata:) Nein!...

(Satprem:) Das ist unmöglich! – man wird verstehen. Einige werden jedenfalls verstehen.

Wie?

Einige werden verstehen – besonders jene, die hier sind.

Jene, die da sind, können verstehen.

Ja... Aber ich bin sicher, daß sie verstehen.

Ich kann es ihnen nicht sagen.

Aber das kann man ihnen sagen – ich kann es ihnen sagen.

Ja... Wird er 1 dir glauben?

(Verblüfft:) Nun, ich denke doch!

(Sujata:) Und dann sind sie hier, sie hören.

(Satprem:) Aber ich spüre das. Sicherlich hast du immer weniger Lust, Kontakt mit einer Menge äußerer Angelegenheiten zu haben, die unnütz für die wesentliche Arbeit sind.

Aber es muß... es muß... (Mutter ringt nach Atem und stöhnt – Schweigen).

Er wird kommen. Wenn du lange genug bleibst, wird er kommen, du wirst es ihm sagen können.

Pranab?... Ja.

Ich könnte – vielleicht könnte ich ihm sagen: "Ich habe Satprem gebeten, dir zu erklären ..." Und du wirst ihm das gut erklären.

Ja, ja, liebe Mutter, sicherlich.

Ich kann dir sagen, daß sie schon jetzt wirklich wunderbar sind; sie tun ihr Bestes, deshalb wage ich nicht, ihn zu fragen. Du kannst ihm sagen, was ich dir gesagt habe.

Ja, liebe Mutter.

(Schweigen)

Ich erwecke den Anschein... (lächelnd) "fanciful" [launisch] zu sein, ich scheine von Launen beherrscht zu sein: ich sage "ja", und kurz darauf sage ich "nein". Da haben sie den Eindruck...

Nein, nein, liebe Mutter! Nein.

Der Kopf, das Bewußtsein ist klar, klar, klar... Aber ich kann nicht mehr sprechen.

(langes Schweigen)

Wenn er kommt, laß es mich wissen, denn ich will es ihm sofort sagen.

Ja, liebe Mutter.

(Mutter will in sich gehen, dann merkt sie, daß sie Blumen für Sujata auf ihrem Schoß hat. Sujata nähert sich und gibt ihr einen Lotos)

Und das?

Das ist ein weißer Lotos, Mutter 2 .

Ach!... (Mutter gibt Satprem den Lotus) Hier.

Was hast du lieber: meine Hand zu nehmen [um zu meditieren] oder nicht?

Im Gegenteil, ich habe es gern, wenn du meine Hand hältst!

Hast du es gern?

Ja, halte mich FEST.

Gut.

(Mutter geht in sich)

Was fühlst du: daß ich dir Kräfte entziehe oder daß ich dir welche gebe?

(Satprem etwas erstickt:) Aber du erfüllst mich! Du... erweiterst mich, du beglückst mich!

Ach, gut!

Aber Mutter, es ist eine...

Es ist im Bewußtsein, das weiß ich – es hängt von der Empfänglichkeit ab.

Es ist eine außerordentliche Gnade!

(Mutter geht wieder in sich, um dann plötzlich zurückzukommen und mit einem Ton wie von oben zu sprechen)

Wenn ich dich bitte, häufiger zu kommen, kannst du das einrichten?

In jedem beliebigen Augenblick, Mutter, jederzeit!

Jeden Tag.

Ja, Mutter.

So gegen elf Uhr.

Ja, liebe Mutter 3 .

Natürlich kommt sie mit dir, wenn sie will.

(Mutter geht in sich)

(Pranab tritt ein. Die Assistentin, die das ganze Gespräch mitgehört hatte, teilt ihm kurz mit, Satprem wolle ihm auf Mutters Geheiß hin etwas erklären. Unmittelbarer Zornesausbruch. Man hört Pranab vom Zimmerende brüllen:)

(Pranab auf Bengali:) Unsinn! Niemand kann mich täuschen. Ich weiß alles.

(Dann auf Englisch, einen bengalischen Spruch zitierend:) Unser Bett ist die See, was kümmert uns der Tau?

(Mutter tritt aus ihrer Konzentration heraus und sagt zu Satprem:)

Sag mir, wenn du müde bist.

(Satprem:) Nein, Mutter, Pranab ist hier.

Oh, er ist hier. Ruf ihn! 4

(Pranab in einem schrecklichen Ton:) Ja, Mutter?

Ich habe... Ich kann nicht sprechen.

(Pranab:) Sprich nicht, Mutter! [die Assistentin lacht]

Ich habe Satprem gebeten, dir zu erklären, was geschieht – warum ich eine Veränderung durchmachen muß...

(Pranab:) Mutter, das interessiert mich nicht, Mutter.

Nein?

Das interessiert mich nicht – was immer geschehen mag, geschieht. Ich bin dazu da, bis zuletzt durchzuhalten – was immer geschehen mag, geschieht.

(Mutter versucht zu sprechen, Pranab unterbricht sie)

... Ich suche keine Erklärungen oder sonst etwas. Und ich will auch nicht zuhören, Mutter. [Die Pflegerin lacht] Ich verstehe vollkommen. Und laß mich in meinem eigenen Licht weitergehen – mit meiner eigenen Überzeugung, meinem eigenen Glauben, meiner eigenen Kraft, meinem eigenen Willen. [Pranab hebt seinen Kopf, als spreche er zu einer Menge.] Und ich will nichts hören, Mutter, nichts, von niemandem.

