Sri Aurobindo
Das Göttliche Leben
Buch 1
Kapitel XVII. Die Göttliche Seele
Wie sollte er, dessen
Selbst zu allen Wesen im Dasein geworden ist, da er das Wissen besitzt,
getäuscht werden, und worüber soll er Kummer haben, er, der überall das Einssein
schaut?
Isha Upanishad, Vers
Durch die Auffassung, die wir uns vom Supramental
gebildet haben, indem wir es dem Mentalwesen gegenüberstellten, auf das sich
unser menschliches Dasein gründet, können wir uns eine genaue, nicht bloß vage
Vorstellung von Göttlichkeit und dem göttlichen Leben bilden. Wir wären sonst
dazu verurteilt, diese Ausdrücke verschwommen und als ungenaue Bezeichnung für
ein weites, fast unausdrückbares Streben zu gebrauchen. Darüber hinaus können
wir nun diesen Ideen eine feste Grundlage philosophischen Vernunft-Denkens
geben. Wir können sie in klare Beziehung zum menschlichen Wesen und Leben setzen
- das alles ist, woran wir uns gegenwärtig erfreuen – und können unsere Hoffnung
und unser Streben gerade durch die Eigenart der Welt, unserer eigenen kosmischen
Vorfahren und die unausweichliche Zukunft unserer Evolution rechtfertigen. Wir
fangen an, intellektuell zu begreifen, was das Göttliche Wesen, die Ewige
Wirklichkeit, ist, und zu verstehen, wie die Welt aus ihm entstand. Wir
verstehen auch immer besser, wie das, was aus dem Göttlichen Wesen kam,
unvermeidlich zu ihm zurückkehren muß. Nun können wir uns mit Aussicht auf
Gewinn für uns und eine klarere Antwort fragen, wie wir uns selbst umwandeln und
was wir werden müssen, um dorthin zu gelangen, in unserer Natur, in unserem
Leben und in unseren Beziehungen zu anderen und nicht nur durch einsame
ekstatische Realisation in den Tiefen unseres Wesens. Gewiß gibt es in unseren
Voraussetzungen noch einen Mangel. Denn wir haben uns bisher bemüht, für uns
selbst zu definieren, was das Göttliche Wesen in seinem Herniederkommen in die
begrenzte Natur ist, während das, was wir tatsächlich sind, das Göttliche Wesen
im individuellen Menschen ist, das aus der begrenzten Natur
zurück zu seiner eigenen wahren Göttlichkeit emporsteigt. Dieser Unterschied der
Bewegung muß auch ein Unterschied zwischen dem Leben der Götter, die niemals den
Absturz gekannt haben, und dem Leben des erlösten Menschen sein, der die
verlorene Göttlichkeit gewonnen hat und die Erfahrung und vielleicht auch die
neuen Reichtümer in sich trägt, die er sammeln konnte, indem er das
Herniederkommen bis in die äußersten Tiefen annahm. Trotzdem kann es keinen
Unterschied in den wesentlichen Eigenschaften geben, sondern nur in der äußeren
Prägung und Färbung. Auf der Grundlage unserer Schlußfolgerungen können wir
schon jetzt mit Gewißheit die wesentlichen Züge des göttlichen Lebens
darstellen, nach dem wir streben.
Wie würde nun das Dasein einer göttlichen Seele sein, die nicht durch den Absturz des Geistes in die Materie und durch die Verfinsterung der Seele durch die materielle Natur in die Unwissenheit herabgesunken ist? Wie würde ihr Bewußtsein sein, würde sie so, wie das Göttliche Sein selbst, in der ursprünglichen Wahrheit der Dinge, in der unveränderlichen Einheit, in der Welt ihres eigenen unendlichen Wesens leben, dabei aber fähig sein, durch das Spiel der Göttlichen maya und durch die Unterscheidung des (intuitiv) begreifenden und (logisch) erfassenden Wahrheits-Bewußtseins, ihre Verschiedenheit von Gott zugleich als Einheit mit Ihm zu genießen und im unendlichen Spiel des selbst-vervielfachten Identischen Verschiedenheit und dennoch Einheit mit anderen göttlichen Seelen zugleich zu umfassen?
