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Mutters

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fünften Band

16. September 1964

103 – Vivekananda, Sannyasa rühmend, sagte: "In der ganzen indischen Geschichte gibt es nur einen Janaka." Das stimmt aber nicht, denn Janaka ist nicht der Name eines einzelnen, sondern der einer Dynastie von selbstbeherrschten Königen und dem Triumphschrei eines Ideals.

104 – Wieviele Vollkommene gibt es schon unter den Abertausenden ockerfarben gekleideten Sannyasins? Die Rechtfertigung eines Ideals sind die wenigen, die das Ziel erreicht haben, und die vielen, die es anstreben.

105 – Es hat Hunderte vollkommener Sannyasins gegeben, weil Sannyasa überall gepredigt und von vielen praktiziert worden ist. Wenn dasselbe mit dem Ideal der vollkommenen Freiheit geschieht, wird es Hunderte von Janakas geben.

106 – Sannyasa besitzt ein offizielles Gewand und äußere Kennzeichen; deshalb glauben die Menschen, ihn leicht erkennen zu können. Die Freiheit eines Janaka aber gibt sich nicht zu erkennen, sie trägt das Gewand der Welt; selbst Narada war ihr gegenüber blind.

107 – Es ist schwierig, das normale Leben des Menschen in der Welt zu führen und doch frei zu sein; aber gerade weil es schwierig ist, muß es versucht werden.

Das erscheint völlig offensichtlich!

Es leuchtet sicher ein, ist aber schwierig.

Weißt du, frei von jeglicher Bindung zu sein, heißt nicht, den Gelegenheiten, die eine Bindung mit sich bringen, aus dem Wege zu gehen. Alle Leute, die ihren Asketismus bekräftigen, meiden diese nicht nur, sondern warnen die andern davor, sich überhaupt darauf einzulassen!

Das erscheint mir so offensichtlich. Wenn man einer Sache aus dem Wege gehen muß, um ihre Erfahrung nicht zu machen, bedeutet das, daß man nicht darüber steht, man hat den angestrebten Stand noch nicht erreicht.

Alles, was unterdrückt und verkleinert oder vermindert, befreit nicht. Die Freiheit muß in der Totalität des Lebens und der Empfindungen erfahren werden.

Genau diesem Thema widmete ich vormals eine Reihe von Studien, und zwar auf der rein physischen Ebene... Um sich über jeden möglichen Fehler zu erheben, neigt man dazu, die Gelegenheiten, bei denen man einen Fehler begehen könnte, zu meiden; wenn man zum Beispiel keine unnützen Worte sagen will, spricht man nicht mehr. Die Leute, die einen Schweige-Eid ablegen, stellen sich vor, damit hätten sie die Kontrolle über das Wort erlangt – das ist nicht wahr! Sie meiden lediglich jede Gelegenheit zu sprechen und sagen folglich keine unnützen Dinge. Was das Essen betrifft, ist es dasselbe: nur das Nötigste essen... Im Übergangszustand, in dem wir uns befinden, wollen wir nicht mehr dieses völlig animalische Leben leben, das sich auf den materiellen Austausch und die Nahrung gründet, aber es wäre Torheit zu glauben, man habe den Zustand erlangt, in dem der Körper absolut ohne Nahrung auskommen kann (allerdings besteht schon ein großer Fortschritt, da man ja erforscht, wie sich die Essenz der Nahrung aufnehmen läßt, um das Volumen zu verringern), aber die natürliche Tendenz ist das Fasten – das ist ein Irrtum!

Aus Furcht, falsch zu handeln, tun wir nichts mehr; aus Furcht, etwas Falsches zu sagen, sagen wir nichts mehr; aus Furcht, um des Vergnügens am Essen willen zu essen, ißt man nichts mehr – das ist nicht Freiheit, sondern bedeutet lediglich, die Manifestation auf ihr Minimum zu beschränken; und das natürliche Endergebnis davon ist das Nirvana. Wenn aber der Herr nur das Nirvana wollte, gäbe es nur das Nirvana! Es ist offensichtlich, daß Er die Koexistenz aller Gegensätze im Auge hat und daß dies für Ihn der Beginn einer Totalität sein muß. Man kann natürlich – falls man das Gefühl hat, dafür gemacht zu sein – eine einzige Seiner Manifestationen auswählen, das heißt die Abwesenheit der Manifestation. Das bedeutet aber immer noch eine Begrenzung. Und es ist nicht die einzige Art, Ihn zu finden, weit entfernt davon!

