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Sri Aurobindo

Briefe über den Yoga

Band 2

SADHANA DURCH LIEBE UND HINGABE

I. Die göttliche und die menschliche Liebe

II. Bhakti und Anbetung

III. Bhakti-Emotion

IV. Bhakti und Glaube

I. Die Göttliche und die menschliche Liebe

Die Göttliche Liebe und Schönheit, den Göttlichen ānanda in die Welt zu bringen, ist wahrlich die volle Krönung und Essenz unseres Yoga. Ich habe es jedoch immer für unmöglich gehalten, wenn sich nicht als Stütze und Grundlage und als ihr Hüter die Göttliche Wahrheit in ihrer Göttlichen Macht hinzugesellt – das was ich die supramentale Wahrheit nenne. Andernfalls würde die Liebe, erblindet durch die Wirrnisse dieses gegenwärtigen Bewusstseins, in ihren menschlichen Gefäßen ins Wanken geraten oder aber sich unerkannt, zurückgewiesen oder rasch entartet finden, verloren in der Zerbrechlichkeit der niederen menschlichen Natur. Wenn sie hingegen in der göttlichen Wahrheit und Macht erscheint, kommt die Göttliche Liebe zuerst als etwas Transzendentes und Universales herab; aus dieser Transzendenz und Universalität wendet sie sich dann, der Göttlichen Wahrheit und dem Göttlichen Willen gehorchend, den Menschen zu und schafft eine weitere, größere und reinere persönliche Liebe als irgendein menschliches Mental oder Herz sich jetzt vorzustellen vermag. Erst wenn man diese Herabkunft gefühlt hat, kann man wirklich ein Instrument für die Geburt und das Wirken der Göttlichen Liebe in der Welt sein.

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Ich verstehe nicht ganz, was du damit meinst, die Göttliche Liebe bis hinab in das Unterbewusste zu festigen. Welche Liebe? Die Liebe der Seele zum Göttlichen? Oder das Prinzip der Göttlichen Liebe und des ānanda, was das Höchste ist, das erreicht werden kann? Letztere bis hinab in das Unterbewusstsein zu festigen, bedeutet eine völlige Umwandlung des gesamten Wesens und ist nur möglich als Ergebnis der supramentalen Wandlung, die bislang noch in weiter Ferne ist. Die Liebe der Seele zum Göttlichen hingegen kann im Prinzip bereits jetzt gefestigt werden; sie aber im ganzen Wesen lebendig und vollständig zu machen, würde die vollzogene seelische sowie die sich bereits deutlich abzeichnende spirituelle Umwandlung erfordern.

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Die Mutter sagte nicht zu dir, dass Liebe keine Gefühlsregung sei, sondern dass die Göttliche Liebe keine Gefühlsregung sei – das ist etwas völlig anderes. Menschliche Liebe besteht aus Gefühl, Leidenschaft und Begehren, lauter vitale Bewegungen und daher notwendigerweise Unzulänglichkeiten der menschlich-vitalen Natur. Gefühl ist trotz all seiner Mängel und Gefahren eine ausgezeichnete und unerlässliche Sache in der menschlichen Natur – genauso wie mentale Ideen ausgezeichnete und unerlässliche Dinge in ihrem eigenen Bereich in der menschlichen Entwicklung sind. Unser Ziel aber ist, die mentalen Ideen zu überschreiten und in das Licht der supramentalen Wahrheit einzutreten, die nicht auf begrifflichem Denken, sondern auf der unmittelbaren Schau und Identität beruht. In gleicher Weise ist unser Ziel, über das Gefühl hinaus zur Höhe und Tiefe und Intensität der Göttlichen Liebe zu gelangen und dort durch das innere seelische Herz ein unerschöpfliches Einssein mit dem Göttlichen zu fühlen, das durch das sprunghafte Emporschießen der vitalen Emotionen weder erreicht noch erfahren werden kann.

So wie die supramentale Wahrheit nicht allein eine Sublimierung unserer mentalen Ideen ist, ist auch die Göttliche Liebe nicht allein eine Sublimierung der menschlichen Gefühle; es ist ein anderes Bewusstsein, ein Bewusstsein von anderer Beschaffenheit, Bewegung und Substanz.

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Die Göttliche Liebe ist selbstbestehend und nicht von einem äußeren Kontakt oder Ausdruck abhängig. Ob sie sich äußerlich ausdrücken soll oder auf welche Weise sie sich äußerlich ausdrücken wird, hängt von der spirituellen Wahrheit ab, die zuerst manifestiert werden muss.

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Die Göttliche Liebe wird sich möglicherweise – so wie die Menschheit derzeit beschaffen ist – noch nicht so voll und frei auf der physischen Ebene manifestieren können, wie es ihr an sich möglich wäre, weshalb sie aber nicht weniger nah oder intensiv als die menschliche [Liebe] ist. Sie ist vorhanden und wartet darauf, verstanden und angenommen zu werden, und gibt dir unterdessen jede Hilfe, die anzunehmen du in der Lage bist, um dich in ein Bewusstsein zu erheben und zu weiten, in welchem sich diese Schwierigkeiten und Missverständnisse nicht mehr ereignen können – in den Zustand, in dem die volle und vollkommene Einung möglich ist.

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Was die menschliche und die göttliche Liebe anbelangt, so möchte ich hinzufügen, dass ich die erstere als etwas anerkenne, wovon wir auszugehen haben, um zur letzteren zu gelangen; wir müssen die menschliche Liebe intensivieren und in sich selbst umwandeln, sie aber nicht ausschließen. Die Göttliche Liebe ist zudem meiner Ansicht nach nichts Ätherisches, Kaltes und Fernes, sondern eine absolut intensive Liebe, innerlich und voll des Einsseins, der Nähe und des Entzückens, und die ganze menschliche Natur für ihren Ausdruck gebrauchend. Natürlich ist sie ohne die Wirrnisse und Unordnung der gegenwärtigen niederen vitalen Natur, die sie in etwas ganz Warmes, Tiefes und Intensives wandeln wird; dies aber ist kein Grund anzunehmen, dass sie von dem, was in den Elementen der Liebe wahr und glücklich ist, etwas verlieren wird.

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Liebe kann nicht kalt sein, denn es gibt nichts Derartiges wie kalte Liebe; die Liebe aber, von der die Mutter in diesem Abschnitt spricht, ist etwas sehr Reines, Beständiges und Festes – sie schießt nicht feurig empor und sinkt aus Mangel an Brennstoff dann ab, sie ist vielmehr stetig, allumfassend und selbstbestehend wie das Licht der Sonne. Es gibt auch eine persönliche göttliche Liebe, doch gleicht sie nicht der üblichen persönlichen menschlichen Liebe, die von einer Erwiderung durch eine Person abhängig ist – sie ist persönlich, aber nicht egoistisch, sie verbindet das wahre Wesen des einen mit dem wahren Wesen des anderen. Um sie zu finden, hat man sich von der üblichen menschlichen Art der Annäherung zu befreien.

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Zunächst über die menschliche Liebe in der Sadhana: Die Hinwendung der Seele zum Göttlichen durch Liebe muss durch eine Liebe stattfinden, die ihrem Wesen nach göttlich ist; da jedoch das Instrument des Ausdrucks zu Beginn eine menschliche Natur ist, nimmt sie die Formen menschlicher Liebe und bhakti an. Erst in dem Maße wie das Bewusstsein sich vertieft, erhöht und wandelt, kann die größere, ewige Liebe in ihm wachsen und frei das Menschliche in das Göttliche wandeln. In der menschlichen Liebe selbst aber gibt es verschiedene Arten von Antriebskräften. Es gibt eine seelische menschliche Liebe, die von tief innen aufsteigt und hervorgeht aus der Begegnung des inneren Wesens mit dem, das es zu göttlicher Freude und Einung ruft; sie ist, wenn sie sich einmal ihrer bewusst ist, etwas Dauerndes, in sich Bestehendes, unabhängig von äußeren Befriedigungen und der Minderung durch äußere Ursachen nicht fähig, nicht selbstbezogen, nicht zum Fordern oder Feilschen neigend, sondern sich einfach und spontan gebend; sie wird durch Missverständnis, Enttäuschung, Hader und Ärger weder berührt noch gebrochen, sondern drängt allezeit geradewegs zur inneren Einung. Diese seelische Liebe ist dem Göttlichen am nächsten und daher der richtige und beste Weg der Liebe und bhakti. Das aber bedeutet nicht, dass die anderen Wesensteile, einschließlich des Vitals und Physischen, als Ausdrucksmittel nicht gebraucht werden könnten oder dass sie am vollen Spiel und der ganzen Bedeutung der Liebe, selbst der göttlichen Liebe, nicht teilhaben sollten. Im Gegenteil, sie sind Hilfsmittel und können einen großen Anteil am vollständigen Ausdruck göttlicher Liebe haben – vorausgesetzt, sie werden von der richtigen und nicht von der falschen Bewegung gelenkt. Es gibt im Vital als solchem zwei Arten von Liebe – eine voller Freude und Vertrauen, rückhaltlos, großzügig, nicht feilschend und durchaus absolut in ihrer Hingabe – diese ist der Seele verwandt und sehr wohl dafür geeignet, Ergänzung und Ausdrucksmittel der göttlichen Liebe zu sein. Auch verachtet die seelische oder göttliche Liebe keinesfalls ein physisches Ausdrucksmittel, wenn dieses rein und echt und angängig ist; sie hängt davon jedoch nicht ab, und wenn sie eines solchen Mittels beraubt wird, mindert sie sich nicht, begehrt nicht auf oder verlischt wie eine geschneuzte Kerze – wenn sie aber dieses Mittel benützen kann, tut sie es voller Freude und Dankbarkeit. Physische Mittel können und werden bei der Annäherung an die göttliche Liebe und Anbetung gebraucht; sie werden nicht etwa als ein Eingeständnis an die menschliche Schwäche zugelassen, und es stimmt nicht, dass auf dem seelischen Weg kein Platz für diese Dinge sei. Im Gegenteil, sie sind eines der Mittel für die Annäherung an das Göttliche, für den Empfang des Lichtes und der Verwirklichung des seelischen Kontaktes – und solange dies im rechten Geist geschieht und sie für den wahren Zweck gebraucht werden, haben sie ihre Daseinsberechtigung. Sie sind nur dann nicht am Platz und haben eine gegenteilige Wirkung, wenn sie missbraucht werden oder wenn die Annäherung falsch ist, da sie durch Gleichgültigkeit, Trägheit, Aufruhr, Feindseligkeit oder grobes Begehren befleckt wird.

Es gibt aber noch einen anderen Weg vitaler Liebe, der öfter der Weg der menschlichen Natur ist, und das ist der Weg des Egos und Begehrens; ihr Fortbestehen ist von der Befriedigung ihrer Forderungen abhängig; und wenn sie nicht erhält, was sie ersehnt, oder wenn sie sich einbildet, nicht so behandelt zu werden, wie sie es verdient – denn sie ist voller phantastischer Vorstellungen, voller Missverständnisse, Eifersucht und falscher Auslegungen –, fällt sie sofort dem Kummer und verwundetem Gefühl, dem Ärger und allen Arten von Wirrnis anheim – und schließlich findet sie ihr Ende und wendet sich ab. Eine Liebe dieser Art ist ihrer eigentlichen Natur nach kurzlebig, unzuverlässig und keine Grundlage für die göttliche Liebe... Aus diesem Grund raten wir von der niederen vitalen Art menschlicher Liebe ab und erwarten von den Menschen, dass sie diese Elemente sobald wie möglich aus ihrer Natur ausmerzen. Liebe sollte ein Aufblühen von Freude und Einung sein, von Vertrauen, Selbstgeben und ānanda – dieser niedere vitale Weg hingegen ist nichts als eine Quelle des Leids, der Beunruhigung, Enttäuschung, Desillusion und Zwietracht. Selbst ein geringes Element davon erschüttert die Grundlagen des Friedens und ersetzt die Bewegung auf den ānanda hin durch einen Sturz in Sorge, Unzufriedenheit und nirānanda.

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Die Liebe, die sich dem Göttlichen zuwendet, sollte nicht das übliche vitale Gefühl sein, das die Menschen so nennen; denn das ist nicht Liebe, sondern lediglich ein vitales Begehren, ein Instinkt der Aneignung, ein Impuls zu besitzen und zu monopolisieren. Nicht nur, dass dies nicht die Göttliche Liebe ist, sondern man sollte diesem Gefühl auch keinesfalls erlauben, sich irgendwie mit dem Yoga zu vermengen. Die wahre Liebe zum Göttlichen ist ein Selbstgeben, frei von Forderung, voller Unterwerfung und Hingabe; sie erhebt keinen Anspruch, stellt keine Bedingungen und trifft kein Abkommen, sie gibt sich nicht dem Ungestüm der Eifersucht, des Stolzes oder des Ärgers hin, denn diese Dinge sind in ihrem Wesen nicht enthalten. Als Entgegnung gibt auch die Göttliche Mutter sich, doch uneingeschränkt – und dies drückt sich in einem inneren Geben aus –, ihre Gegenwart in deinem Mental, in deinem Vital, in deinem physischen Bewusstsein, ihre Macht in dir und die göttliche Natur wiedererstehen lassend, alle Bewegungen deines Wesens aufnehmend und sie der Vollendung und Erfüllung zuführend, ihre Liebe, die dich einhüllt und in ihren Armen zu Gott hinträgt. Dies in all deinen Teilen bis hinab zum eigentlichen Stofflichen zu fühlen und zu besitzen, muss dein Streben sein, und hier gibt es weder eine Begrenzung der Zeit noch der Vollkommenheit. Wenn man es wahrhaft erstrebt und auch erhält, darf es keine andere Forderung, kein enttäuschtes Begehren mehr geben. Und wenn man wahrhaft strebt, erhält man es unweigerlich, und zwar in dem Maße wie die Läuterung voranschreitet und die menschliche Natur sich der erforderlichen Wandlung unterzieht.

Halte deine Liebe von jedem selbstsüchtigen Anspruch und Begehren frei und du wirst erkennen, dass du als Entgegnung all die Liebe erhältst, die du ertragen und aufnehmen kannst.

Erkenne ebenfalls, dass zuerst die Verwirklichung zu erfolgen hat, die zu geschehende Arbeit, und nicht die Befriedigung von Forderung und Begehren. Erst wenn das Göttliche Bewusstsein in seinem supramentalen Licht und seiner supramentalen Macht herabgekommen ist und das Physische umgewandelt hat, kann man auch anderen Dingen einen wichtigen Platz einräumen – und auch dann wird es nicht die Befriedigung des Begehrens sein, sondern die Erfüllung der Göttlichen Wahrheit in jedem und allen und in dem neuen Leben, das sie ausdrücken wird. Im göttlichen Leben geschieht alles um des Göttlichen und nicht um des Egos willen.