Offensichtlich wäre das Sein einer solchen Seele durch
ihr Selbst stets im bewußten Spiel von saccidananda enthalten. Es wäre in
seinem Wesen reines und unendliches Selbst-Sein, in seinem Werden ein freies
Spiel unsterblichen Lebens, in das Tod, Geburt und Wechsel des Körpers nicht
eindringen, da die Seele nicht durch Unwissenheit verdunkelt und nicht in die
Finsternis unseres materiellen Wesens involviert ist. Ihr Sein wäre in seiner
Kraft reines, unbegrenztes Bewußtsein, gelassen in ewiger leuchtender Ruhe als
ihrem Fundament und doch fähig, frei mit Gestaltungen von Erkenntnis und Formen
von bewußter Macht zu spielen: ruhig, unbeirrt durch das Straucheln mentalen
Irrtums und die Mißgriffe unseres ringenden Willens, da sie nie von Wahrheit und
Einssein abweicht, nie aus dem ihr eingeborenen Licht und der natürlichen
Harmonie ihres göttlichen Seins herausfällt. Schließlich wäre sie in ihrer
ewigen Selbst-Erfahrung reine unveränderliche Seligkeit und in der Zeit eine
freie Variation von Entzücken, nicht beeinträchtigt, da in ihrem Wesen unzerteilt, durch unsere Verkehrtheiten wie Abneigung,
Haß, Unzufriedenheit und Leiden, nicht gehemmt durch Eigenwillen und nicht
entstellt durch den ignoranten Antrieb von Verlangen.
Das Bewußtsein der göttlichen Seele wäre aus keinem
Teil der unendlichen Wahrheit ausgeschlossen. Es wäre durch kein
Kräfte-Gleichgewicht und keinen Status, den sie in ihren Beziehungen zu anderen
annehmen könnte, begrenzt und zu keinem Verlust an Selbst-Wissen deshalb
verurteilt, weil sie rein phänomenale Individualität und das Spiel praktischer
Differenzierung angenommen hat. In ihrer Selbst-Erfahrung würde sie ewig in der
Gegenwart des Absoluten leben. Für uns ist das Absolute nur ein intellektueller
Begriff undefinierbaren Seins. Der Intellekt sagt uns einfach: Es gibt ein
brahman, das höher ist als das Höchste, paratpara, ein Unerkennbares,
das sich selbst erkennt auf eine andere Art als die unseres Erkennens. Aber der
Intellekt kann uns nicht in seine Nähe bringen. Da die göttliche Seele in der
Wahrheit der Dinge lebt, würde sie, im Gegensatz dazu, immer sich selbst bewußt
als Manifestation des Absoluten empfinden. Sie würde ihres unveränderlichen
Seins als der ursprünglichen “Selbst-Form”, svarupa, jenes
Transzendenten, des saccidananda, innesein. Sie würde ihr Spiel bewußten
Wesens gewahren als eine Manifestation von Jenem in Formen von saccidananda.
In jeder Art des Zustands oder Wirkens der Erkenntnis wäre ihr durch eine Form
veränderlichen Selbst-Erkennens das Unerkennbare gegenwärtig, das um sich selbst
weiß. In jedem Zustand und Wirken von Macht, Willen oder Kraft würde sie durch
eine Form bewußter Macht des Wesens und Wissens der Transzendenz bewußt sein,
die sich selbst besitzt. In jedem Zustand und Wirken von Seligkeit, Freude und
Liebe würde sie durch eine Form bewußten Erlebens ihres Selbsts der Transzendenz
innesein, die sich selbst umarmt. Diese Gegenwart des Absoluten würde für die
göttliche Seele nicht ein gelegentlicher flüchtiger Anblick sein oder einer, zu
dem sie schließlich nur mit Schwierigkeit gelangt und den sie als zusätzlichen
Gewinn oder als höchste Erfahrung festhält, die ihr über ihren gewöhnlichen
Seins-Zustand hinaus beschert wird. Sie wäre vielmehr die eigentliche Grundlage
ihres Wesens sowohl in der Einheit wie in der Verschiedenheit. Sie wäre ihr
gegenwärtig bei allem Erkennen, Wollen, Tun und Genießen, nie von ihr abwesend:
weder von ihrem zeitlosen Selbst noch von irgendeinem Augenblick in der Zeit,
weder von ihrem raumlosen Wesen noch von irgendwelcher Bestimmung ihres
ausgedehnten Daseins, weder von ihrer durch
keine Bedingungen beeinträchtigten Reinheit jenseits von Ursache und Umstand,
noch von irgendeiner Beziehung des Umstands, der Bedingung und Kausalität. Diese
ständige Gegenwart des Absoluten wäre also die Basis ihrer unendlichen Freiheit
und Seligkeit. Sie würde ihre Sicherheit im Spiel gewiß machen und ihr Wurzel,
Saft und Essenz ihres göttlichen Wesens gewähren.