Aber willst du nicht wissen,...?

Nein, Mutter, ich will nicht.

(Schweigen
Mutter ist vollkommen still
mit auf ihren Knien gefalteten Händen)

(Pranab:) Es ist völlig in Ordnung. Ich bin mit etwas gekommen, ich stehe zu etwas, und wenn es sich nicht erfüllt, macht mir das nichts aus – ich bin ein Sportler, Mutter. Und ich will keine Erklärungen hören. Wenn das Ziel, für das ich gekommen bin, sich nicht materialisiert, kommt das für mich aufs gleiche hinaus, egal ob irgendeine Erklärung abgegeben wird.

Nein, aber der Versuch wird unternommen, den Körper zu transformieren...

(Pranab:) Das wird geschehen – wenn es geschieht, werden wir sehen, Mutter... Warum versuchen, das vorauszusagen?

(Satprem:) Nein, nein, inzwischen muß sie vielleicht für das Werk in eine Art inneren Schlaf gehen...

(Pranab:) Laß sie gehen! Was ist da schon dabei!

(Satprem:) Deshalb müssen wir...

(Pranab:) Das hat sie mir schon gesagt. Vor langer Zeit hat es mir Mutter gesagt. Das ist nichts Neues, Mutter. Du hast mir das schon gesagt, es mir erklärt.

Dann ist es gut.

(Pranab:) Ich will gar nichts hören, Mutter. Laß es geschehen! Was geschehen soll, wird geschehen, und wir werden unser Bestes tun. Das ist alles.

(Satprem:) Nein, die Sache ist, daß die Leute sie nicht zu sehr stören sollten.

(Hier explodiert Pranab. Halb stehend, halb kniend, seine Faust auf einem Knie, gießt er einen Sturzbach auf Mutter:)

(Pranab:) Wer stört sie? Wenn irgend jemand unter uns dich stört, Mutter, kann er machen, daß er verschwindet! [Die Pflegerin lacht] Niemand stört.

(Satprem, entsetzt 5:) Nicht doch!...

(Mutter versucht etwas zu sagen, Pranab unterbricht sie:)

(Pranab:) Mutter, tu es nicht, sag nichts! Mach du so weiter: Iß, schlaf und arbeite, und versuch nicht, irgend jemanden dazu zu bringen, mir etwas zu erklären. Ich weiß, was es ist, ich weiß alles.

Besser alle halten den Mund!

Ist ja gut.

(Pranab:) Ich will von niemandem etwas hören.

Gut.

(Pranab geht ans andere Zimmerende. Er schimpft weiter und wendet sich an Dr. Sanyal, Champaklal, Mutters Pflegerin und Vasudha, die alle anwesend sind)

(Pranab:) Ich habe meinen Glauben, ich habe meine Überzeugung, ich habe meine Aufgabe, und selbst, wenn ich nicht durchsehe...

(Satprem zu Mutter:) Soll ich morgen um elf kommen, Mutter?

(Pranab:) All diesen Unsinn mag ich nicht.

(Mutter zu Satprem:) Ja, mein Kind, du wirst etwas früher fortgehen [vor Pranabs Ankunft]... das ist alles.

(Satprem:) Soll ich um elf kommen oder etwas früher?

Für eine kurze Zeit bis 11:25.

(Satprem:) Gut, Mutter. Einverstanden, Mutter, auf Wiedersehen, Mutter!

(Pranab:) Alle, die sich wichtig tun wollen, mögen das tun.

(Satprem steht auf, um wegzugehen, Mutter nimmt seine Hand. Ihre Stimme gleicht der eines Kindes)

Danke!

(Pranab:) Viele Leute spielen sich auf – ich glaube, die meisten von ihnen.

(Sujata legt ihre Stirn auf Mutters Schoß)

Mein Kind...

(Satprem mit erstickter Stimme:) Auf Wiedersehen, Mutter!

(Pranab:) In dreißig Jahren habe ich genug gesehen – genug Unsinn!

*
*   *

(Satprem verläßt das Zimmer. Er hält den weißen Lotos fest in seiner Hand. Etwas Schreckliches ist geschehen – er weiß nicht, was. Das war kein Mensch, der in diesem Zimmer stand... Auf dem Weg nach draußen trifft er Sujatas Bruder und sagt ihm spontan, als habe er plötzlich alles gesehen: "Eines Tages werden sie uns Mutters Tür verschließen.")

 

1 Satprem hatte gehört: "Werden SIE dir glauben." Aber es ist "er" = Pranab.

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2 Der weiße Lotos der göttlichen Mutter (der rosafarbene Lotos ist Sri Aurobindos Blume).

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3 Nach einer Intervention von Mutters Assistentin ("es sind noch zu viele Besuche"), und vielleicht noch von anderen Leuten aus der Umgebung, wurde Mutters Anweisung "jeden Tag" auf dreimal in der Woche reduziert, dann auf zweimal und schließlich auf nichts.

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4 Der Rest des Gesprächs verlief auf englisch. Die vollständige Tonbandaufnahme ist auf Kassette erhältlich.

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5 Entsetzt darüber, was auf Mutter geworfen wird.

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