Das ist eine sehr verbreitete Tendenz, die wahrscheinlich von einer alten Suggestion herrührt, oder vielleicht von einer Armut, einer Unfähigkeit: reduzieren und nochmals reduzieren, seine Bedürfnisse reduzieren, seine Aktivitäten reduzieren, seine Worte reduzieren, seine Nahrung reduzieren, sein aktives Leben reduzieren, und es wird alles so eng und dürftig! Im Bestreben, keine Fehler mehr zu machen, geht man den Gelegenheiten, sie zu begehen, aus dem Wege – das ist keine Heilung.

Aber der andere Weg ist weitaus schwieriger.

Ja, ich denke zum Beispiel an die Leute, die im Westen leben, die das westliche Leben leben: dauernd können sie sich kaum noch retten vor Arbeit, Terminen und Telefonaten... sie haben keine Minute übrig, um sich von dem zu reinigen, was unablässig auf sie herabprasselt und um sich zu regenerieren. Wie können sie unter solchen Bedingungen freie Menschen sein? Wie ist das möglich?

Das ist das andere Extrem.

(Schweigen)

Nein, die Lösung liegt darin, nur unter dem göttlichen Antrieb zu handeln, nur unter dem göttlichen Antrieb zu sprechen, nur unter dem göttlichen Antrieb zu essen. Aber gerade das ist schwierig, denn natürlich verwechselt man den göttlichen Antrieb sofort mit den persönlichen Impulsen!

Eben dies war die Idee aller Apostel des Verzichts, scheint mir: alles unterdrücken, was von außen oder von unten kommt, so daß man bei der Manifestation einer Sache von oben bereit ist, sie zu empfangen. Aber vom kollektiven Standpunkt aus gesehen, ist das ein Prozeß, der Jahrtausende in Anspruch nehmen kann. Von einem individuellen Standpunkt aus ist es möglich, aber dann muß man das Bestreben, die wahre Anregung zu bekommen, intakt erhalten – nicht dieses Bestreben nach einer vollständigen "Befreiung", sondern die Bestrebung nach einer AKTIVEN Identifikation mit dem Höchsten, was bedeutet, nur das zu wollen, was Er will, nur das zu tun, was Er will, nur durch Ihn und in Ihm zu existieren.

Dann kann man sich auf die Methode der Entsagung einlassen, aber es ist die Methode desjenigen, der sich von den anderen abtrennen will. Und kann es in so einem Fall Ganzheitlichkeit geben?... Das scheint mir nicht möglich.

Öffentlich kundzugeben, was man tun will, ist eine beträchtliche Hilfe. Es kann zu Kritik, Verachtung, Konflikten Anlaß geben, aber dies wird durch die öffentliche "Erwartung" sozusagen weitgehend kompensiert: durch das, was die andern von einem erwarten. Das war gewiß der Grund für all die Gewänder: die Leute in Kenntnis setzen. Offensichtlich kann man dadurch die Verachtung gewisser Personen und böse Absichten auf sich ziehen, aber daneben sind all jene, die das Gefühl haben: "Ich darf ihn nicht berühren, ich darf mich nicht mit ihm abgeben, das geht mich nichts an."

Ich weiß nicht aus welchem Grund, aber das erschien mir immer als Schauspielerei – es mag nicht das sein, aber immerhin ist es eine Art, den Leuten zu sagen: "Ach, schaut her, so bin ich!" Wie gesagt, das mag eine Hilfe sein, es ist aber mit Nachteilen verbunden.

Das ist immer noch kindisch.

All das sind Mittel, Etappen, Stufen, aber... die wirkliche Freiheit bedeutet, frei von jeglicher Sache zu sein – auch von allen Mitteln.