Eine solche göttliche Seele würde ferner zugleich in den beiden Begriffen des ewigen Seins von saccidananda, in der untrennbaren Bi-Polarität der Selbst-Entfaltung des Absoluten leben, die wir das Eine und die Vielen nennen. Alles Seiende lebt in Wirklichkeit so. Für unsere geteilte Selbst-Bewußtheit gibt es etwas Unvereinbares, eine Kluft zwischen den beiden, die uns zu einer Entscheidung treibt, entweder in der Vielfalt zu leben, die verbannt ist aus dem unmittelbaren und vollständigen Bewußtsein des Einen, oder in der Einheit, die das Bewußtsein der Vielen zurückweist. Die göttliche Seele würde nicht unter diese Trennung und Dualität versklavt sein. Sie wäre in sich selbst sofort der unendlichen Selbst-Konzentration sowie der unendlichen Selbst-Ausdehnung und Ausbreitung bewußt. Sie würde zugleich das Eine gewahren, das in seinem unitarischen Bewußtsein die zahllose Vielfalt in sich enthält – als sei sie potentiell, unausgedrückt und darum für unsere mentale Erfahrung dieses Zustands nicht-existent – und das Eine, das in seinem ausgebreiteten Bewußtsein die Vielfalt enthält, nach außen geworfen und aktiv als das Spiel seines eigenen bewußten Wesens, Wollens und Seligseins. Die göttliche Seele wäre so in gleicher Weise der Vielen inne, die das Eine, das der ewige Ursprung und die Wirklichkeit ihres Daseins ist, immer zu sich herniederziehen, und jener Vielen, die, angezogen von dem Einen, immer zu ihm emporsteigen, weil es höchste Höhe und wonnevolle Rechtfertigung all ihres Spiels der Verschiedenheit ist. Diese weite Betrachtung der Dinge ist die Prägeform des Wahrheits-Bewußtseins, die Grundlage der großen Wahrheit und des Richtigen, die von den vedischen Sehern in ihren Hymnen gepriesen werden. Diese Einheit aller einander gegenüberstehenden Begriffe ist das wahre advaita, das höchste umfassende Wort der Erkenntnis des Unerkennbaren.
Die göttliche Seele wird jeder Variation von Wesen,
Bewußtsein, Willen und Seligkeit innesein als des Ausströmens, der Ausbreitung
und Ausgießung jener in sich selbst konzentrierten Einheit, die sich entfaltet –
nicht in Verschiedenheit und Zertrennung, sondern in eine andere, weit ausgebreitete Form unendlicher Einheit. Sie selbst wird in der
Wesenhaftigkeit ihres Seins immer im Einssein konzentriert und manifestiert sein
bei unterschiedlicher Ausdehnung ihres Wesens. Alles was in ihr selbst Form
annimmt, werden die offenbarten Potentialitäten des Einen sein: das Wort oder
der Name, die aus dem namenlosen Schweigen hervorschwingen; die Form, die die
formlose Wesenhaftigkeit verwirklicht; der aktive Wille oder die Macht, die aus
der ruhigen Kraft hervorgehen; der Strahl der Selbst-Kenntnis, der aus der Sonne
zeitlosen Selbst-Inneseins hervorbricht; die Woge des Werdens, die aus dem ewig
seiner selbst bewußten Sein in die Gestaltung eines selbst-bewußten Daseins
emporsteigt; die Freude und Liebe, die immer aus der ewigen stillen Seligkeit
hervorquellen. Das wird das in seiner Selbst-Entfaltung zwei-einige Absolute
sein, und jede Relativität in ihm wird sich selbst gegenüber absolut sein, da
sie ihrer gewahr wird als das manifestierte Absolute, jedoch ohne jene
Unwissenheit, die andere Relativitäten als ihrem eigenen Wesen fremd oder
weniger vollständig als sie selbst ausschließt.