Ich sollte vielleicht noch ein, zwei Dinge hinzufügen, um Missverständnisse zu vermeiden. Erstens, die Liebe zum Göttlichen, von der ich spreche, ist nicht allein eine seelische Liebe; es ist die Liebe des ganzen Wesens, einschließlich des Vitals und des Vital-Physischen – alle [Teile] sind des gleichen Selbstgebens fähig. Es ist falsch anzunehmen, dass die Liebe des Vitals eine fordernde Liebe zu sein habe und die Befriedigung ihrer Wünsche erzwingt; es ist falsch anzunehmen, dass es entweder so sein müsse oder aber das Vital, um seinem “Verhaftetsein” zu entkommen, ganz und gar von dem Ziel seiner Liebe ablassen muss. Das Vital kann in seinem fraglosen Selbstgeben so absolut sein wie irgendein anderer Teil der menschlichen Natur; nichts ist hochherziger als seine Bewegung, wenn es sich um des Geliebten willen vergisst Sowohl das Vital als auch das Physische sollten sich auf die wahre Art geben – die Art der wahren Liebe, nicht des egoistischen Begehrens.

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Wenn die Menschen im allgemeinen von vitaler Intimität sprechen, meinen sie meist etwas sehr Äußerliches, das nicht herabgebracht zu werden braucht, da es etwas Alltägliches im menschlichen Leben ist. Wenn hingegen die innere vitale Intimität mit dem Göttlichen gemeint ist, so macht diese die Einung natürlich vollkommener, sofern sie sich auf der Seele gründet.

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Wenn sich das Vital der Liebe zum Göttlichen zuwendet, bringt es in diese den Heroismus, den Enthusiasmus, die Intensität, die Absolutheit und Ausschließlichkeit, den Geist der Selbst-Darbringung, das totale und leidenschaftliche Selbstgeben der ganzen Natur. Es ist die vitale Leidenschaft für das Göttliche, die die spirituellen Helden, Eroberer oder Märtyrer hervorbringt.

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Vermutlich drückt Liebe etwas Intensiveres als Zuneigung aus, die ein bloßes Gernhaben oder ein Wohlwollen miteinbeziehen kann. Doch sei es nun Liebe oder Zuneigung, menschliches Fühlen gründet immer auf dem Ego oder ist stark von ihm durchsetzt – daher kann es nicht rein sein. In der Upanishad heißt es: “Man liebt das Weib nicht um des Weibes willen”oder das Kind um des Kindes oder den Freund um des Freundes willen –, “sondern des eigenen Selbstes wegen liebt man das Weib.” Meist besteht Hoffnung auf Entgegnung, auf Gewinn oder Vorteil oder auf gewisse Freuden und Befriedigungen mentaler, vitaler oder physischer Art, die die geliebte Person geben könnte. Wenn diese Dinge wegfallen, lässt die Liebe sehr bald nach, sie mindert sich und schwindet oder wandelt sich in Ärger, Vorwurf, Gleichgültigkeit oder gar Hass. Es gibt aber auch ein Element der Gewohnheit, etwas, das die Gegenwart der geliebten Person zu einer Art Notwendigkeit macht, da sie immer da war – und dieses [Element der Gewohnheit] ist manchmal so stark ausgeprägt, dass es trotz einer völligen Unvereinbarkeit der Temperamente und grimmiger Feindschaft, einer Art Hass, andauert und selbst diese Abgründe von Disharmonie für die Trennung der Beteiligten nicht ausreichen; in anderen Fällen ist dieses Gefühl nicht so deutlich ausgeprägt, und nach einiger Zeit gewöhnt man sich an die Trennung oder nimmt einen Ersatz hin. Häufig ist auch das Element einer gewissen spontanen Anziehung oder Verwandtschaft vorhanden – mental, vital oder physisch –, das der Liebe eine stärkere Bindung gibt. Und schließlich gibt es in der höchsten oder tiefsten Art der Liebe das seelische Element, das dem innersten Herzen, der innersten Seele entspringt, eine Art innerer Verbindung, ein Selbstgeben oder zumindest ein Suchen danach, eine Bindung, ein Drängen, das unabhängig von äußeren Umständen oder Elementen ist, das um seiner selbst willen besteht und nicht wegen eines mentalen, vitalen oder physischen Vergnügens, einer Befriedigung, eines Interesses oder einer Gewohnheit. Meist aber ist dieses seelische Element in der menschlichen Liebe, selbst wo es vorhanden ist, mit anderen Elementen so vermischt und von ihnen überlagert und verhüllt, dass es nur geringe Aussicht hat, sich zu erfüllen oder die ihm eigene natürliche Reinheit und Fülle zu erlangen. Was Liebe genannt wird, ist daher manchmal die eine und manchmal die andere Sache, meist aber ein wirres Durcheinander, und es ist unmöglich, eine allgemeine Antwort auf deine Fragen zu geben, nämlich was mit Liebe in diesem oder einem anderen Fall gemeint ist. Es hängt von den Personen und Umständen ab.

Wenn sich die Liebe dem Göttlichen zuwendet, ist in ihr das gewöhnliche menschliche Element noch enthalten. Es besteht die Forderung nach einer Erwiderung, und wenn diese nicht zu kommen scheint, kann die Liebe nachlassen; es besteht ein eigennütziges Interesse, das Verlangen nach dem Göttlichen als dem Geber von allem, was das menschliche Wesen will, und wenn das Verlangen nicht erfüllt wird, entsteht abhimāna gegen das Göttliche, ein Schwinden des Glaubens, ein Schwinden des Eifers usw. usw.. Die wahre Liebe zum Göttlichen aber ist ihrer eigentlichen Natur nach nicht von dieser Art, sie ist vielmehr seelisch und spirituell. Das seelische Element ist das Bedürfnis des innersten Wesens nach Selbstgeben, Liebe, Anbetung, Einung, das allein durch das Göttliche voll befriedigt werden kann. Das spirituelle Element ist das Bedürfnis des Wesens nach Berührung, Verschmelzung, nach Einung mit seinem eigenen höchsten und ganzen Selbst und dem Ursprung des Wesens, des Bewusstseins und der Seligkeit, dem Göttlichen. Diese beiden [das seelische und das spirituelle Element] sind zwei Seiten der gleichen Sache. Das Mental, das Vital, das Physische können Rückhalt und Empfänger dieser Liebe sein, sie können es in vollem Umfang jedoch nur dann sein, wenn sie in Einklang mit den seelischen und spirituellen Elementen des Wesens neu geformt werden und nicht länger den niederen Forderungen des Egos gehorchen.

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Warum brauchst du etwas Ungewöhnliches? Die Liebe der Seele ist die wahre Sache, einfach und absolut – das übrige ist nur dann richtig, wenn es ein Instrument der Manifestation der Seelen-Liebe ist.

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Das äußere Wesen muss lernen, auf die seelische Weise zu lieben, ohne Ego. Wenn es auf die egoistisch-vitale Weise liebt, schafft es sich, der Sadhana und der Mutter nur Schwierigkeiten.

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Die Beziehung des Kindes zur Mutter ist die eines uneingeschränkten, aufrichtigen und einfachen Vertrauens, der Liebe und der Abhängigkeit.

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Wenn du zum Göttlichen kommst, stütze dich innerlich auf das Göttliche und laß dich durch andere Dinge nicht beeinflussen.

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Was er beschreibt, ist eine vitale Forderung des Egos nach emotioneller Selbstbefriedigung; es ist māyā. Es ist nicht die wahre Liebe, denn die wahre Liebe sucht nach Einung und Selbstgeben, und sie ist es, die man dem Göttlichen entgegenbringen muss. Diese vitale (sogenannte) Liebe bringt nur Leiden und Enttäuschung; sie bringt kein Glück und wird niemals befriedigt, sie ist nicht einmal zufrieden, wenn sie das erhält, worum sie bittet.

Es ist durchaus möglich, sich von dieser māyā der vitalen Forderung zu befreien – sofern man es will –, doch muss der Wille ehrlich sein. Wenn sein Wille aufrichtig ist, wird er bestimmt Hilfe und Schutz erhalten. Er muss seine Grundlage vom vitalen zum seelischen Zentrum verlegen.

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Es liegt in der üblichen Art der vitalen Liebe, nicht beständig zu sein, und, selbst wenn sie es versucht, nicht zu befriedigen, denn sie ist eine Leidenschaft, die von der Natur ins Spiel gebracht wurde, damit ein vorübergehender Zweck erfüllt wird. Für diesen vorübergehenden Zweck genügt sie, und wenn sie hinreichend dem Zweck der Natur gedient hat, verblasst sie, ihrer natürlichen Veranlagung folgend. In den Menschen – denn der Mensch ist ein mehr komplexes Wesen – ruft sie die Einbildungskraft und den Idealismus zu Hilfe, um ihren Impuls zu stützen, um ihm ein Gefühl von Begeisterung, Schönheit, Feuer und Glanz zu verleihen – all dies aber schwindet nach einer gewissen Zeit. Es kann nicht anhalten, da alles ein entlehntes Licht, eine entlehnte Macht ist – entlehnt in dem Sinne, dass es eine Widerspiegelung von etwas Jenseitigem ist und dem widerspiegelnden vitalen Medium, welches von der Einbildungskraft für diesen Zweck benutzt wird, nicht innewohnt. Zudem ist im Mental und Vital nichts beständig, dort ist alles im Fluss. Das einzig Dauerhafte ist die Seele, der Spirit. Liebe kann daher nur dann währen oder befriedigen, wenn sie die Seele und den Spirit zur Grundlage hat und dort wurzelt. Das aber bedeutet, nicht länger im Vital, sondern in der Seele und im Spirit zu leben.

Die Schwierigkeit des Vitals sich hinzugeben, besteht darin, dass es nicht vom Verstand oder Wissen gelenkt wird, sondern vom Instinkt und Impuls sowie dem Verlangen nach Vergnügen. Es zieht sich zurück, weil es enttäuscht ist, weil es erkennt, dass sich die Enttäuschung immer wiederholen wird, es erkennt aber nicht, dass die ganze Sache als solche ein Trug ist – und wenn es dies doch erkennt, dann schreckt es vor dieser Tatsache zurück. Wo diese vairāgya [Weltabkehr] hingegen sattvisch ist, nicht aus der Enttäuschung geboren, sondern aus dem Gefühl für die größeren und wahreren zu erreichenden Dinge, tritt diese Schwierigkeit nicht auf. Dennoch kann das Vital durch Erfahrung lernen, es kann soviel lernen, dass es von seinem Bedauern, sich von dem Reiz der Irrlichter abkehren zu müssen, frei wird. Seine vairāgya kann sattvisch und entschlossen werden.

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Wie immer auch der Glanz einer vitalen Liebe gewesen sein mag, wenn sie einmal abfällt und man eine höhere Ebene erreicht, sollte man erkennen, dass sie nicht die große Sache war, für die man sie hielt. Eine übertriebene Einschätzung aufrechtzuerhalten bedeutet, das Bewusstsein von dem Sog der größeren Sache fernzuhalten, mit der jene [die vitale Liebe] nicht einen Augenblick lang den Vergleich standhalten kann. Wenn man ein derartig übertriebenes Gefühl wie dieses für eine geringwertige Vergangenheit aufrechterhält, wird es notwendigerweise schwieriger, die ganze Person für eine höhere Zukunft zu entwickeln. Es ist in der Tat nicht der Wunsch der Mutter, dass jemand auf die vergangene vitale Liebe in einem Geist von enthusiastischer Wertschätzung zurückblickt. Tatsächlich war es doch “so wenig”, wenn man die Dinge irgendwie im wahren Licht betrachtet. Es ist keinesfalls eine Frage des Vergleichs oder des Sich-Rühmens einer vitalen Leidenschaft auf Kosten derjenigen eines anderen. Die ganze Sache muss in ihren Ausmaßen schwinden und sich in die schattenhaften Gebilde der Vergangenheit zurückziehen, die keine Bedeutung mehr haben.

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Deine Schwierigkeit besteht darin, dass das Vital noch nicht das Geheimnis des selbstbestehenden ānanda der Liebe entdeckt hat, den ānanda der reinen Wahrheit der Liebe, ihrer inneren Schönheit, die um ihrer selbst willen besteht, das Geheimnis der inneren, bleibenden Ekstase; es kann noch nicht glauben, dass die Sache überhaupt existiert; es bewegt sich aber darauf zu, und diese Empfindung war vermutlich eine Entwicklungsstufe – ein Tasten nach einem reineren vitalen Gefühl auf dem Weg zum reinsten von allen, das eins mit dem Göttlichen ist.

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Die Göttliche Liebe, ungleich der menschlichen, ist tief und unermesslich und schweigend; man muss weit und ruhig werden, um sie wahrzunehmen und zu erwidern. Er1 muss die Hingabe zu seinem alleinigen Ziel machen, damit er ein Gefäß und Instrument wird, und es dann der Göttlichen Weisheit und Liebe überlassen, ihn mit dem Nötigen zu erfüllen. Er soll sich ebenfalls einprägen, nicht während einer bestimmten Zeitspanne Fortschritte machen zu müssen, oder sich entwickeln und die Verwirklichung erreichen zu wollen; wie lang es auch dauern mag, er muss bereit sein zu warten und auszuharren und sein ganzes Leben ausschließlich zu einem Streben und Sich-Öffnen für die eine Sache, das Göttliche zu machen. Sich zu geben und nicht zu fordern und zu gewinnen, ist das Geheimnis der Sadhana. Je mehr man sich gibt, desto mehr wird die Fähigkeit zu empfangen wachsen. Deshalb müssen Ungeduld und Aufruhr verschwinden; alle Einflüsterungen, dass man nicht genug erhalte, dass man nicht geliebt werde, dass man besser fortgehen und das Leben oder die spirituelle Bemühung aufgeben sollte, müssen zurückgewiesen werden.

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Wenn die Liebe absolut und vollkommen ist und niemals eine vitale Forderung damit verbunden war, kann der Impuls des Aufbegehrens nicht aufkommen.

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Göttlich kann man nur dann lieben, wenn man göttlich in der eigenen Natur geworden ist; es gibt keinen anderen Weg.

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Liebe ist sich selbst genug, sie bedarf nicht der Hilfe des Blinden. Hierin gleicht sie dem Glauben oder jeder anderen göttlichen Kraft.

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Menschliche Liebe ist meist vital und physisch mit einem mentalen Rückhalt – sie kann allein dann eine selbstlose, edle und reine Form und einen ebensolchen Ausdruck annehmen, wenn sie von der Seele berührt wird. Meist ist sie ein Gemisch aus Unwissenheit und Verhaftetsein, aus Leidenschaft und Begehren. Doch was immer sie auch sein mag, einer, der das Göttliche zu erreichen sucht, darf sich mit menschlicher Liebe und menschlichem Verhaftetsein nicht belasten, da sie eine Unzahl von Fesseln bilden, seine Schritte hemmen und ihn zudem von der Konzentration seiner Gefühle auf das eine höchste Ziel der Liebe abwenden.

Es gibt so etwas wie die seelische Liebe, rein, ohne Forderung, aufrichtig im Selbstgeben, doch bleibt sie in der Anziehung menschlicher Wesen zueinander meist nicht rein. Während der Ausübung der Sadhana muss man sich vor der Bekundung seelischer Liebe hüten, denn meist ist das nur ein Deckmantel und eine Rechtfertigung für eine vitale Anziehung oder Bindung.

Universale Liebe ist spirituelle Liebe, die sich auf dem Gefühl des Einen und Göttlichen überall gründet und auf der Wandlung des persönlichen Bewusstseins in ein weites, universales Bewusstsein, frei von Bindung und Unwissenheit.