(Schweigen)

Die Entsagung ist eine Einschränkung, eine Einengung, während die wahre Sache zur Entfaltung, zur Ausdehnung und Identifikation mit allem führt.

Wenn man reduziert und nochmals reduziert, hat man nicht das Gefühl, sich zu verlieren, das nimmt einem die Furcht vor dem Verlust seiner selbst – man wird zu etwas Solidem und Kompaktem. Aber die Methode der Ausdehnung – die maximale Ausdehnung – dort muß man... man darf keine Angst davor zu haben, sich zu verlieren.

Das ist viel schwieriger.

Was hast du zu sagen?

Ich fragte mich gerade, wie das in einer äußeren Welt möglich sein soll, die einen dauernd völlig in Beschlag nimmt?

Ach, man muß die richtige Wahl treffen.

Die Klöster, die Exerzitien, die Flucht in den Wald oder in die Höhlen sind gewiß nötig als Gegengewicht zur modernen Überaktivität, und doch kommt das heute weniger vor als noch vor tausend oder zweitausend Jahren. Aber es scheint mir, daß sie Zeichen eines Mangels an Verständnis waren – es war nicht von Dauer.

Offensichtlich ruft das Übermaß an Aktivität nach einem Übermaß an Bewegungslosigkeit.

Wie läßt sich aber das Mittel, das zu sein, was man sein soll, in den gewöhnlichen Umständen finden?

Wie man weder in das eine noch in das andere Extrem fallen kann?

Ja, normal leben und gleichzeitig frei sein.

Mein Kind, eben deswegen wurde der Ashram gegründet. Das war die Idee. In Frankreich fragte ich mich nämlich die ganze Zeit: "Wie können die Leute Zeit haben, sich zu finden?" Oder sogar: "Wie findet man die Zeit, das Mittel der Befreiung zu verstehen?" Somit stellte ich mir einen Ort vor, an dem die materiellen Bedürfnisse weitgehend abgedeckt sind, damit man sich befreien kann, vorausgesetzt es ist einem ernst damit. Nach dieser Idee also wurde der Ashram gegründet, genau darum ging es: ein Ort, an dem die Leute mit den nötigen Existenzmitteln versorgt sein würden, um Zeit zu haben, an die Eigentliche Sache zu denken.

(Mutter lächelt) Die menschliche Natur ist allerdings so beschaffen, daß die Faulheit den Platz der Aspiration eingenommen hat (nicht bei allen, aber doch als recht verbreitete Erscheinung), und die Zügellosigkeit und Ausschweifung den Platz der Freiheit. Was zu beweisen scheint, daß das Menschengeschlecht durch eine Periode gehen muß, in der es hart angefaßt wird, um bereit zu sein, sich aufrichtiger von der Versklavung an die Aktivität befreien zu wollen.

Die erste Bewegung ist gewiß die, endlich einen Ort zu finden, an dem man sich konzentrieren kann, sich finden und wirklich leben kann, ohne von den materiellen Dingen übermäßig beansprucht zu werden... Das ist die erste Bestrebung (das war sogar das Kriterium – wenigstens am Anfang –, nach dem die Ashrammitglieder ausgewählt wurden), aber es war nicht von Dauer! Die Dinge werden leicht, und dann läßt man sich gehen. Man ist keinen moralischen Zwängen unterworfen, und so macht man Dummheiten.

Aber man kann nicht einmal sagen, es sei ein Fehler der getroffenen Auswahl gewesen – man wäre geneigt, es anzunehmen, aber es ist nicht wahr; denn die Auswahl der Mitglieder geschah auf der Basis eines ziemlich präzisen und klaren inneren Zeichens... Wahrscheinlich besteht die Schwierigkeit darin, die innere Haltung ungetrübt aufrechtzuerhalten. Genau das wollte und versuchte Sri Aurobindo; er sagte: "Wenn ich hundert Leute finden kann, genügt mir das."

Aber lange Zeit waren es keine hundert, und ich muß sagen, ab hundert war es schon ein Gemisch.

Viele Leute kamen unter dem Antrieb der Wahren Sache, aber man wird nachlässig. In anderen Worten, eine Unfähigkeit, in seiner wahren Position fest zu verharren.