in der Ausdehnung wird die göttliche Seele drei Grade
des supramentalen Seins wahrnehmen, jedoch nicht so, wie wir sie durch unser
Mental betrachten müssen, als verschiedene Grade, sondern als ein dreieiniges
Faktum der Selbst-Offenbarung von saccidananda. Sie wird sie in ein und
derselben intuitiv begreifenden Selbst-Realisation umfassen können, denn die
Fähigkeit zu solch einem umfassenden Begreifen ist die Grundlage des der
Wahrheit bewußten Supramentals. Sie wird in göttlicher Weise alle Dinge als das
Selbst begreifen, verstehen und erfühlen, als ihr eigenes Selbst, als das eine
Selbst aller, als das eine Selbst-Seiende und Selbst-Werden, jedoch nicht
aufgeteilt in seinen Werdeformen, da sie, losgetrennt von seinem eigenen
Selbst-Bewußtsein, kein Dasein besitzen. Sie wird in göttlicher Weise alle Wesen
im Dasein begreifen, verstehen und erfühlen als Seelen-Gestaltungen des Einen,
von denen jedes sein eigenes Wesen im Einen hat, seinen eigenen festen Stand im
Einen, seine eigenen Beziehungen zu allen anderen existierenden Wesen, die die
unendliche Einheit bevölkern, aber alle von dem Einen abhängen, eine bewußte
Form von Ihm in Seiner eigenen Unendlichkeit. Die Seele wird in göttlicher Weise
all diese Seienden begreifen, verstehen und erfühlen können in ihrer
Individualität, an ihrem besonderen Ort lebend als das individuelle Göttliche
Wesen, jedes den innewohnenden Einen und Höchsten besitzend. Darum ist keines nur eine Form oder Truggestalt, illusorischer Teil eines
wirklichen Ganzen, bloß schäumende Woge auf der Oberfläche eines unbeweglichen
Ozeans – das alles sind schließlich nur unangemessene mentale Bilder, sondern
ein Ganzes im Ganzen, eine Wahrheit, die die unendliche Wahrheit wiederholt,
eine Welle, die das ganze Meer ist, ein Relatives, das sich als das Absolute
selbst erweist, wenn wir hinter die Form schauen und es in seiner
Vollständigkeit sehen.
Denn diese drei sind Aspekte des Einen Seins. Der erste gründet sich auf jene Selbst-Erkenntnis, die, in unserer menschlichen Realisation des Göttlichen Wesens, von der Upanishad als das Selbst beschrieben wird, das in uns zu allen existierenden Wesen wird. Der zweite Aspekt ist das, was als das Schauen aller existierenden Wesen im Selbst beschrieben wird. Der dritte Aspekt des Einen Seins wird beschrieben als das Sehen des Selbsts in allen existierenden Wesen. Das Selbst, das zu allen existierenden Wesen wird, ist die Grundlage unseres Einsseins mit allen. Das Selbst, das alle Existenzen in sich enthält, ist die Basis für unser Einssein mit ihnen in der Verschiedenheit. Das Selbst, das alle bewohnt, ist die Grundlage für unsere Individualität im Universalen. Wenn der Mangel unseres Mentals, wenn sein Bedürfnis nach exklusiver Konzentration es zwingt, sich auf einen dieser Aspekte der Erkenntnis des Selbsts unter Ausschluß der anderen festzulegen, und wenn eine unvollkommene ebenso wie exklusive Realisation uns ständig dazu veranlaßt, in die eigentliche Wahrheit ein menschliches Element von Irrtum und in die umfassende Einheit ein Element von Konflikt und gegenseitiger Verneinung zu tragen, müssen sich diese Aspekte einem göttlichen supramentalen Wesen durch den wesenhaften Charakter des Supramentals, das umfassendes Einssein und unendliche Totalität ist, dennoch als dreifache, besser dreieinige Realisation darstellen.
Setzen wir voraus, diese Seele nimmt ihr Gleichgewicht,
ihren Mittelpunkt im Bewußtsein des individuellen Göttlichen Wesens ein, lebt
und handelt in einer fest umrissenen Beziehung zu den “anderen”, so wird sie
dennoch im Fundament ihres Bewußtseins die völlige Einheit besitzen, aus der
alles hervorgeht. Im Hintergrund dieses Bewußtseins wird sie die ausgebreitete
und modifizierte Einheit haben. Sie wird stets zu jeder von diesen zurückkehren
und von ihnen aus ihre Individualität betrachten können. Im Veda wird von den
Göttern behauptet, daß sie alle diese Positionen einnehmen können. Ihrem Wesen
nach sind die Götter ein einziges Sein, das die Weisen mit verschiedenen Namen bezeichnen. Ihrem Wirken nach, das auf das erhabene Wahre und
Rechte gegründet ist und von da ausgeht, sagt man jedoch: Agni oder ein anderer
seien zugleich alle übrigen Götter. Er ist der Eine, der zu allen wird. Zugleich
sagt man von ihm, er enthalte alle Götter so in sich, wie die Nabe eines Rads
alle Speichen in sich enthalte: Er ist der Eine, der alle in sich enthält.