Die Göttliche Liebe ist von zweierlei Art – die göttliche Liebe zur Schöpfung und zu den Seelen, die ein Teil von ihr sind, und die Liebe des Suchenden, die Liebe zum Göttlichen Geliebten; sie enthält sowohl ein persönliches als auch ein unpersönliches Element, doch ist das persönliche frei von allen niederen Elementen oder der Bindung an die vitalen und physischen Instinkte.

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Die seelische Liebe ist rein und voller Selbstgeben, ohne egoistische Forderungen, sie ist jedoch menschlich und kann irren und leiden. Die Göttliche Liebe ist etwas weitaus Umfassenderes und Tieferes, voller Licht und ānanda.

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Die Liebe des Göttlichen ist jene, die von oben aus dem Göttlichen Einssein und seinem ānanda auf das Wesen herabströmt; die seelische Liebe ist eine Form, die die göttliche Liebe im menschlichen Wesen annimmt, und sie entspricht dem Erfordernis und den Möglichkeiten des menschlichen Bewusstseins.

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Die Liebe und Freude der Seele kommen von innen, vom seelischen Wesen. Was von oben kommt, ist der ānanda des höheren Bewusstseins.

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Wenn die Liebe in ihrem Motiv seelisch ist, bringt sie immer das Gefühl des Einsseins oder zumindest einer inneren, innigen Nähe des Wesens mit sich. Die Göttliche Liebe gründet sich auf Einssein, und die seelische Liebe leitet sich von der Göttlichen Liebe her.

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Wenn sich die Seele mit dem Göttlichen eint, kann sie nicht davon getrennt werden. Trennung ist Nicht-Einung. Die seelische Verwirklichung ist die der Verschiedenheit in der Einheit (der Teil und das Ganze); sie gleicht nicht der Auflösung eines Tropfen Wassers im Ozean, denn dann ist keine Liebe oder Anbetung mehr möglich, es sei denn die Liebe zu sich selbst oder die Hingabe an sich selbst.

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Die Menschen sind durch die Individualisierung ihrer Natur zwangsläufig voneinander getrennt und können nur so [in dieser Trennung] Kontakte errichten. Im seelischen Wesen entsteht das Gefühl des Einsseins durch die psychische Zuneigung, doch nicht eine Einung, denn die Psyche ist die individuelle Seele, die sich zuerst mit dem Göttlichen einen muss, bevor sie sich über das Göttliche mit anderen einen kann. In der spirituellen Verwirklichung gibt es zwei durchaus entgegengesetzte Formen – die eine, in der man sich von allen äußeren Dingen einschließlich aller stofflichen Wesen in der Welt zurückzieht, um in das Göttliche einzutauchen, und die andere, in der man das Selbst oder das Göttliche in allen fühlt und durch diese Verwirklichung ein universales Einssein erlangt.

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Die Liebe, die den spirituellen Ebenen angehört, ist von anderer Art. Die Seele hat ihre eigene, mehr persönliche Liebe, bhakti und Hingabe. Liebe im höheren oder spirituellen Mental ist universaler und unpersönlicher. Beide müssen Hand in Hand gehen, um zur höchsten göttlichen Liebe zu werden.

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Universale Liebe ist immer universal – seelische Liebe kann sich individualisieren.

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Die Kosmische Liebe ist davon abhängig, ob man das Einssein des Selbstes mit allen verwirklicht. Die seelische Liebe oder das seelische Gefühl für alle kann ohne diese Verwirklichung existieren.

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Das Intuitive Mental oder das Obermental ist für die Wahrheit der Göttlichen Liebe offener und eher fähig, die Liebe zu universalisieren, als es das Mental im allgemeinen ist – auch ist die Liebe dort in ihrer Intensität ruhiger und weniger egobefangen als in den mentalen Teilen. Doch auch das Mental kann die Eigenschaft dieser Liebe erreichen, wenn seine Liebe seelisch und spirituell wird.

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Ich verstehe Xs Frage nicht ganz. Will er wissen, ob man sich der Göttlichen Liebe zu allen Geschöpfen bewusst werden kann, bevor man selbst von der universalen Liebe zu anderen erfüllt ist? Wenn das gemeint ist, kann ich nur sagen, dass man sich natürlich der Göttlichen Liebe bewusst werden kann, bevor man selbst die universale Liebe erreicht hat – man kann sich ihrer bewusst werden durch den Kontakt mit dem Göttlichen in sich selbst. Natürlich sollte dieses Bewusstsein dann zur Entwicklung einer universalen Liebe zu allen führen. Doch wenn er eine Liebe meint, die göttlich und nicht durch die niederen Bewegungen befleckt ist, dann ist es wahr, dass eine Liebe, frei von allen Mängeln, Begrenzungen und Befleckungen der gewöhnlichen menschlichen Liebe, schwer zu erreichen ist, solange nicht der Friede vorhanden ist, die Reinheit, die Freiheit vom Ego, die Weite und das Licht des universalen Bewusstseins, das die Grundlage der universalen Liebe ist. Je mehr Universalität man besitzt, desto leichter kann man von jenen Dingen befreit werden.

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Die Einheit mit allen ist in ihrem Grunde etwas In-Sich-Bestehendes und Sich-Selbst-Genügendes, das keines Ausdrucks bedarf. Wenn sie sich aber als Liebe ausdrückt, dann ist sie weit und universal, ungestört und fest, selbst wenn sie intensiv ist.

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Das ist im Grunde das kosmische Einssein. Es gibt aber auch ein vordergründiges kosmisches Bewusstsein, das aus einem Gewahrwerden des Spiels der kosmischen Kräfte besteht – hier kann sich alles erheben, auch Sex. Dieser Teil ist es, der der vollkommenen Durchseelung bedarf, im anderen Fall kann man ihn nicht in der richtigen Weise bewahren, enthalten und damit umgehen.

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Die Verwirklichung des Einen im Mental bringt oder sollte eine gewisse Freiheit im Mental mit sich bringen; doch das Vital und der Körper können unter dem Impuls des Vitals mit ihren gewöhnlichen Bewegungen fortfahren, da sie für ihre Tätigkeit nur zum Teil vom Mental abhängig sind. Sie können es sogar mit sich fortreißen, haranti prasabhaṃ manaḥ (voller Heftigkeit reißen sie das Sinnen-Mental mit sich fort, Gita 2.60), oder der Erwägung und Missbilligung des Mentals zuwider handeln. “Ich erkenne das Gute und stimme ihm zu, ich tue jedoch das Schlechte” sagt der römische Dichter; in der Sprache der Gita heißt es: anicchannapi balādiva niyojitaḥ (obwohl man es nicht will, ist es als würde man durch eine Kraft dazu gezwungen, Gita 3.36). Es ist daher notwendig, dass die Verwirklichung mit ihrem Frieden und der Kraft ihrer Reinheit konkret in das Vital und Physische selbst herabkommt, und wenn dann die vitalen Bewegungen versuchen sich zu erheben, begegnen sie ihr und müssen aufgrund ihres selbsttätigen Druckes weichen.

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Solange nicht das ganze Bewusstsein von fragwürdigem Stoff geläutert und die Verwirklichung des Einsseins in ihrer höchsten Reinheit gefestigt wurde, ist es nicht ratsam, der All-Liebe Ausdruck zu verleihen. Indem man sie in sich bewahrt, wird sie zu einem echten Bestandteil der menschlichen Natur und durch die Verbindung mit den anderen, noch stattzufindenden Verwirklichungen gefestigt und geläutert. Gegenwärtig ist es nur eine erste Berührung, und es wäre unklug, sie zu zerstreuen, indem man ihr Ausdruck verleiht. Sex und Vital könnten leicht aktiv werden – mir sind Fälle von sehr fortgeschrittenen Yogis bekannt, in denen die viśvaprema zur viśvakāma wurde, die All-Liebe wurde zur All-Lust. Dies geschah bei vielen sowohl in Europa als auch im Osten. Ganz abgesehen davon ist es immer besser zu erhärten und zu festigen, statt hinauszuschleudern und zu zerstreuen. Erst wenn die Sadhana fortgeschritten ist und das Wissen von oben die Liebe erleuchtet und lenkt, wird es anders sein. Mein Beharren auf Zurückweisung aller ungewandelten vitalen Bewegungen gründet sich auf Erfahrung, und zwar auf meiner eigenen und der von anderen und auch auf der von alten Yoga-Systemen, wie die Vaishnava-Bewegung von Chaitanya, ganz abgesehen von dem alten buddhistischen sahaja dharma2, die in großer Entartung endeten. Eine weite Bewegung wie die der All-Liebe kann nur dann stattfinden, wenn der Boden der menschlichen Natur gründlich dafür vorbereitet wurde. Ich habe aber nichts dagegen einzuwenden, dass du mit anderen Menschen verkehrst, jedoch nur dann, wenn ein aufmerksames Mental und ein aufmerksamer Wille fortwährend wachsam sind und die Kontrolle übernehmen.

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Wahrnehmung ist für die Umwandlung der Natur nicht genug. paśyataḥ (derjenige, der wahrnimmt) heißt in der spirituellen Sprache nicht nur Wahrnehmung. Wahrnehmung gehört zum Mental, und eine mentale Wahrnehmung ist nicht genug – eine kraftvolle und dynamische Verwirklichung im ganzen Wesen ist erforderlich. Im anderen Fall könnte sich eines von drei Dingen ereignen: 1. Das Mental nimmt das Einssein wahr, doch wird das Vital davon nicht berührt, es fährt mit seinen Impulsen fort, denn es wird nicht vom Denken oder der Vernunft gelenkt, sondern von Neigung, Trieb und der Kraft der Begierde. Es gebraucht die Vernunft lediglich als Mittel der Rechtfertigung für seine Vorhaben. Oder das Vital könnte sogar sagen: “Alles ist eins, es spielt also keine Rolle, was ich tue. Warum sollte ich das Einssein mit anderen nicht auf meine Weise suchen?” 2. Wenn das Mental eine Verwirklichung hat, das Vital aber nicht daran teilnimmt oder sie entstellt, ist es möglich, dass das Vital sich durchsetzt oder sogar das Mental mit sich reißt. Die Gita sagt, dass selbst das Mental des Weisen, der die Erkenntnis erlangt hat, vom Sinnen-Vital fortgerissen wird wie ein Schiff vom Wind auf sturmbewegter See. 3. Das innere Wesen mag zu einer kraftvollen Verwirklichung gelangt sein und im Einssein, in Stille und Frieden leben, doch können die inneren Teile des äußeren Wesens noch Reaktionen des Begehrens usw. haben. In diesem Fall sind die Reaktionen zwar oberflächlich, dennoch ist, bis sie aufhören, die Zurückweisung erforderlich. Wenn das ganze Wesen in der soliden Verwirklichung der Ruhe, des Friedens, der Befreiung und des Einsseins lebt, dann fallen die Begierden ab und das Erfordernis der Zurückweisung besteht nicht länger – denn es gibt nichts mehr, was zurückgewiesen werden müßte.

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Die mentale Verwirklichung (des einen Selbstes) bringt nicht dieses Ergebnis (Immunität gegen moha und śoka, gegen Täuschung und Sorge) , die spirituelle Verwirklichung hingegen bringt es. In der vedantischen Erfahrung bedeutet “erkennen” auch [zu etwas zu] “werden”, man ist dieses eine Selbst, ist damit identifiziert, und alle Tätigkeit der Natur scheint eine Bewegung zu sein, die auf jenem Selbst stattfindet, das selber nicht davon berührt wird. Daher gibt es kein moha oder śoka mehr. Das ist der Fall, wenn man die Erfahrung bewahren kann und wenn sie vollständig ist. Selbst wenn man diese Erfahrung nur als etwas Innerliches hat und die Bewegungen des Vitals an der Oberfläche fortbestehen, werden diese Bewegungen doch als etwas Äußeres und Oberflächliches empfunden, als nicht wirklich zu einem selbst gehörend – das Selbst im Inneren bleibt unberührt, ruhig, ohne Schmerz und im Frieden. Wenn auch das Vital in dieses Bewusstsein umgewandelt wird, gibt es sogar an der Oberfläche kein Leid mehr.

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Die dynamische Liebe kann sich nicht in gleichem Umfang über alle ergießen. Das würde eine chaotische Störung hervorrufen, da die Mehrheit der Menschen hierfür nicht vorbereitet ist. Allein die statische, unveränderliche, universale Liebe ist für alle in gleicher Weise anwendbar – jene [Liebe], die aus der stillen Weite des Herzens kommt und mit der stillen Weite des Mentals harmoniert, in welcher Gleichmut und unendlicher Friede wohnen.

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Man kann mit allen sprechen, außer man hat einen Grund, es nicht zu tun. Das Einssein mit allen ist eine innere Verwirklichung, die aber nicht notwendigerweise auferlegt, dass man alle gleich behandelt... Es ist die alte Geschichte von hāthī brahman und māhūt brahman. Es gibt eine fundamentale Verwirklichung und es gibt die Verschiedenheiten der līlā – beide müssen in Betracht gezogen werden.

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Es ist das Vital, das versucht, sich zu verausgaben in der stillschweigenden Hoffnung, etwas im Austausch zurückzuerhalten. Das Bewusstsein des Einsseins ist etwas, das hinter allem Leben steht; zweifellos gehen alle Formen der Zuneigung aus ihm hervor, wenn auch nicht bewusst, und werden dann, sobald das Vital das Wirken der Kraft der Liebe aufnimmt, von deren wahrer oder göttlicher Natur es nichts weiß, verändert, vermischt und entstellt.

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Genau das versuchte X zu tun, nämlich Liebe im Zusammenhang mit dieser oder jener Person zum Ausdruck zu bringen. Die universale Liebe aber ist nicht persönlich – sie muss innerlich als ein. Bewusstseinszustand bewahrt werden, der entsprechend dem Göttlichen Willen seine Auswirkungen haben oder, wenn notwendig, durch diesen Willen gebraucht werden wird; doch herumzulaufen und sie zur eigenen persönlichen Befriedigung oder zur Befriedigung von anderen zum Ausdruck zu bringen, heißt nur, sie zu verderben oder zu verlieren.

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Früher, wenn immer das Sich-Öffnen des Herzens stattfand, hast du es mit vitalem Vergnügen in Verbindung gebracht und anderen zugewandt, statt die Liebe dem Göttlichen zuzuwenden und ihre essentielle Reinheit zu bewahren – genauso war es mit dem höheren Bewusstsein, das, wenn es herabkam, in mentale Bewegungen zerstreut wurde. Diesmal kam beides (das Öffnen des Herzens und das höhere Bewusstsein) in reinerer Form, doch besteht immer noch die Gefahr, dass die mentalen und vitalen Kräfte sie ergreifen, und dann wird beides wahrscheinlich nicht mehr kommen oder sich auflösen. Daher musst du diesmal aufpassen und keine mentale Abweichung zulassen.