Ja, ich habe bemerkt, daß bei extrem schwierigen Bedingungen der Außenwelt die Aspiration viel intensiver ist.

Nicht wahr!

Sie ist viel intensiver, es ist beinahe eine Frage von Leben und Tod.

Ja, so ist es. Das heißt, der Mensch ist immer noch so unvollendet, daß er die Gegensätze braucht. Genau das sagte Sri Aurobindo: damit die Liebe wahr sei, brauchte es den Haß; die wahre Liebe konnte nur unter dem Druck des Hasses geboren werden. 1 So ist das. Nun, man muß die Dinge nehmen, wie sie sind, und versuchen, weiter zu gehen, das ist alles.

Wahrscheinlich sind die Schwierigkeiten aus diesem Grunde so zahlreich – die Schwierigkeiten häufen sich hier: charakterliche Schwierigkeiten, gesundheitliche Schwierigkeiten, Schwierigkeiten der Umstände –, das Bewußtsein erwacht nämlich unter dem Druck der Schwierigkeiten.

Wenn alles leicht und friedlich ist, schläft man ein.

So erklärte Sri Aurobindo auch die Notwendigkeit des Krieges: in Friedenszeiten wird man schlaff.

Das ist schade.

Ich kann nicht sagen, daß ich das sehr schön finde, aber so scheint es zu sein.

Eigentlich sagte Sri Aurobindo das auch in The Hour of God [Die Stunde Gottes]: "Wenn ihr die Kraft und das Wissen habt und die Gelegenheit nicht beim Schopfe packt, nun, dann wehe euch!"

Das hat überhaupt nichts mit Rache zu tun, es ist keineswegs eine Bestrafung, aber man zieht eine Notwendigkeit auf sich, die Notwendigkeit eines gewaltsamen Drucks – gegen einen gewaltsamen Zwang reagieren.

(Schweigen)

Das ist eine Erfahrung, die sich mir immer klarer zeigt: damit sich der Kontakt mit dieser wahrhaftigen göttlichen Liebe manifestieren kann, d.h. sich frei ausdrücken kann, ist bei den Wesen und in den Dingen eine MACHT vonnöten,... die noch nicht existiert. Sonst gerät alles durcheinander.

Es gibt eine Unmenge sehr überzeugender Details, aber natürlich sind es "Details" oder sehr persönliche Dinge, man kann nicht davon sprechen; doch aufgrund der Beweise wiederholter Erfahrungen muß ich folgendes sagen: Wenn diese REINE Liebesmacht – eine wunderbare Liebesmacht, weißt du, jenseits jeglichen Ausdrucks –, sobald diese beginnt, sich in ihrer ganzen Fülle frei zu manifestieren, ist es, als ob eine Unmasse von Dingen augenblicklich in sich zusammenstürzen würde: sie können dem nicht standhalten. Sie können nicht standhalten, das wird aufgelöst. Dann... dann kommt alles zu einem Stillstand. Und dieser Stillstand, den man für eine Ungnade halten könnte, ist das Gegenteil, nämlich eine unendliche Gnade!

Allein die ein wenig konkretere und greifbarere Wahrnehmung des Unterschiedes zwischen der Schwingung, in der man normalerweise fast ständig lebt, und jener Schwingung... allein die Feststellung dieser Unfähigkeit, von der einem übel wird – es wird einem wirklich übel davon –, allein das genügt, um alles zum Stillstand zu bringen.

Erst gestern, heute morgen noch... es gibt lange Momente, wo diese Macht sich manifestiert, dann greift auf einmal eine Art Weisheit ein – eine unermeßliche Weisheit –, die bewirkt, daß alle Spannungen einer vollkommenen Ruhe weichen: "Was sein muß, wird sein, und es wird so lange dauern, wie es muß." Und dann geht alles gut. So geht alles augenblicklich gut. Aber der Glanz erlischt.

Man braucht nur geduldig zu sein.

Auch Sri Aurobindo schrieb: "Strebe intensiv, aber nicht ungeduldig"... Der Unterschied zwischen der Intensität und der Ungeduld ist sehr subtil (alles liegt im Unterschied der Schwingung), es ist zwar subtil, aber es macht den ganzen Unterschied aus.