Dennoch wird er als Agni, als eine gesonderte Gottheit, beschrieben, als einer,
der allen anderen hilft, sie an Kraft und Wissen übertrifft, dennoch in
kosmischer Stellung ihnen untergeordnet ist und von ihnen als Bote, Priester,
Arbeiter angestellt wird, – er, der Weltenschöpfer und Vater, der doch der Sohn
ist, der aus unseren Werken geboren wird, er heißt das ursprüngliche und das
manifestierte innewohnende Selbst oder Göttliche Wesen, der Eine, der in allen
wohnt.
Die Beziehungen der göttlichen Seele zu Gott oder ihrem
höchsten Selbst und zu ihren anderen Selbsten in anderen Gestalten werden durch
diese umfassende Erkenntnis des Selbsts festgelegt. Diese Relationen werden
Beziehungen von Seiendem, Bewußtsein und Erkenntnis, von Willen und Kraft, von
Liebe und Seligkeit sein. Da sie in ihrer Variationspotenz unendlich sind,
brauchen sie keine mögliche Beziehung von Seele zu Seele auszuschließen, die mit
der Bewahrung des unveräußerlichen Empfindens der Einheit vereinbar ist, auch
wenn dem jedes Phänomen von Verschiedenheit entgegensteht. So wird die göttliche
Seele in ihren Beziehungen freudiger Art die Seligkeit ihrer ganzen eigenen
Erfahrung in sich selbst haben. Sie wird die Seligkeit all ihrer Erfahrung von
Beziehung zu anderen als Kommunion mit anderen Selbsten in anderen Gestalten
erleben, die für ein unterschiedliches Spiel im Universum erschaffen sind. Sie
wird auch die Seligkeit der Erfahrungen ihrer anderen Selbste so haben, als
wären sie ihre eigenen -was sie auch wirklich sind. Sie wird die Befähigung zu
alledem haben, weil sie ihre eigenen Erfahrungen, ihre Beziehungen zu anderen
und die Erfahrungen anderer und deren Beziehungen zu ihr als die ganze Freude
oder das ananda des Einen erlebt, des höchsten Selbsts, ihres eigenen Selbsts,
dadurch differenziert, daß es alle diese Gestalten von seinem eigenen Wesen
umfaßt, bewohnt und doch in der Verschiedenheit nur eines ist. Da diese Einheit
die Basis all ihrer Erfahrung ist, ist sie frei von den Disharmonien unseres
zerteilten Bewußtseins, das durch Unwissenheit und separatistischen Egoismus
zertrennt ist. Alle diese Selbste und ihre Beziehungen werden einander bewußt in
die Hände spielen. Sie werden sich trennen und
wieder miteinander verschmelzen wie die zahllosen Töne einer ewigen Harmonie.
Dasselbe Gesetz wird für die Beziehungen ihres Wesens, Erkennens und Wollens zum Wesen, Erkennen und Wollen anderer gelten. Denn all ihre Erfahrung und Seligkeit wird das Spiel einer in ihrem Selbst freudvollen bewußten Kraft des Wesens sein, in dem, durch Gehorsam gegenüber dieser Wahrheit der Einheit, Wille nicht der Erkenntnis und beide nicht der Seligkeit widerstreiten können. Auch werden Erkenntnis, Wille und Seligkeit der einen Seele nicht mit Erkenntnis, Willen und Seligkeit einer anderen Seele zusammenstoßen, da dort, infolge des Inneseins ihrer Einheit, aller Zusammenstoß, Kampf und alle Disharmonie in unserem zertrennten Wesen zu einem Sichbegegnen, Sichumschließen und Wechselspiel der verschiedenen Noten einer einzigen unendlichen Harmonie wird.