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Ich habe von Mc Taggart als einem Philosophen gehört, seine Gedankengänge und Schriften aber sind mir gänzlich unbekannt, und es ist daher ein wenig schwierig für mich, dir mit einiger Bestimmtheit zu antworten. Vereinzelte Gedanken und Sätze könnten leicht missverstanden werden, wenn sie nicht gegen den Hintergrund der Weltanschauung des Denkers gelesen werden. Außerdem besteht immer ein Unterschied des Standpunktes und der Annäherung zwischen dem spirituell Suchenden oder Mystiker, der (zuweilen) philosophiert, und dem intellektuellen Denker, der (manchmal oder zum Teil) mystifiziert. Ersterer beginnt bei einer spirituellen oder mystischen Erfahrung oder zumindest bei einer intuitiven Verwirklichung und versucht, sie und die Art ihrer Beziehung zu einer anderen spirituellen oder intuitiven Wahrheit in der unzulänglichen und zu abstrakten Sprache des Mentals auszudrücken; er sucht hinter dem Gedanken und Ausdruck nach einer spirituellen oder intuitiven Erfahrung, auf die sie hinweisen könnte, und, findet er sie nicht, dann neigt er dazu, den Gedanken, auch wenn er intellektuell scharfsinnig ist, oder den Ausdruck, auch wenn er intellektuell bedeutsam ist, als etwas Nicht-Substantielles – da ohne spirituelle Substanz – zu empfinden. Der intellektuelle Denker hingegen beginnt bei den Ideen und mentalisierten Gefühlen und bei anderen mentalen oder äußeren Phänomenen und versucht, die essentielle Wahrheit in oder hinter ihnen zu finden; meist macht er bei einer mentalen Abstraktion halt oder bei einer nur abgeleiteten mentalen Verwirklichung3 von etwas eigentlich Nicht-Mentalem. Wenn aber der wahre Mystiker irgendwo in ihm steckt, wird er manchmal darüber hinaus ein blitzartiges Aufleuchten oder zumindest einen flüchtigen Einblick erfahren. Ist es nicht der Zwang dieser Annäherung (ich meine die unzulängliche Methode der intellektuellen Philosophie und ihr Gebundensein an Wort und Idee, während für den wahren Mystiker Wort und Idee bestenfalls nützliche Symbole oder ein bedeutsames Aufflammen sind), der in Mc Taggart wie in vielen anderen die Entfaltung des inneren Mystikers verhinderte? Wenn der Rezensent recht hat, wäre dies der Grund, weshalb er abstrakt und trocken ist, während das Schöne und Bewegende in seinen Gedankengängen ein Licht wäre, das durchschimmert trotz der unzureichenden Mittel des Ausdrucks, zu denen philosophisches Denken uns zwingt. Ungeachtet dieser ziemlich langatmigen, einschränkenden Betrachtung will ich dennoch versuchen, mich mit den Auszügen oder gerafften Gedankengängen in deinem Brief auseinanderzusetzen.

“Liebe, die hauptsächliche Beschäftigung der Selbste in der absoluten Wirklichkeit”: Das scheint mir ein wenig übertrieben zu sein. Wenn man die “hauptsächliche Beschäftigung” durch “eine essentielle Macht” ersetzen würde, könnte ich das gelten lassen. Ich selbst würde behaupten, dass Seligkeit und Einssein der essentielle Zustand der absoluten Wirklichkeit sind; Liebe als die charakteristischste dynamische Macht von Seligkeit und Einssein muss grundlegend ihre Tätigkeiten stützen und ihnen Farbe verleihen, die Tätigkeiten selbst aber können ihrem Charakter nach vielfältig und brauchen nicht von einer bestimmten Art zu sein.

“Wohlwollen und Zuneigung”: In mentaler Erfahrung müssen Wohlwollen und Zuneigung von Liebe unterschieden werden; es scheint mir jedoch, dass sie jenseits des teilenden Mentals, wo das wahre Gefühl des Einsseins beginnt, bei einer höheren Intensität zu charakteristischen Werten der Liebe werden. Wohlwollen wird zu einem starken, von der Liebe auferlegten Zwang, im Geliebten immer das Gute zu suchen; Zuneigung wird zu dem Gefühl, aus Liebe alle Regungen des Geliebten und alles was ihn betrifft zu umschließen, daran teilzunehmen und als Teil des eigenen Daseins zu betrachten.

“Liebe ist etwas Wahres und ganz und gar in sich gerechtfertigt, ob ihre Ursache groß oder trivial ist.” Das stimmt in der menschlichen Praxis oft nicht, denn dort hängt das Schicksal der Liebe und ihrer Rechtfertigung in der Regel (obwohl nicht immer) von der Natur ihrer Ursache oder ihres Objektes ab. Wenn das Objekt der Liebe trivial ist, derart, dass es ein unangemessenes Instrument für die dynamische Verwirklichung der Empfindung des Einsseins ist – von der Mc Taggart sagt, dass sie die Essenz der Liebe sei –, wird die Erfüllung der Liebe voraussichtlich vereitelt. Es sei denn, sie begnügt sich damit, einfach zu existieren, sich in der ihr eigenen charakteristischen Art an den Geliebten zu verströmen, ohne eine Erwiderung für ihre Selbstverausgabung zu erwarten, ohne irgendeine gegenseitige Vereinigung. Dennoch mag die Äußerung stimmen, sofern sie die Liebe in ihrer Essenz betrifft; dann aber würde sie auf die Tatsache hinweisen, dass Liebe ihrem Ursprung nach eine selbstbestehende Kraft ist, eine Absolutheit, etwas Transzendentes (wie ich es ausgedrückt habe), nicht von den Objekten abhängig – sie hängt allein von sich selbst oder allein vom Göttlichen ab, denn sie ist eine selbstbestehende Macht des Göttlichen. Wenn sie nicht selbstbestehend wäre, könnte sie von der Natur oder der Reaktion ihrer Objekte kaum unabhängig sein. Das ist es zum Teil, was ich meine, wenn ich von transzendenter Liebe spreche – obwohl dies nur ein Aspekt ihrer Transzendenz ist. Diese selbstbestehende, transzendente Liebe wird, wenn sie sich über alle ausbreitet, sich überall hinwendet, um zu bergen, zu umschließen, zu einen und zu helfen, um sich zu Liebe und Seligkeit und Einssein zu erheben – diese Liebe wird zur kosmischen göttlichen Liebe; wenn sie sich intensiv an dies oder jenes anhängt, um sich zu finden, um eine dynamische Vereinigung zu erzielen oder hier [auf Erden] die Einung der Seele mit dem Göttlichen zu erreichen – diese Liebe wird zur individuellen göttlichen Liebe. Leider aber erfährt sie Minderungen im menschlichen Mental, im menschlichen Vital, im menschlichen Physischen; dort wird die göttliche Essenz der Liebe leicht von Fälschungen durchsetzt und durch die aus Teilung und Unwissenheit geborenen, entstellten Bewegungen getrübt, verhüllt oder vernichtet.

“Liebe und Selbst-Achtung”: Es klingt sehr hochtrabend, aber auch etwas trocken; diese “Emotion” im Liebenden scheint mir nicht sehr emotional zu sein, es ist eine auf die Spitze getriebene Folgerung, weit über dem Strom irgendwelcher emotionaler Impulse. Selbstachtung in diesem oder einem tieferen Sinn kann von Liebe kommen, aber ebenso von einem Teilhaben am Wissen, an der Macht oder an etwas, von dem man fühlt, dass es das Höchste oder aber von der Essenz des Höchsten ist. Die Leidenschaft der Liebe aber, die Anbetung der Liebe kann eine ziemlich andersartige, ja sogar gegenteilige Emotion hervorrufen. Der bhakta empfindet besonders in der Liebe zum Göttlichen oder zu jemandem, den er als göttlich empfindet [zum Beispiel den Guru], eine intensive Verehrung für den Geliebten, er hat ein Gefühl von etwas ungeheuer Großem, Schönem oder Bedeutendem, sich selbst gegenüber aber den starken Eindruck der eigenen vergleichsweisen Unwürdigkeit und dabei den leidenschaftlichen Wunsch, in die Ähnlichkeit mit dem hineinzuwachsen, den er anbetet. Was sehr häufig mit dem Ansturm der Liebe eintritt, ist eine Erhebung, das Gefühl eines inneren Sich-Weitens, von neuen Kräften und hohen oder schönen Möglichkeiten in der eigenen Natur oder ihrer Steigerung. Das aber ist genaugenommen nicht Selbst-Achtung. Eine tiefere Selbst-Achtung ist möglich, eine wahrere Emotion, eine Empfindung des Wertes, ja sogar der Heiligkeit der eigenen Seele, selbst des Mentals, des Lebens, des Körpers als Darbringung oder als Tempel für die innere Gegenwart des Geliebten.

Diese Reaktionen sind innig verbunden mit der Tatsache, dass die Liebe, wenn sie den Namen verdient, immer ein Suchen nach Einung ist, nach Einssein, in ihrem geheimen Grunde aber auch ein Suchen – wenn auch manchmal nur ein dunkles Tasten – nach dem Göttlichen. Liebe in ihren Tiefen ist ein Kontakt der Göttlichen Möglichkeit oder Wirklichkeit im eigenen Inneren mit der Göttlichen Möglichkeit oder Wirklichkeit im Geliebten. Die Unfähigkeit, diese Eigenart zu bejahen oder zu bewahren, macht die menschliche Liebe entweder vergänglich oder beraubt sie ihres vollen Sinnes oder verdammt sie, in eine weniger erhabene Bewegung abzusinken, die auf das Fassungsvermögen des menschlichen Gefäßes vermindert ist. An diesem Punkt aber kommt uns Mc Taggart mit seiner rettenden Formulierung zu Hilfe: “Wenn ich liebe, sehe ich den anderen nicht wie er jetzt (und in Wirklichkeit also nicht) ist, sondern wie er wirklich ist (also wie er sein wird).” Das übrige, “der andere mit all seinen Fehlern ist irgendwie unendlich gut, zumindest für seinen Freund”, scheint mir zu mental, um irgendetwas Eindeutiges vom Standpunkt der spirituellen inneren Werte abzuleiten. Aber auch der andere zitierte Satz ist nicht sehr klar. Sein Sinn liegt vermutlich in der Richtung von Vivekanandas Unterscheidung zwischen dem scheinbaren Menschen und dem wirklichen Menschen; oder er stimmt bis zu einem gewissen Grad mit dem Ausspruch von Yajnavalkya, einem der frühen Lehrer des Vedanta, überein, in dem es heißt: “Nicht des Weibes wegen liebt man das Weib (oder, nicht des Freundes wegen liebt man den Freund, usw.), sondern des Selbstes wegen (des größeren Selbstes, des inneren Spirits) ist sie einem lieb.” Yajnavalkya aber, der ein Sucher des Einen Absoluten (nicht des pluralistischen Absoluten) war, hätte die Folgerung in Mc Taggarts Satz nicht hingenommen; er würde gesagt haben, dass man darüber hinauszugehen habe, um letztlich das Selbst nicht im Weib oder im Freund zu suchen – obwohl man es dort eine Zeitlang suchen kann –, sondern in seinem eigenen Selbst-Bestehen. Jedenfalls scheint hier ein Bekenntnis vorzuliegen, wonach das Objekt der Liebe nicht das menschliche Wesen (wie es jetzt ist), sondern das innere Göttliche oder ein Teil des inneren Göttlichen ist (nenne es Gott, wenn du willst, oder nenne es das Absolute). Der Mystiker aber wäre nicht, wie Mc Taggart, mit jenem “sein wird” zufrieden, er würde nicht zustimmen, das Endliche auf Kosten eines unverwirklichten Unendlichen zu lieben. Er würde auf der vollen Verwirklichung bestehen, darauf, das Göttliche als solches oder als das manifestierte Göttliche zu finden; er wäre mit dem Göttlichen, das sich seiner nicht bewusst, das unmanifestiert ist oder nur potentiell in der Ferne besteht, nicht zufrieden.

An diesem Punkt hält der Vergleich mit dem Ishta Devata, den du vorschlägst,. nicht stand; denn der Ishta Devata, auf den sich der Suchende konzentriert, ist eine bewusste Persönlichkeit des Göttlichen, die den Erfordernissen der Persönlichkeit des Suchenden entspricht und ihm gleichsam wie in einem symbolischen Bildnis zeigt, wie das Göttliche ist, oder zumindest durch sich zum Absoluten weist. Als ich andererseits von der Selbst-Absorption der Göttlichen Kraft in ihrer Dynamik sprach, versuchte ich, die Möglichkeit, die diese anscheinend unbewusste Materie in einer Göttlich-Kosmischen Manifestation hat, zu erklären. Ich sagte, dass in dem vordergründigen Ablauf etwas vom Göttlichen enthalten sei, das sich mit so viel Konzentration in die stoffliche Form geworfen hatte, dass es zur Bewegung wurde und zur Form, die durch die Bewegung der Kraft geschaffen wird, und alles, was nicht das ist, zurückdrängt, genauso wie ein Mensch sich konzentrieren und sein eigenes Dasein in dem, was er tut, sieht oder schafft, vergessen kann, nur in größerem Ausmaß und dauerhafter. Im Menschen selbst, der nicht unbewusst ist, tritt dies auf andere Weise zutage; sein vordergründiges Wesen gewahrt nicht, was hinter der Oberflächen-Persönlichkeit und Oberflächen-Tätigkeit steht, genau wie der Wesensteil des Schauspielers, der zur Rolle wird, das andere, dauerhaftere Selbst hinter dem Schauspieler vollständig vergisst In beiden Fällen aber ist ein größeres Selbst dahinter vorhanden – “eine Bewusstheit in unbewussten Dingen” –, das sich sowohl seiner selbst bewusst ist als auch der sich vergessenden vordergründigen Form, die als Geschöpf gesehen wird. Erkennt Mc Taggart dieses bewusste Göttliche im Inneren? Er misst diesem Absoluten oder Wirklichen Selbst zu wenig Bedeutung bei, das – wie er es noch sieht – in der unwirklichen oder weniger wirklichen Erscheinungsform enthalten ist. Seine Leugnung des Göttlichen hat ihre Ursache in dem Beharren seines Mentals und seines vitalen Temperamentes auf dem Freund “wie er ist”, obwohl sein höheres Mental versuchen könnte, sich dem durch die Vorstellung zu entziehen, was sein Freund “sein wird”; sonst wäre es schwierig, die ungeheure Übertreibung in seiner These zu verstehen, dass die Liebe zu Freunden das einzig Wirkliche im Leben sei, und seine Abgeneigtheit, Gott eine Chance zu geben aus Furcht, dass dies ihm den Freund nehmen und an seiner Stelle das Göttliche zurückbleiben könnte.

Ich verstehe nicht ganz seine Auffassung des Absoluten. Wie kann man sagen, dass eine Gesellschaft (?) von einzelnen Selbsten insgesamt das Absolute sei? Wenn gemeint ist, dass eine Vereinigung von bewussten, befreiten Selbsten die Gegenwart des Göttlichen und eine gewisse Art von Manifestation möglich macht, so ist das verständlich. Oder wenn mit Gesellschaft nur gemeint ist, dass die Summe oder Gesamtheit aller einzelnen Selbste das Göttliche ergibt und diese einzelnen individuellen Selbste alle Teile des Göttlichen sind, dann wäre dies eine verständliche (pantheistische) Lösung. Nur wäre es eher eine Göttliche Gesamtheit oder eine Art Kosmischen Selbstes oder Spirits als das Absolute. Denn wenn es ein Absolutes gibt – an das zu glauben man intellektuell nur dann gebunden ist, wenn etwas im höheren Mental fordernd darauf zu bestehen scheint oder fühlt, dass es vorhanden ist –, muss es mit Sicherheit in seinem eigenen absoluten Recht bestehen und kann von einem Kollektiv einzelner Selbste weder eingesetzt noch in seinem Dasein von ihm abhängig sein – es muss in sich selbst bestehen. Für den Intellekt mag solch ein Absolutes ein undefinierbares, unverständliches X sein, doch führt die mystische oder spirituelle Erfahrung, wenn sie weit genug reicht, letzten Endes dorthin, wie auch immer die Pforte sein mag, durch die man einen ersten Blick davon erhält – es ist vorhanden, selbst wenn es in dieser anfänglichen Erfahrung noch nicht voll begriffen wird.

Deine eigene Erfahrung davon [des Absoluten] war, wie du sagst, ein Einbruch des Unendlichen in das Endliche – eine größere Macht, die auf dich herabkam oder dich zu sich erhob. So ist es immer mit der spirituellen Erfahrung, und daher spreche ich davon als dem Transzendenten. Es offenbart sich als solch eine herabkommende und erhebende Macht oder als herabkommende oder erhebende Liebe – oder als Licht, Friede, Seligkeit, Bewusstsein, Gegenwart; es ist von seiner Manifestation im Endlichen nicht begrenzt – man fühlt, dass der Friede, die Macht, die Liebe, das Licht, die Seligkeit oder die Gegenwart, in der all dies existiert, eine selbstbestehende Unendlichkeit ist und nicht etwas, das durch unsere erste Wahrnehmung davon hier geformt oder begrenzt wurde. Mc Taggarts Liebe zu Freunden blieb für ihn die einzig wirkliche Sache. Ich muss annehmen, dass er diese erste Wahrnehmung nicht hatte. Doch ist einmal dieser Einbruch erfolgt, dann wird dieses Herabkommen und Erheben zwangsläufig das einzig Wirkliche, denn nur dadurch kann das übrige seine eigene, anhaltende und größere Wirklichkeit finden. Es ist die Herabkunft des Göttlichen Bewusstseins und unser Aufsteigen und Erhobenwerden in dieses Göttliche Bewusstsein, wovon wir in unserem Yoga sprechen. Alles übrige kann nur dann standhalten, gut werden, sich erfüllen, wenn es sich dazu erheben kann, ein Teil dieser göttlichen Verwirklichung oder seiner Manifestation zu sein, und hierfür muss es eine große Umwandlung und Vervollkommnung in Kauf nehmen. Die zentrale Verwirklichung aber muss das zentrale Ziel sein, und allein diese Verwirklichung ist es, die andere Dinge – alles was ein Teil davon werden soll – auf göttliche Weise möglich macht.

II. Bhakti und Anbetung

Das Wesen der bhakti ist Verehrung und Anbetung sowie die Selbst-Darbringung an etwas, das größer ist als man selbst; das Wesen der Liebe ist ein Gefühl der Nähe und Einung oder das Suchen danach. Das Selbst-Geben liegt im Wesen von beidem, beides ist im Yoga notwendig und jedes für sich erhält erst seine volle Kraft, wenn es vom anderen unterstützt wird.

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bhakti ist keine Erfahrung, es ist ein Zustand des Herzens und der Seele. Es ist ein Zustand, der eintritt, wenn das seelische Wesen erwacht ist und hervortritt.

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Auf dem Weg der ahaitukī bhakti (bhakti ohne Motiv) kann alles zu einem Instrument gemacht werden – Dichtung und Musik zum Beispiel sind nicht mehr allein Dichtung und Musik, sogar nicht nur ein Ausdruck der bhakti, sondern werden selbst zu einem Mittel, um den Zustand von Liebe und bhakti herbeizuführen. Die Meditation ist kein Bemühen mentaler Konzentration mehr, sondern ein Strömen von Liebe und Verehrung und Anbetung.

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In diesem Yoga gibt es keine Begrenzung auf eine nur innere Anbetung und Meditation. Da es ein Yoga für das ganze Wesen und nicht allein für das innere Wesen ist, kann eine derartige Begrenzung nicht beabsichtigt sein. Alte Formen der verschiedenen Religionen können wegfallen, doch ist das Fehlen aller Form nicht die Regel der Sadhana.

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Das sind die Übertreibungen des Mentals, welches die eine Seite der Wahrheit erkennt und die anderen nicht beachtet. Die innere bhakti ist die Hauptsache und ohne sie wird die äußere zu einer Form und einem bloßen Ritual – und dennoch hat sie ihren Platz und Wert, wenn sie offen und ehrlich ist.

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Was ist mit bāhyapūjā (äußerer Ritus) gemeint? Wenn er wirklich rein äußerlich ist, stellt er natürlich die niedrigste Form dar; wenn er aber im wahren Bewusstsein verrichtet wird, kann er der Anbetung die größtmögliche Vollendung bringen, indem er dem Körper und rein äußerlichen Bewusstsein erlaubt, am Geist und Akt der Anbetung teilzunehmen.

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Die Photographie ist nur ein Mittel [des Ausdrucks] – wenn du aber das rechte Bewusstsein hast, kannst du etwas vom lebendigen Wesen hineinbringen oder das Wesen wahrnehmen, das sie ausdrückt, und auf diese Weise kann sie zu einem Instrument des Kontaktes werden. Dies gleicht dem prāṇapratiṣṭhā [dem Einhauchen von Leben in ein Idol] im Bildnis des Tempels.

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Was du sagst, ist zweifellos richtig, es ist jedoch besser, die Stütze nicht zu entfernen, die dem Glauben jener dienen könnte, die solcher Stütze noch bedürfen. Visionen, Bildnisse und Zeremonien haben diesen Zweck. Es ist ein spirituelles Prinzip, einen Glauben oder etwas, das einen Glauben stützt, nicht wegzunehmen, solange die betreffenden Personen nicht fähig sind, diese Dinge durch etwas Größeres und Vollständigeres zu ersetzen.

Wenn durch den prāṇapratiṣṭhā eine machtvolle Gegenwart herabgebracht wurde, kann diese noch lange dort verweilen, auch wenn derjenige, der sie herab brachte, seinen Körper bereits verlassen hat. Meist wird sie durch die bhakti des Priesters und die Aufrichtigkeit des Glaubens und die Anbetung jener bewahrt, die zur Andacht in den Tempel kommen. Wenn diese versagen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich die Gegenwart zurückzieht.

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Man kann auf mancherlei Weise sehen. Es gibt die oberflächlich Schau [oder das normale Sehen], die nur für den Augenblick oder für eine gewisse Zeitspanne ein Bildnis des gesehenen Wesens errichtet oder empfängt; das bringt keine Wandlung – es sei denn, die innere bhakti macht es zu einem Instrument der Wandlung. Es gibt aber auch das Empfangen des lebenden Bildnisses in einer seiner Formen im eigenen Inneren – zum Beispiel im Herzen; das kann eine unmittelbare Auswirkung haben und eine Zeit spirituellen Wachsens einleiten. Dann gibt es noch die Schau außerhalb von einem in einer mehr oder weniger objektiven und feinstofflichen oder stofflichen Weise.

Was die milana [Kontakt, Einung] anbelangt, so findet der bleibende Kontakt innerlich statt, und das kann zu allen Zeiten stattfinden; die äußere milana oder der äußere Kontakt hält meist nicht an. Es gibt Menschen, die oft oder beinahe immer, wenn sie ihre Andacht verrichten, den Kontakt haben; die Gottheit kann für sie im Bildnis oder einem anderen Idol, das sie anbeten, lebendig werden und durch es etwas auslösen oder handeln; andere mögen sie immer als gegenwärtig empfinden, äußerlich, feinstofflich – dort wo sie leben oder im gleichen Zimmer bei ihnen weilend; das hält aber meist nur für eine gewisse Zeit an. Oder sie können die Gegenwart fühlen, sie häufig in einem Körper sehen (aber nicht stofflich, abgesehen von Ausnahmen), ihre Berührung oder Umarmung spüren, sich fortwährend mit ihr unterhalten – auch das ist eine Art von milana. Die größte milana ist die, in der man immerfort die Gottheit in sich wahrnimmt – die Gottheit, die allem in der Welt innewohnt, die die ganze Welt in sich birgt, die mit ihrem Dasein identisch und dennoch zuhöchst jenseits der Welt ist –, aber auch in der Welt nichts als die Gottheit sieht, hört und fühlt, so dass selbst die Sinne sie bezeugen. All dies schließt solche besonderen persönlichen Offenbarungen, wie sie X und seinem Guru gewährt werden, nicht aus. Je mehr Wege der Einung es gibt, desto besser.

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Man kann die Offenbarung durch jeden der Sinne empfangen oder durch ein Fühlen im Bewusstsein – in der vollständigen objektiven Offenbarung gibt es Sehen, Hören, Berührung, alles.

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Was ich meinte war, dass man das göttliche Bewusstsein als einen unpersönlichen, spirituellen Zustand fühlen kann, einen Zustand des Friedens, des Lichtes, der Freude, der Weite, ohne darin die göttliche Gegenwart zu empfinden. Die Göttliche Gegenwart hingegen wird so empfunden, als sei jemand die lebendige Quelle und Essenz jenes Lichtes usw., also als ein Wesen und nicht als spiritueller Zustand. Die Gegenwart der Mutter ist noch konkreter, noch eindeutiger und persönlicher – sie gleicht nicht der [Gegenwart] eines Unbekannten, einer Macht oder eines Wesens, sondern ist wie die Gegenwart von jemand, den man kennt, der einem vertraut ist, den man liebt, dem man das ganze Wesen in einer lebendigen, konkreten Weise darbringen kann. Das Bildnis ist nicht unerlässlich, obwohl es hilft – die Gegenwart kann auch ohne es innerlich empfunden werden.

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Wenn die Gegenwart des Göttlichen gefestigt ist, so heißt das, dass das Wesen für die Umwandlung bereit ist, die dann auf natürliche Weise vor sich geht.

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ādeśa und darśana sind Elemente eines Stadiums der Sadhana, das noch weit von dem Zustand der Einung entfernt ist. Mental und Vital suchen den Kontakt durch darśana und die Führung durch ādeśa. Das Ziel in unserem Yoga ist das fortwährende Einssein mit dem Göttlichen, seine Gegenwart und Führung in jedem Augenblick. Auf der mentalen und vitalen Ebene aber bleibt dies meist unvollkommen, und die Wahrscheinlichkeit des Irrens ist groß. Erst die Supramentalisierung macht die vollkommene Wahrheit dieser Göttlichen Einung in ihrem Wirken möglich.

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III. Bhakti-Emotion

Die Annahme, dass ich gegen bhakti oder gegen emotionelle bhakti sei – was auf das gleiche hinausläuft, da es ohne Emotion keine bhakti geben kann –, beruht auf einem Missverständnis. Ich habe vielmehr in meinen Schriften über den Yoga der bhakti den obersten Rang eingeräumt. Ich betone allerdings immer, und das könnte das Missverständnis erklären, dass ich gegen eine ungeläuterte Emotion bin, die meiner Erfahrung nach zu Gleichgewichtsverlust, zu erregtem oder unharmonischem Ausdruck oder gar zu gegenteiligen Reaktionen führt und im äußersten Fall zu nervöser Störung. Das Beharren auf Läuterung aber bedeutet nicht, dass ich das wahre Gefühl und die wahre Emotion verurteile, ebensowenig wie das Beharren auf einem geläuterten Mental oder Willen bedeutet, dass ich das Denken oder den Willen verurteile. Im Gegenteil, je tiefer die Emotion, je inniger die bhakti ist, desto größer ist die Kraft für die Verwirklichung und Umwandlung. Die Intensität der Emotion bringt meist das seelische Wesen zum Erwachen – und dann öffnen sich die inneren Türen dem Göttlichen.

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Das verdorrte Herz gehört nicht zu diesem Yoga – die Emotionen aber müssen dem Göttlichen zugewandt sein. Es kann kurze Zeitspannen geben, in denen das Herz still ist, sich von den gewöhnlichen Gefühlen abwendet und auf das Einströmen von oben wartet; solche Zustände sind jedoch nicht die des Verdorrens, sondern des Schweigens und Friedens. In Wirklichkeit sollte das Herz in diesem Yoga das Hauptzentrum der Konzentration sein, bis das Bewusstsein nach oben aufsteigt.

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In diesem Yoga ist die Emotion notwendig; es ist lediglich die übersteigerte emotionale Sensitivität, die einen über kleine Dinge verzweifeln lässt und die überwunden werden muss. Die eigentliche Grundlage dieses Yoga ist bhakti, und wenn man sein emotionales Wesen abtötet, kann es keine bhakti geben. Daher kann die Emotion nicht vom Yoga ausgeschlossen werden.

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Die Emotion ist ein gutes Element im Yoga, das emotionale Begehren aber wird leicht zu einer Ursache der Störung, zu einem Hindernis.

Wende deine Emotionen dem Göttlichen zu, strebe nach ihrer Läuterung – dann werden sie zu einer Hilfe auf dem Weg und sind nicht mehr eine Ursache des Leidens.

Die Emotion nicht abzutöten, sondern sie dem Göttlichen zuzuwenden – das ist der richtige Weg im Yoga.

Sie muss aber eine reine Emotion werden und auf spirituellem Frieden und auf spiritueller Freude aufgebaut sein und sie muss in den ānanda umgewandelt werden können. Gleichmut und Ruhe im Mental und den vitalen Teilen und eine intensive seelische Emotion im Herzen können durchaus harmonieren.

Erwecke durch dein Streben das seelische Feuer im Herzen, das stetig zum Göttlichen brennt – das ist der einzige Weg, die emotionale Natur zu befreien und zu vollenden.

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Die gewöhnlichen vitalen Emotionen sind es, die Energie verschwenden und die Konzentration und den Frieden stören und die verhindert werden müssen. Emotion als solche ist nichts Schlechtes; sie ist ein notwendiger Teil der menschlichen Natur, und die seelische Emotion ist eine der machtvollsten Hilfen der Sadhana. Diese seelische Emotion, welche die Tränen der Liebe für das Göttliche oder die Tränen des ānanda auslöst, sollte nicht unterdrückt werden; es ist allein das vitale Gemisch, das die Störung in der Sadhana verursacht.

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Die emotionale Anbetung ist äußerlicher als die seelische – sie neigt dazu, sich äußerlich auszudrücken. Die seelische ist innerlich und kann die Richtung für das ganze innere und äußere Leben bestimmen. Die emotionale kann zwar intensiv sein, ist aber in ihrer Grundlage weder fest noch machtvoll genug, um richtungsverändernd auf das Leben einzuwirken.

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Es ist durchaus richtig, dass man sich aller Probleme entziehen kann, indem man sein Bewusstsein nach oben wendet, denn dann hören sie auf zu bestehen; unten aber sind sie weiterhin vorhanden, und es ist schwierig, mit soviel Ungelöstem, das nach Lösung verlangt, immer oben zu bleiben. Man kann sich aber auch – so wie man sich hoch erheben kann – tief nach innen wenden, und diese Wendung nach innen ist notwendig. Was sich in deinem Fall ereignete, fand an der Oberfläche des emotionalen Wesens statt, und dort können die Schwierigkeiten des Emotionals auftauchen; man darf also nicht an der Oberfläche bleiben, sondern muss tief nach innen gehen. Denn hinter der emotionalen Oberfläche, tief hinter dem Herzzentrum, befindet sich die Seele. Ist sie einmal erreicht, können einen diese Dinge nicht länger berühren, denn dort ist der innere Friede, das Glück, das ungestörte Streben, die Gegenwart oder Nähe der Mutter.