In den Beziehungen zu ihrem höchsten Selbst, zu Gott,
wird die göttliche Seele dieses Gefühl des Einsseins des transzendenten und
universalen Göttlichen Wesens mit ihrem eigenen Wesen haben. Sie wird sich an
diesem Einssein Gottes mit ihr in der eigenen Individualität und mit ihren
anderen Selbsten in der Universalität erfreuen. Ihre Beziehungen der Erkenntnis
werden das Spiel der göttlichen Allwissenheit sein, denn Gott ist Wissen. Was
bei uns Unwissenheit ist, ist dort nur das Einbehalten von Wissen in der Ruhe
eines bewußten Selbst-Inneseins, so daß gewisse Formen dieses Selbst-Gewahrseins
in die Aktivität von Licht hervorgebracht werden können. Ihre Beziehungen des
Willens werden dort das Spiel der göttlichen Allmacht sein, denn Gott ist Kraft,
Wille und Macht. Was bei uns Schwäche und Unfähigkeit ist, wird dort das
Zurückhalten von Willen in ruhiger konzentrierter Kraft sein, so daß sich
gewisse Formen göttlicher bewußter Kraft verwirklichen können, indem sie in
einer Form von Macht hervorgebracht werden. Ihre Beziehungen der Liebe und
Seligkeit werden das Spiel göttlicher Ekstase sein, denn Gott ist Liebe und
Seligkeit. Was bei uns ein Verneinen von Liebe und Seligkeit wäre, wird dort ein
Zurückhalten von Freude im stillen Meer von Wonne sein, so daß gewisse Formen
göttlicher Einung und Freude in aktivem Aufwallen von Wonne nach außen verströmt
werden mögen. So wird für die göttliche Seele auch all ihr Werden eine
Gestaltung des göttlichen Wesens in Antwort auf dieses Wirken sein. Was bei uns
Aufhören, Tod, Vernichtung ist, wird nur Ruhe, Übergang oder das Zurückhalten
der freudvollen schöpferischen maya im ewigen Wesen von saccidananda sein. Zugleich wird dieses Einssein Beziehungen
der göttlichen Seele zu Gott, zum höchsten Selbst, nicht ausschließen, die sich
auf die Freude der Verschiedenheit gründen, so daß sich die Seele deshalb aus
der Einheit trennt, um sich dieser Einheit auf eine andere Weise zu erfreuen.
Sie wird die Möglichkeit solcher erlesenen Formen der Freude in Gott nicht
vernichten, die das höchste Entzücken des Gott-Liebenden in seiner Umarmung des
Göttlichen Wesens sind.
Welches werden aber die Bedingungen sein, unter denen und durch die sich diese Lebensart der göttlichen Seele verwirklichen wird? Alle Erfahrung in einer Beziehung verläuft durch gewisse Kräfte des Wesens, die durch eine Instrumentation Gestalt annehmen, der wir die Namen von Eigenschaften, Qualitäten, Aktivitäten, Fähigkeiten geben. So wie sich etwa das Mental in verschiedenen Formen von Mental-Macht ausprägt, wie Urteil, Beobachtung, Erinnerung, Sympathie, die seinem Wesen entsprechen, so muß auch das Wahrheits-Bewußtsein oder Supramental die Beziehungen von Seele zu Seele durch Kräfte, Befähigungen, Funktionsweisen bewirken, die dem supramentalen Wesen eigentümlich sind. Andernfalls gäbe es kein Spiel der Differenzierung. Was diese Funktionsweisen sind, werden wir sehen, wenn wir später die psychologischen Bedingungen des Göttlichen Lebens betrachten. Gegenwärtig erforschen wir nur seine metaphysischen Grundlagen, seine wesenhafte Natur und Prinzipien. Hier möge die Bemerkung genügen, daß die eine wesentliche Bedingung für das Göttliche Leben Abwesenheit oder Beseitigung des separatistischen Egoismus und der wirksamen Zerteilung des Bewußtseins ist. Ihr Vorhandensein in uns konstituiert unsere Sterblichkeit und unseren Fall aus dem Göttlichen Wesen. Das ist unsere “Ur-Sünde” oder, in einer mehr philosophischen Sprache ausgedrückt, das Abirren aus der Wahrheit und aus dem Rechten des Geistes, aus seiner Einheit, Ganzheit und Harmonie, was die notwendige Voraussetzung schuf für jenen großen Absturz in die Unwissenheit, der das Abenteuer der Seele in der Welt ist und aus der unsere leidende und strebende Menschheit geboren ward.