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Sentimentalität ist, sich den Emotionen – der Liebe, dem Leid, der Sorge und Verzweiflung, der Freude usw. – hinzugeben, und zwar um ihrer selbst willen, mit einer Art mental-vitaler Überbetonung. In einem tiefen Gefühl sollten Ruhe, Kontrolle, läuternde Beschränkung und Maßhalten vorherrschen. Man sollte seinen Gefühlen und Regungen nicht ausgeliefert, sondern immer Herr über sich selbst sein.

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Wenn das Bewusstsein sich diesen Dingen hingibt und in der Erregung emotionaler Freude oder emotionalen Leidens schwelgt, nennt man das Sentimentalität. Es gibt noch eine andere Art von Sentimentalität, in der das Mental Freude über die Wahrnehmung von Emotion, Liebe, Leid usw. empfindet und damit spielt – das aber ist eine nicht so tiefe und oberflächlichere Sentimentalität.

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Die mentale Kenntnis der Sadhana ist nicht unerlässlich. Wenn man bhakti hat und in der Stille des Herzens strebt, wenn die wahre Liebe für das Göttliche vorhanden ist, wird sich die menschliche Natur von selbst öffnen, die wahre Erfahrung kommen und die Macht der Mutter in dir wirken – und dann wird auch die nötige Kenntnis kommen.

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Das Göttliche und die Wahrheit haben immer eine persönliche und eine unpersönliche Seite, und es ist ein Fehler anzunehmen, dass allein die unpersönliche wahr oder wichtig ist; denn wenn man nur einer Seite Genüge tut, führt das in einem Teil des Wesens zu einer leeren Unvollkommenheit. Das Unpersönliche ist Sache des intellektuellen Mentals und des statischen Selbstes, das Persönliche hingegen ist Sache der Seele, des Herzens und des dynamischen Wesens. Jene, die das persönliche Göttliche außer acht lassen, übersehen etwas, das tief und wesentlich ist.

Dem Herzen in seinen reineren Impulsen zu folgen, ist mindestens so wertvoll wie die Treue des Mentals zu seiner Auffassung der Wahrheit.

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Die Ursache liegt im analysierenden Mental, das aktiv ist, was immer mit einer gewissen Trockenheit verbunden ist; das höhere Mental oder die Intuition bringt ein viel spontaneres und vollkommeneres Wissen – den Beginn des wahren jñāna ohne Bemühung. Die bhakti, die du fühlst, ist seelisch, doch mit einer starken vitalen Färbung; der Gegensatz zwischen bhakti und jnana wird durch das Mental und Vital verursacht, die zwischen ihnen stehen. Das Vital, dessen Anliegen allein die Emotion ist, findet mentales Wissen trocken und ohne rasa, [Saft], das Mental aber glaubt, dass bhakti ein blindes Gefühl sei, das erst dann interessant wird, wenn sein Wesen analysiert und verstanden wurde. Dieser Gegensatz hört auf zu bestehen, wenn die Seele und das Wissen einer höheren Ebene weitgehendst zusammenwirken – dann heißt die Seele das Wissen willkommen, das ihre Emotion stützt, und das höhere Denk-Bewusstsein erfreut sich der bhakti.

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Es gibt nichts Derartiges wie eine mechanische und künstliche Anbetung – entweder Anbetung oder keine Anbetung. Anbetung kann innig oder nicht innig sein, vollständig oder unvollständig, manchmal offenbar und manchmal verhüllt – eine mechanische oder künstliche Anbetung jedoch ist ein sprachlicher Widerspruch.

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Deine neue Einstellung gegenüber dem Essen und den äußeren Dingen ist die richtige, das heißt die seelische Haltung, die anzeigt, dass die Seele bereits das Vital-Physische und die anderen Teile der vitalen Natur lenkt.

Was nun das Herz anbelangt, so ist die Bewegung der Sehnsucht nach dem Göttlichen – das Weinen, Sorgen und Sehnen – nicht wesentlich in diesem Yoga. Ein kraftvolles Streben muss vorhanden sein, eine intensive Sehnsucht kann sehr wohl auch vorhanden sein, ebenso eine glühende Liebe und der Wille zur Einung; Sorge und Unruhe jedoch sind nicht notwendig. Die Ruhe und Stille, die du in deinem Herzen fühlst, rühren her von dem Druck des höheren, herabkommenden Bewusstseins. Das bringt immer Ruhe in das Mental und Herz und im Maße seines Herabkommens großen Frieden und großes Schweigen. Im schweigenden Herzen und Mental muss die wahre Haltung vorhanden sein, und dann wirst du dich als Kind der Mutter fühlen und den Glauben und Willen haben, mit ihr vereint zu sein. Das Streben und die schweigende Erwartung des Kommenden können damit Hand in Hand gehen. Auch das scheinst du zu haben. Und daher ist alles in Ordnung.

Ich habe oft dargelegt, dass es zwei Umwandlungen in diesem Yoga gibt. Die erste findet statt, wenn das seelische Wesen hervortritt und die menschliche Natur lenkt und wandelt. Das geschah sehr rasch in dir; sie muss sich noch vervollständigen, was aber auf natürliche Weise vonstattengehen wird. Die zweite [Umwandlung] besteht in der Herabkunft des Bewusstseins der Mutter von oberhalb des Kopfes und seiner Umwandlung des ganzen Wesens und der Natur. Auch das bereitet sich nun in dir vor. Es ist der Grund für den Druck und das Schweigen im Herzen usw.. Als du dieses Mal [bewusstseinsmäßig] aufgestiegen bist, hattest du die Erfahrung der Weite des höheren Wesens in diesem höheren Bewusstsein über dir sowie des Lichtes, das durch es herabkommt. Diese Weite und dieses Licht werden später in dich herabkommen, und dein Bewusstsein wird in das Licht und die Weite und alles, was darin enthalten ist, umgewandelt werden.

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viraha [die Abwesenheit des Göttlichen Geliebten] ist eine vorübergehende Erfahrung auf der Ebene des vitalen Suchens nach dem Spirit, und es gibt keinen Grund, warum es in einem verhältnismäßig frühen Stadium der Sadhana nicht möglich sein sollte. Das Kennzeichen einer fortgeschrittenen Sadhana sind Verwirklichungen ohne jedes Unbehagen, Verwirklichungen im reinen ānanda.

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Das reine Gefühl von viraha ist seelisch – wenn aber rajasische oder tamasische Bewegungen aufkommen (wie Niedergeschlagenheit, Klagen, Aufbegehren usw.), dann wird es tamasisch oder rajasisch.

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Trennungsschmerz gehört dem Vital und nicht der Seele an; die Seele kennt keine Schmerzen und braucht sie daher nicht auszudrücken. Die Seele ist immer dem Göttlichen in Glauben, Freude und Vertrauen zugewandt – ihr Streben ist immer voller Zuversicht und Hoffnung.

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Je eher du dich von abhimāna [verletztem Stolz] befreien kannst, umso besser. Jeder, der sich verletztem Stolz hingibt, liefert sich dem Einfluss feindlicher Mächte aus. abhimāna hat mit wahrer Liebe nichts zu tun; es ist wie die Eifersucht ein Teil des vitalen Egoismus.

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Das eigentliche Ziel des Yoga ist eine Wandlung des Bewusstseins; durch die Erlangung eines neuen Bauwesens oder indem das verborgene Bewusstsein des wahren Wesens im Inneren enthüllt und in zunehmendem Maß offenbar und vervollkommnet wird, gelangt man zunächst in Kontakt und dann zu einer Einung mit dem Göttlichen. ānanda und bhakti sind Teile dieses tieferen Bewusstseins, und nur wenn man in ihm lebt oder in es hineinwächst, können ānanda und bhakti zu einem dauernden Zustand werden. Bis dahin kann man nur Erfahrungen von ānanda und bhakti haben, nicht aber den immerwährenden, andauernden Zustand. Dieser Zustand der bhakti und immerfort wachsenden Hingabe tritt jedoch nicht bei allen in einem frühen Stadium der Sadhana ein; viele, sogar die meisten, müssen eine lange Reise der Läuterung und tapasyā auf sich nehmen, bevor es soweit ist, und Erfahrungen dieser Art, zuerst selten und vereinzelt, später häufiger, sind dann die Marksteine ihres Fortschritts. Es hängt von bestimmten Voraussetzungen ab, die mit einer großen oder kleinen Fähigkeit für den Yoga nichts zu tun haben, sondern eher mit der Bereitschaft des Herzens sich zu öffnen – wie du sagst, der Sonne des Göttlichen Einflusses.

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Das Strömen der Hingebung und Liebe ist etwas, das, Je öfter es sich wiederholt, je öfter es erwacht, zwangsläufig alle Teile des Wesens erfasst und seine Wirkung auf sie ausübt.

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Was du über die Ersetzung fühltest, ist durchaus richtig. Die Umwandlung schreitet zu einem großen Teil voran, indem das alte, oberflächliche Selbst und seine Bewegungen beseitigt oder ausgestoßen und durch ein neues, tieferes Selbst mit seinem wahren Wirken ersetzt werden.

Es macht nichts aus, wenn das höhere Gefühl, die Hingebung usw. dir manchmal wie ein Einfluss oder eine Farbgebung erscheinen. Es gleicht dem Gefühl, das entsteht, wenn du im äußeren Physischen, im äußeren Vital oder äußeren Mental lebst. Diese Gefühle sind in Wirklichkeit die deines innersten Selbstes, deiner Seele, des seelischen Wesens in dir, und wenn du im seelischen Bewusstsein lebst, werden sie normal und natürlich. Wenn sich aber dein Bewusstsein verlagert und veräußerlicht, dann wird dieses Wirken der Seele oder des Göttlichen Bewusstseins selbst als etwas Äußerliches oder als bloßer Einfluss empfunden. Nichtsdestoweniger musst du dich ihm [diesem Wirken der Seele] fortwährend öffnen, damit es mehr und mehr in dich einsickert oder in aufeinanderfolgenden Wogen oder Fluten kommt, bis es das Mental, das Vital und den Körper erfüllt hat. Du wirst es dann nicht nur immer als normal empfinden, sondern als Teil deines eigenen Selbstes, als die wahre Substanz deiner Natur.

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Wenn man die Hingebung des emotionalen Wesens nur deshalb nicht unterstützt, weil das niedere Vital noch nicht unter Kontrolle steht und anders handelt, wie soll dann die Hingebung wachsen und das niedere Vital sich verändern? Bis zur letzten Klärung und Harmonisierung der Natur gibt es immer Widersprüche im Wesen, das ist aber kein Grund, das Spiel der höheren Bewegungen zu unterdrücken – im Gegenteil, sie sollten gepflegt und gemehrt werden.

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IV. Bhakti und Glaube

Deine rückhaltlose Billigung der Vaishnava Idee und der bhakti nimmt sich etwas verwirrend aus angesichts deiner Behauptung, dass man das Göttliche erst lieben kann, wenn man die Erfahrung des Göttlichen hat. Denn was ist verbreiteter in der Einstellung des Vaishnava als die Freude der bhakti um ihrer selbst willen? “Gib mir bhakti”, ruft er, “was immer du mir sonst auch vorenthältst. Lass meine bhakti, mein Suchen nach dir, meinen Ruf, meine Liebe, meine Anbetung immer währen, auch wenn es noch lange dauert, bis ich dir begegne, und du mich auf deine Offenbarung warten lässt.” Und singt nicht der bhakta ständig: “Mein ganzes Leben lang habe ich dich gesucht, und du bist immer noch nicht gekommen – ich aber suche dennoch weiter und muss dich immerfort suchen und lieben und anbeten.” Es sei unmöglich, Gott zu lieben, bevor du die Erfahrung von ihm hast? Also wirklich, dein Mental scheint den Karren vor das Pferd zu spannen! Zuerst sucht man Gott mit Ausdauer oder Geduld, später findet man ihn, die einen früher, die anderen später, die meisten jedoch erst nach langem Suchen. Man findet ihn nicht zuerst und sucht dann nach ihm. Selbst ein flüchtiger Eindruck wird einem oft erst nach langem oder fieberhaftem Suchen gewährt. Man hat die Liebe zu Gott oder auf jeden Fall ein gewisses Verlangen des Herzens nach ihm, später nimmt man die Liebe Gottes wahr, seine Antwort auf das Verlangen des Herzens, seine Erwiderung in Form der höchsten Freude, des höchsten ānanda. Man sagt aber nicht zu Gott: “Zeige mir von Anfang an deine Liebe, überhäufe mich mit der Erfahrung deiner selbst, befriedige mein Verlangen, dann werde ich schon sehen, ob ich dich so lieben kann, wie du es verdienst.” Ganz bestimmt ist es der Suchende, der zuerst suchen und lieben muss, der die Suche aufnehmen und die Leidenschaft für die Suche in sich entfachen muss – erst dann hebt sich der Schleier und erscheint das Licht und offenbart sich das Antlitz, das der Seele nach ihrem langen Aufenthalt in der Wüste allein Genüge tun kann.

Und wiederum wirst du sagen: “Ob ich liebe oder nicht, ich will, ich habe immer gewollt und will mehr und mehr – ich erhalte aber nichts.” Doch Wollen allein genügt nicht. Wie du jetzt einzusehen beginnst, gibt es Bedingungen, die erfüllt werden müssen, wie zum Beispiel die Läuterung des Herzens. Deine Theorie war: “Wenn ich Gott wirklich will, muss Gott sich mir offenbaren, zu mir kommen, mir wenigstens einen flüchtigen Eindruck von sich gewähren, die wirkliche, solide, konkrete Erfahrung, nicht bloß verschwommene Dinge, die ich weder verstehen noch schätzen kann. Gottes Gnade muss auf meinen Ruf antworten, ob ich es verdiene oder nicht – oder aber es gibt keine Gnade.” Gottes Gnade kann dies in bestimmten Fällen tatsächlich tun, doch woher nimmst du das “muss”? Wenn Gott es tun muss, ist es nicht mehr Gottes Gnade, sondern Gottes Pflicht, seine Obliegenheit, ein Vertrag oder ein Pakt. Das Göttliche blickt in das Herz und entfernt den Schleier in dem Augenblick, den es für den richtigen hält. Du verweist auf die bhakti-Theorie, wonach man nur seinen Namen zu rufen braucht und er zu antworten hat und sofort gegenwärtig sein muss. Vielleicht, doch für wen trifft dies zu? Mit Sicherheit für einen bestimmten Typ des bhakta, der die Macht des Namens fühlt, der die Glut des Namens fühlt und sie in seinen Aufschrei legt. Wenn man so ist, kann die unmittelbare Erwiderung kommen – wenn nicht, dann muss man erst so werden. Manche jedoch wiederholen den Namen jahrelang, bevor eine Antwort erfolgt. Ramakrishna erhielt sie nach einigen Monaten, doch was waren das für Monate! Und welche Bedingungen hatte er zu erfüllen, bevor er sie erhielt! Dennoch war es ein rascher Erfolg, da er bereits ein reines Herz hatte, in dem die göttliche Leidenschaft brannte.

An sich ist es nicht der bhakta, sondern der Mann des Wissens, der zuerst nach Erfahrung verlangt. Er sagt: “Wie vermag ich ohne Erfahrung zu wissen?” und fährt in seiner Suche fort, und wenn es dreißig Jahre lang dauert, um nach der entscheidenden Verwirklichung zu streben. Es ist wirklich der Mann des Intellekts, der Rationalist, der sagt: “Gott, wenn es ihn gibt, soll sich mir erst beweisen, dann werde ich glauben, dann werde ich eine ernsthafte und bleibende Anstrengung machen, um ihn zu erforschen und zu sehen, wie er ist.”

All dies bedeutet nicht, dass Erfahrung ohne Belang für die Sadhana ist – ganz bestimmt habe ich nicht etwas derartig Dummes gesagt. Was ich sagte war, dass die Liebe zum Göttlichen, das Suchen nach dem Göttlichen vorhanden sein können und meist vorhanden sind, bevor sich eine Erfahrung einstellt – es ist ein Instinkt, ein inneres Sehnen der Seele, die sich entfalten, sobald gewisse Hüllen der Seele sich auflösen oder aufzulösen beginnen. Weiterhin habe ich gesagt, dass es besser sei, die Natur vorzubereiten (das geläuterte Herz und all das), bevor die “Erfahrungen” beginnen – besser als umgekehrt –, und ich begründe dies mit den vielen Fällen, denen Erfahrungen zur Gefahr wurden, bevor Herz und Vital für die wahre Erfahrung bereit waren. Es gibt allerdings Fälle, bei denen anfangs eine wahre Erfahrung stattfindet, eine Berührung durch die Gnade, doch ist das nichts Anhaltendes und immer Gegenwärtiges, sondern vielmehr ein Anrühren, das sich dann zurückzieht und auf das Bereitsein der menschlichen Natur wartet. Dies ist jedoch nicht immer so, vermutlich nicht einmal in der Mehrzahl der Fälle. Man hat mit der inneren Sehnsucht, die der Seele innewohnt, zu beginnen, es folgt das Ringen der menschlichen Natur, damit der Tempel bereit werde, dann die Enthüllung des Bildnisses, die bleibende Gegenwart im Heiligtum.

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Die Yogis und Sucher in alten Zeiten baten als erstes um Frieden und erachteten das ruhige und schweigende Mental, das immer den Frieden bringt, für die beste Voraussetzung zur Verwirklichung des Göttlichen. Ein frohes und sonnenhelles Herz ist das geeignete Gefäß für den ānanda, und wer wollte behaupten, dass der ānanda oder seine Vorbereitung ein Hindernis für die Göttliche Einung sei? Was die Depression anbelangt, so ist sie tatsächlich eine furchtbare Bürde auf dem Weg... Die Gita sagt ausdrücklich: “Übe den Yoga mit unverzagtem Herzen aus anirviṇṇacetasā.” Ich weiß sehr wohl, dass Schmerz und Leid, dass Kampf und Anfälle von Verzweiflung auf dem Weg durchaus an der Tagesordnung sind – sie sind aber nicht unvermeidlich –, nicht weil sie uns helfen, sondern weil sie uns von der Dunkelheit dieser menschlichen Natur auferlegt wurden, aus der wir uns zum Licht hindurchzukämpfen haben. Ich glaube nicht, dass Ramakrishna oder Vivekananda solche Dinge wie jene, auf die du anspielst, als Beispiel für die anderen empfohlen hätte; sie hätten vielmehr gesagt, dass Glaube, Kraft und Ausdauer der bessere Weg seien. Das jedenfalls war es, woran sie sich letzten Endes hielten, trotz dieser dunklen Augenblicke... Ramakrishna jedenfalls erzählte die Geschichte von Narada und den beiden Yogis, dem Asketen und dem Vaishnava-bhakta, und stimmte ihrer Moral zu. Ich erzähle sie mit meinen Worten, bewahre aber ihre Substanz: Narada ein himmlischer ṛṣi traf auf seinem Weg nach Vaikuntha [der Himmel Vishnus] einen Yogi, der sich in den Bergen einer harten tapasyā unterzog. “O Narada”, rief der Yogi, “du gehst nach Vaikuntha und wirst dort Vishnu begegnen. Ich habe mein ganzes Leben eine furchtbare Askese praktiziert und ihn dennoch bisher nicht erreicht. Frage ihn statt meiner, wann ich zu ihm gelangen werde.” Dann traf Narada einen Vaishnava, einen bhakta, der Lieder auf Hari [ein Name Vishnus] sang und dazu tanzte. Und auch er rief: “O Narada, du wirst meinem Gott Hari begegnen! Frage ihn statt meiner, wann ich ihn erreichen und sein Gesicht sehen werde.” Auf seinem Rückweg traf Narada zuerst den Asketen. “Ich habe Vishnu gefragt”, sagte der Weise, “du wirst ihn nach weiteren sechs Leben verwirklichen.” Da brach der Yogi in lautes Wehklagen aus. “Was, nach solcher Askese! Nach solch gewaltigen Anstrengungen! Wie hart ist doch Gott Vishnu mit mir!” Als nächsten traf Narada den bhakta und sagte zu ihm: “Ich habe keine gute Nachricht für dich! Du wirst Gott Vishnu erst nach hunderttausend Leben begegnen.” Da sprang der bhakta mit einem lauten Schrei des Entzückens auf und rief: “Oh, ich werde meinem Gott Hari begegnen! Nach hunderttausend Leben werde ich meinen Gott Hari sehen! Wie groß ist doch die Gnade des Gottes!” Und in erneuter Ekstase begann er zu tanzen und zu singen. Darauf sagte Narada: “Du hast ihn bereits erlangt! Noch heute wirst Du den Herrn sehen.” Nun, du wirst sagen: “Was für eine übertriebene Geschichte und der menschlichen Natur so widersprechend!” Ganz und gar nicht so widersprechend und auf keinen Fall übertriebener als die Geschichten von Harishchandra und Shivi. Dennoch stelle ich den bhakta nicht als Beispiel hin, denn ich selbst beharre auf einer Verwirklichung in diesem Leben und nicht auf einer nach sechs oder hunderttausend weiteren Leben. Doch die Pointe dieser Geschichte liegt in ihrer Moral, und als Ramakrishna sie erzählte, war es ihm sicher bewusst, dass es einen sonnenhellen Yogaweg gibt. Er scheint sogar ausdrücken zu wollen, dass es der schnellere und auch der bessere Weg ist. Die Möglichkeit des sonnenhellen Pfades ist also weder meine Entdeckung noch meine eigene Erfindung. In den ersten Büchern über den Yoga, die ich vor mehr als dreißig Jahren las, war die Rede von einem dunklen und einem sonnenhellen Weg, wobei die Überlegenheit des letzteren betont wurde.

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Die wahre Bewegung besteht in einem reinen Streben, einer reinen Hingabe. Schließlich hat man kein Recht, vom Göttlichen zu verlangen, sich zu offenbaren, sondern dies kann nur als Erwiderung eines spirituellen oder seelischen Bewusstseinszustandes eintreten oder nach einer langen Sadhana, die auf die richtige Weise ausgeübt wurde; oder aber, wenn es vorher kommt und ohne ersichtlichen Grund, ist es die Gnade; man kann aber die Gnade nicht verlangen oder erzwingen. Gnade ist etwas Spontanes, das dem Göttlichen Bewusstsein als freies Strömen entspringt. Der bhakta sucht sie, ist aber bereit, in vollkommener Zuversicht zu warten – wenn es sein muss, sein ganzes Leben lang –, da er weiß, dass sie kommen wird, und er wird in seiner Liebe oder Hingabe niemals schwanken, wenn sie nicht sogleich oder bald kommt. Das findet seinen Ausdruck in so vielen Liedern von Gläubigen, die auch du gesungen hast. Ich hörte vor einiger Zeit solch ein Lied von dir auf einer Schallplatte – es war sehr schön und wurde schön von dir gesungen: “O Herr, auch wenn ich dich nicht erlangen konnte, bete ich dich dennoch an.”

Was dich an dieser Einstellung hindert, ist das rastlose Element vitaler Ungeduld und die immerwiederkehrende und beharrliche Enttäuschung darüber, nicht das zu bekommen, was du vom Göttlichen willst. Es ist die Vorstellung: Da ich es mir so sehr wünsche, sollte ich es eigentlich auch erhalten. Warum wird es mir vorenthalten? Doch das Wollen ist kein Passierschein für das Erhalten – hierzu bedarf es etwas mehr als das.

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Unsere Erfahrung ist, dass zuviel vitaler Eifer, zuviel Beharren häufig den Weg versperren; sie bilden eine Art blockierende Masse oder einen Wirbel von Rastlosigkeit und Störung, der für das Göttliche oder für das, worum man bat, keinen ruhigen Platz lässt, um einzutreten. Häufig kommt es erst dann, wenn die Ungeduld endgültig zurückgewiesen wurde und man in ruhigem Geöffnetsein auf das wartet, was einem gegeben wird (das heißt, im Augenblick noch nicht gegeben wurde). Sehr häufig aber, wenn du den Weg für einen größeren Fortschritt in der wahren Hingabe vorbereitest, taucht die Gewohnheit dieses vitalen Elementes auf, bemächtigt sich des erzielten Fortschritts und unterbricht ihn.

Die Freudlosigkeit rührt ebenfalls vom Vital her; teilweise ist die Enttäuschung daran schuld, doch nicht allein; denn es ist ein sehr verbreitetes Phänomen, dass ein Druck des Mentals und der Seele auf das Vital häufig eine rajasische oder tamasische, statt der sattvischen vairāgya hervorruft; das Vital weigert sich, an irgendetwas Freude zu haben, und wird trocken, lustlos oder unglücklich. Oder es sagt: “Nun denn, warum erhalte ich die Verwirklichung nicht, die du mir versprochen hast? Ich kann nicht warten!” Die beste Art, sich davon zu befreien, ist, während man es beobachtet, sich nicht damit zu identifizieren; wenn das Mental oder ein Teil des Mentals es billigt oder rechtfertigt, wird es fortbestehen oder wiederkommen. Wenn die Sorge durchaus sein muss, ist die andere Art vorzuziehen, die du in deinem vorhergehenden Brief beschreibst: die Traurigkeit, in der die Süße enthalten ist – keine Verzweiflung, nur das seelische Sehnen nach der wahren Sache. Durch das Anwachsen der reinen und wahren bhakti wird es rasch kommen.

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Was den Weg aus der Sackgasse betrifft, von dem du sprichst, so kenne ich nur das Beruhigen des Mentals, das die Meditation wirksam macht, die Läuterung des Herzens, welche die göttliche Berührung bringt und nach einer gewissen Zeit die göttliche Gegenwart, die Demut vor dem Göttlichen, die von Egoismus und Stolz des Mentals und Vitals befreit – sowohl von jenem Stolz, der den Wegen des Spirits seine eigenen Überlegungen auferlegt, als auch von dem, der die Hingabe zurückweist oder ihrer unfähig ist – und den anhaltenden, beharrlichen inneren Ruf und das Vertrauen auf die Gnade von oben. Meditation, japa, das Gebet oder Streben aus dem Herzen können alle erfolgreich sein, wenn sie von diesen Dingen oder zumindest von einigen dieser Dinge begleitet werden. Ich bin fest überzeugt, dass jemand, der den Ruf in sich hat, unbedingt das Ziel erreichen muss, wenn er geduldig dem Weg zum Göttlichen folgt.

Ich habe bestimmt niemals gesagt, dass du kein Verlangen nach der göttlichen Erwiderung haben solltest. Sie ist das Ziel des Yoga. Was ich sagte war, dass du sie nicht sofort oder innerhalb kurzer Zeit erwarten oder darauf bestehen sollst. Sie kann früh kommen oder spät kommen, doch sie wird kommen, wenn man in seinem Ruf stetig ist; denn man hat nicht nur aufrichtig, sondern in allem auch stetig zu sein. Wenn ich das Beharren missbillige, dann deshalb, weil ich immer gefunden habe, dass es Schwierigkeiten und Verzögerungen schafft, verursacht durch eine gewisse Anstrengung und Ruhelosigkeit, die in der menschlichen Natur entstehen, sowie durch die Depressionen und das Aufbegehren des Vitals, wenn das Beharren nicht befriedigt wird. Das Göttliche weiß es am besten, und man muss seiner Weisheit vertrauen und sich mit seinem Willen in Einklang bringen. Auch wenn es lange dauert, ist das kein Beweis einer elementaren Unfähigkeit, überhaupt am Ziel anzulangen, es ist lediglich ein Zeichen dafür, dass es etwas in dir gibt, das überwunden werden muss; und es kann überwunden v;erden, wenn der Wille vorhanden ist, das Göttliche zu erreichen.

Wenn man dem Leben ganz und gar zu entkommen sucht, kann es nur auf dem Weg einer vollkommenen inneren Entsagung geschehen oder indem man in die Stille des Absoluten eintaucht oder durch eine bhakti, die absolut wird, oder durch den Karmayoga, durch den man seinen eigenen Willen und seine Wünsche dem Willen des Göttlichen unterordnet. Ich habe zudem gesagt, dass die Gnade ganz plötzlich in jedem Augenblick wirken kann, doch hat man hierüber keine Kontrolle, denn es geschieht durch einen unberechenbaren Willen, welcher Dinge sieht, die das Mental nicht sehen kann. Genau das ist der Grund, weshalb man niemals verzweifeln darf, und auch deshalb, weil kein wahrhaftes Streben nach dem Göttlichen letzten Endes fehlschlagen kann.

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Es gibt nur eine Logik in spirituellen Dingen: wenn ein Verlangen nach dem Göttlichen vorhanden ist, ein aufrichtiger Ruf, muss es sich eines Tages erfüllen. Diese Logik ist nur dann nicht länger anwendbar, wenn irgendwo eine starke Unaufrichtigkeit besteht, ein Trachten nach etwas anderem – Macht, Ehrgeiz usw. –, das sich dem inneren Ruf widersetzt. In deinem Fall kommt sie [die Erfüllung] wahrscheinlich durch das Herz, durch eine wachsende bhakti oder die seelische Läuterung des Herzens; daher mein Drängen, den seelischen Weg einzuschlagen.

Erlaube diesen falschen Gefühlen nicht, dich zu beherrschen, und lass diesen Zustand der Niedergeschlagenheit nicht Herr über deine Entscheidungen sein. Versuche einen festen, zentralen Willen für die Verwirklichung zu bewahren; entschließe dich dazu, denn diese Dinge sind nicht unmöglich! Du wirst sehen, dass die spirituelle Schwierigkeit am Ende verschwindet wie ein Trugbild. Sie gehört dem physischen Selbst an und kann, wo der innere Ruf aufrichtig ist, selbst das äußere Bewusstsein nicht immer in Beschlag legen; ihre scheinbare Beharrlichkeit wird sich auflösen.

Natürlich ist es richtig, um die bhakti zu bitten, denn ich vermute, dass sie der höchste Anspruch deiner Natur ist; schließlich ist sie die stärkste Triebkraft, die eine Sadhana haben kann, und das beste Hilfsmittel für alles übrige, das kommen wird. Daher sagte ich, dass die spirituelle Erfahrung durch das Herz zu dir kommen muss.

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Was Krishna anbelangt, warum näherst du dich ihm nicht einfach und geradewegs? Die einfache Annäherung ist gleichbedeutend mit Vertrauen. Wenn du betest, vertraue darauf, dass er dich erhört. Wenn die Erwiderung lange auf sich warten lässt, vertraue darauf, dass er es weiß und dich liebt und dass er in seiner Weisheit die richtige Zeit wählen wird. Reinige in der Zwischenzeit ruhig das Gelände, damit er nicht über Stock und Stein stolpern möge, wenn er schließlich kommt. Das ist mein Vorschlag, und ich weiß, was ich sage – denn was immer du auch denken magst, ich kenne sehr wohl all die menschlichen Schwierigkeiten und Kämpfe, und ich weiß um ihre Heilung. Daher lege ich soviel Wert auf das, was die Kämpfe und Schwierigkeiten vermindern und abkürzen würde, nämlich auf die seelische Wende, den Glauben, ein vollkommenes und einfaches Vertrauen und Sich-Verlassen. Du wirst dich erinnern, dass dies die Ziele des Vaishnava-Yoga sind. Natürlich, es gibt auch den anderen Vaishnava-Weg, der zwischen Sehnen und Verzweiflung hin und her pendelt – inbrünstiges Suchen und Trennungsschmerz. Diesem letzteren scheinst du zu folgen, und ich leugne nicht, dass man auch auf ihm das Ziel erreichen kann, wie beinahe auf jedem anderen Weg, sofern man ihm ernsthaft folgt. Jene aber, die ihm folgen, finden dann sogar Geschmack an der Trennung, an der Abwesenheit und der Laune des Göttlichen Liebenden. In ihren Liedern berichten einige, wie sie ihm ihr ganzes Leben folgten, er aber immer wieder ihrer Schau entglitt, und selbst hieran finden sie Gefallen und suchen ihn immerzu. Du aber findest keinen Gefallen daran, weshalb du nicht erwarten kannst, dass ich diesem Weg für dich zustimme. Folge Krishna um jeden Preis, doch mit der festen Absicht, ihn zu erreichen, folge ihm nicht mit der Befürchtung eines Fehlschlages oder indem du irgendwie der Möglichkeit zustimmst, auf halbem Wege abzubrechen.

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Ich habe gegen die Anbetung Krishnas oder gegen die vishnuitische Art der Anbetung absolut nichts einzuwenden, es besteht auch keine Unvereinbarkeit zwischen der vishnuitischen bhakti und meinem supramentalen Yoga. Es gibt tatsächlich keine spezielle und exklusive Form des supramentalen Yoga: alle Wege können zum Supramental führen, genau wie alle Wege zum Göttlichen führen können.

Wenn du durchhältst, ist dir die immerwährende bhakti und die Verwirklichung gewiss; du solltest aber lernen, fest darauf zu vertrauen, dass Krishna sie dir geben wird, wenn er alles bereit findet und die Zeit gekommen ist. Schließlich ist es verständlich, wenn er von dir erwartet, dass du dich zuerst von Unvollkommenheiten und Unreinheiten befreist. Ich sehe nicht ein, warum es dir nicht gelingen sollte, nachdem deine Aufmerksamkeit jetzt so beharrlich darauf gerichtet ist. Der erste Schritt ist, sie deutlich zu sehen und zu erkennen, der nächste ist, den festen Willen zu haben, sie zurückzuweisen; das letzte Stadium ist, dich von ihnen gänzlich zu befreien, damit sie, wenn sie überhaupt noch eindringen, dies als fremde Elemente tun – nicht mehr als Teil deiner üblichen Natur, sondern als Einflüsse von außen; sie können sogar, wenn sie einmal erkannt und zurückgewiesen wurden, automatisch abfallen und verschwinden; doch bei den meisten Menschen ist es ein langer Prozess. Diese Dinge sind nicht eine besondere Eigenheit von dir, sie gehören vielmehr zur universalen menschlichen Natur – doch sie können und werden sich auflösen.

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Deine Verwirrung hat ihre Ursache darin, dass du das Gefühl des Gläubigen mit der Beobachtung des Beobachters verwechselst. Natürlich, der Gläubige liebt Krishna, weil Krishna liebenswert ist, und aus keinem anderen Grund – das ist sein Gefühl, sein wahres Gefühl. Er hat keine Zeit, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was ihn zur Liebe befähigt; ihm genügt die Tatsache, dass er liebt, und er braucht seine Gefühle nicht zu analysieren. Für ihn besteht die Gnade Krishnas darin, dass Krishna liebenswert ist, dass er sich dem Gläubigen zeigt, dass er ihn ruft und seine Flöte ihn lockt. Das ist genug für das Herz, und wenn es nach mehr verlangt, dann ist es die Sehnsucht, dass der andere oder dass alle die Flöte hören, sein Gesicht sehen und die ganze Schönheit und die Wonne seiner Liebe fühlen mögen.

Nicht das Herz des Gläubigen, sondern das Mental des Beobachters fragt, wie es kommt, dass die Gopis gerufen wurden und sofort reagierten und andere – die Frauen der Brahmanen zum Beispiel – nicht gerufen wurden und nicht sofort reagierten. Wird diese Frage einmal durch das Mental gestellt, dann gibt es zwei mögliche Antworten: einmal, dass es einfach der Wille Krishnas war, ohne jeden besonderen Grund, das was das Mental als die absolute göttliche Wahl bezeichnen würde, seine willkürliche göttliche Laune, zum anderen aber die Bereitschaft des Herzens, das gerufen wurde – und das läuft dann auf adhikāribheda hinaus... Wir müssen auf diese beiden Alternativen zurückgreifen: Krishnas Gnade ruft, wen sie will, ohne jeden entscheidenden Grund für die Wahl oder Zurückweisung – alles ist seine Gnade oder seine Vorenthaltung oder zumindest der Aufschub seiner Gnade; oder aber er ruft die Herzen, die bereit sind, bei seinem Ruf zu erschauern und emporzuspringen – und selbst dann wartet er, bis der rechte Augenblick gekommen ist. Es ist zweifellos richtig zu sagen, dass es von einem äußeren Verdienst oder der scheinbaren Tauglichkeit nicht abhängt; es ist jenes Etwas, das zu erwachen bereit war – vielleicht trotz vieler harter Schichten, die es einschlossen –, und das nur für Krishna sichtbar ist, nicht aber für uns. Vielleicht war es vorhanden lange bevor die Flöte zu spielen begann und Krishna noch damit beschäftigt war, die harten Schichten zu schmelzen, damit das Herz durch sie, wenn die erweckenden Töne kämen, in seinem Sprung nicht zurückgehalten würde. Die Gopis hörten sie und stürmten hinaus ‚in den Wald, die anderen hörten sie nicht – oder glaubten sie vielleicht, dass es nur eine Art Bauernmusik sei, ein grober Hirte, der für seinen Schatz die Flöte spielt, und nicht etwa ein Ruf, den geübte, kultivierte und rechtschaffene Ohren als den Ruf des Göttlichen zu erkennen vermöchten? Noch etwas muss gesagt werden zum adhikāribheda, nämlich dass es in einem weiten Sinn verstanden werden sollte; manche mögen den adhikārī [die Fähigkeit] haben, Krishnas Flöte zu erkennen, manche den Ruf Christi und wieder andere den Tanz Shivas – jeder erwidert den Göttlichen Ruf auf seine eigene Weise, die Weise seiner Natur. adhikārī kann nicht in streng mentalen Ausdrücken festgelegt werden; zwischen dem Gerufenen und dem Rufer besteht etwas Spirituelles und Subtiles, etwas Mystisches und Geheimes.

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Radha ist die Personifizierung der absoluten Liebe zum Göttlichen, die total und integral in allen Teilen des Wesens ist, vom höchsten spirituellen bis zum physischen; sie bringt das absolute Selbstgeben und die totale Weihung des ganzen Wesens und ruft in den Körper und die allerstofflichste Natur den höchsten ānanda herab.

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Das Aufkommen von Sex-Vorstellungen beim Betrachten des Bildnisses von Krishna und Radha wird durch vergangene sexuelle Assoziationen mit dem Radha-Krishna Kult verursacht. Tatsächlich aber hat das Bild nichts mit Sex zu tun. Das wahre Symbol des Bildes ist nicht die menschlich-sexuelle Anziehungskraft, sondern die Seele, das seelische Wesen, das den Ruf des Göttlichen hört und in der vollendeten Liebe und Hingabe erblüht, die den höchsten ānanda bringt. Das ist es, was Krishna und Radha durch ihre göttliche Einung im menschlichen Bewusstsein auslösen, und so musst auch du das Bild betrachten und dabei die alten sexuellen Assoziationen ablegen.

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Die Gopis sind nicht übliche Menschen im eigentlichen Sinn des Wortes: sie sind vielmehr Verkörperungen einer spirituellen Leidenschaft und außergewöhnlich durch das Übermaß an Liebe, persönlicher Hingabe, und rückhaltlosem Selbstgeben. Wer immer dies hat, und sei seine Stellung in anderer Hinsicht auch noch so bescheiden (seine Erziehung, seine Gestaltungskraft, sein Bildungsgrad, seine äußere Heiligkeit usw.), kann Krishna mit Leichtigkeit folgen und ihn erreichen. Hierin scheint mir die Bedeutung des Gopi-Symbols zu liegen. Natürlich gibt es viele andere Bedeutungen – das ist nur eine unter vielen.

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Ja, Krishna wird große Launenhaftigkeit nachgesagt, ein schwieriger Umgang und ein spielerisches Wesen (līlā!), was die, mit denen er spielt, nicht immer gleich zu schätzen wissen. Doch steckt in seinen Launen Überlegung, und wenn er sie ablegt und es ihm gefällt, freundlich zu sein, ist er von höchster Anziehungskraft, voller Charme und Verlockung, wodurch alles, was du erlitten hast, ausgeglichen und mehr als ausgeglichen wird.

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Warum sollte Krishna nicht auf einem Pferd reiten, wenn er will? Seine Taten oder Gewohnheiten können durch das menschliche Mental oder eine starre Tradition nicht fixiert werden. Besonders Krishna ist ein Gesetz für sich. Vielleicht hatte er es eilig, zu dem Ort zu kommen, wo er die Flöte spielen wollte.

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Wenn Krishna immer und von Natur aus kalt und fern wäre (Himmel, welche Entdeckung, ausgerechnet Krishna!), wie könnten dann menschliche Anbetung und menschliches Streben ihn erreichen? Es wäre so etwa wie der Nord– und der Südpol, die eisiger und eisiger werdend einander immer zugewandt sind, sich wegen der Erdkrümmung aber niemals erblicken können. Außerdem, wenn Krishna kein Verlangen nach dem menschlichen bhakta hätte, genauso wie der bhakta Verlangen nach ihm trägt, wie sollte man ihn dann erreichen? Er würde wie Shiva immer auf den Schneefeldern des Himalaya sitzen. Die geschichtliche Überlieferung beschreibt ihn anders, und meist wird ihm zuviel Wärme und Mutwilligkeit nachgesagt.

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Ich weiß nicht, ob ich deine Frage, was X mit Krishnas Licht meint, beantworten kann. Es ist bestimmt nicht das, was gewöhnlich mit Wissen bezeichnet wird. Er kann das Licht des Göttlichen Bewusstseins meinen oder das Licht, das daraus hervorgeht, er kann auch das leuchtende Wesen Krishnas meinen, in welchem alle Dinge in ihrer höchsten Wahrheit bestehen – der Wahrheit des Wissens, der Wahrheit der bhakti, der Wahrheit der Ekstase und ānanda – alles ist dort.

Es gibt auch eine Manifestation des Lichtes – die Upanishaden sprechen von dem Licht, das Brahman ist, jyotirbrahma. Sehr häufig fühlt der Sadhak ein Licht, das auf ihn herabfließt oder ihn umgibt, oder er fühlt, wie ein Strom von Licht in seine Zentren eintritt, sogar in sein ganzes Wesen, in seinen Körper, jede Zelle durchdringend und erleuchtend; in diesem Licht wächst das spirituelle Bewusstsein, und man wird für alle oder viele seiner Tätigkeiten und Verwirklichungen offen. Ich habe gerade eine Besprechung des Buches “Vision” von Ramdas vor mir liegen, in dem eine derartige Erfahrung beschrieben ist, die durch die Wiederholung des Rama-mantras erlangt wurde – wenn ich aber recht verstehe, erst nach einer rigorosen und langen Selbstdisziplin. “Als das mantra automatisch aufhörte [sich zu wiederholen], erblickte er in seiner mentalen Schau einen kleinen Lichtkreis. Dies flößte ihm Schauer des Entzückens ein. Nachdem sich diese Erfahrung einige Tage lang wiederholt hatte, fühlte er ein blendendes Licht wie einen Blitz in seinen Augen aufleuchten, das ihn schließlich durchdrang und aufsog. Und jede Pore seines physischen Systems wurde von einem Fließen unaussprechlicher Seligkeit erfüllt.” Es kommt nicht immer so. Sehr häufig geschieht es in einzelnen Phasen oder mit langen Unterbrechungen und wirkt zunächst auf das Bewusstsein ein, bis es bereit ist.

Wir sprechen auch hier [in diesem Yoga] von dem Licht Krishnas: Krishnas Licht im Mental, Krishnas Licht im Vital usw., doch ist es ein besonderes Licht; in das Mental bringt es Klarheit, Befreiung von Finsternis, von mentalem Irren und mentaler Entstellung, es reinigt das Vital von allem gefährlichen Stoff, und dort, wo es ist, ist reines göttliches Glück und Frohsein.

Doch warum sich begrenzen, nur auf einer Sache bestehen und jede andere ausschließen. Wodurch auch immer man die anfängliche Verwirklichung des Göttlichen erhält – sei es durch bhakti, durch Licht oder den ānanda, durch Frieden oder irgendetwas anderes –, sie überhaupt zu erhalten ist wesentlich, und jedes Mittel ist recht, das es herbeiführt.

Wenn es die bhakti ist, auf der man besteht, kommt sie [die göttliche Verwirklichung] durch bhakti – und bhakti in ihrer Fülle ist nichts anderes als ein völliges Selbstgeben. Dann aber müssen die ganze Meditation, die ganze tapasyā, alle Arten des Gebetes oder mantras allein dies zum Ziel haben, und wenn man hierin hinreichend fortgeschritten ist, kommt die Göttliche Gnade herab, die Verwirklichung tritt ein und entwickelt sich, bis sie vollendet ist. Der Augenblick ihres Kommens aber wird allein von der Göttlichen Weisheit gewählt, und man muss die Stärke haben durchzuhalten bis er da ist, denn wenn alles wahrhaft bereit ist, wird er unweigerlich kommen.

 

1 Vermutlich jemand, der durch einen Jünger Sri Aurobindos eine Anfrage an ihn gerichtet hatte. Anmerkung des Übersetzers.

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2 Das natürliche Gesetz des Seins – eine esoterische buddhistische Richtung

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3 Mentale Verwirklichung: Man kann zum Beispiel die These “Der Eine in allen” mental erfassen, in sich aufnehmen und zu einer Wirklichkeit im eigenen Leben werden lassen. Das ist eine abgeleitete mentale Verwirklichung im Gegensatz zu der unmittelbaren Verwirklichung des spirituell Suchenden oder Mystikers, der den “Einen in allen” in sich erfährt. Anmerkung des Übersetzers.

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