Intensiv, aber nicht ungeduldig... Das ist es: in diesem Zustand muß man sein.

Wobei man sich sehr, sehr lange mit inneren Resultaten begnügen muß, d.h. mit den Resultaten persönlicher und individueller Reaktionen, innerer Kontakte mit dem Rest der Welt, ohne zu früh zu hoffen oder zu wollen, daß die Dinge offenbar werden. Wenn man es nämlich eilig hat, verzögert man im allgemeinen die Sache.

So ist es eben!

Wir leben, oder besser, die Menschen leben ein Leben der Hetze. Es ist eine Art halbbewußte Ahnung der so kurzen Dauer ihres Lebens; sie denken nicht daran, aber sie fühlen es halbbewußt, und somit fühlen sie sich die ganze Zeit – schnell, schnell, schnell – von einem Ding zum andern gehetzt, rasch dies tun, um dann zum nächsten übergehen zu können, statt daß ein jedes Ding in seiner eigenen Ewigkeit erblüht. Immer steht man unter dem Zwang vorwärtszugehen: vorwärts, vorwärts, vorwärts... Und so verdirbt man die Arbeit.

Aus diesem Grund haben gewisse Leute gepredigt: Der einzig wichtige Moment ist der gegenwärtige Moment – praktisch ist es nicht wahr, aber in psychologischer Hinsicht dürfte es stimmen. Dies bedeutet, jede Minute nach seinem maximalen Vermögen zu leben, ohne die folgende Minute vorauszunehmen, herbeizuwünschen, zu erwarten oder vorzubereiten. Denn man ist die ganze Zeit gehetzt, gehetzt, gehetzt... und so kann nichts Gutes entstehen. Man lebt in einer inneren Spannung, die falsch ist, völlig falsch.

All jene, die nach Weisheit strebten, haben das gesagt (die Chinesen predigten es, die Inder ebenfalls): im Gefühl der Ewigkeit leben. Auch in Europa sagte man, man solle den Himmel, die Sterne betrachten und sich mit ihrer Unendlichkeit identifizieren – alles, was einen erweitert und besänftigt.

Das sind alles Krücken, aber sie sind unentbehrlich.

Ich habe das in den Zellen des Körpers beobachtet: Man hat fast den Eindruck, sie seien immer in Eile, die anstehende Handlung auszuführen, aus Angst, nicht genügend Zeit dafür zu haben. Somit machen sie nichts richtig. Zerstreute Leute (es gibt Leute, die alles überstürzen, ihre Bewegungen sind brüsk und konfus) haben dies sehr stark, diese Art Hetze: schnell, schnell, schnell... Gestern beklagte sich jemand über rheumatische Rückenschmerzen und sagte mir: "Oh, ich verliere dadurch so viel Zeit, ich mache alles so langsam!" Ich sagte (Mutter lacht): "Na, wenn schon!" – Er war gar nicht zufrieden damit. Weißt du, sich beklagen, wenn man Schmerzen hat, will sagen, daß man zimperlich ist, und das ist alles, aber zu sagen: "Ich verliere so viel Zeit, ich mache alles so langsam!" gab mir ein sehr klares Bild dieser Hetze, in der sich die Menschen befinden – sie rasen durchs Leben... um wo zu landen?... Um sich schließlich den Kopf einzuschlagen!

Wozu soll das gut sein?

(Schweigen)

Im Grunde besteht die Moral all dieser Aphorismen darin, daß es viel wichtiger ist, zu SEIN als zu scheinen – es gilt zu leben, und nicht zu tun als ob; auch ist es viel wichtiger, eine Sache ganz, aufrichtig und vollkommen auszuführen, als die andern wissen zu lassen, daß man sie tut!

Ebenso: Wenn man es immer noch nötig hat, zu sagen, was man tut, verdirbt man sein Handeln zur Hälfte.

Und trotzdem hilft es einem gleichzeitig, Inventur zu machen und genau zu wissen, wo man steht.

In der Weisheit Buddhas drückt sich das so aus: "Der Weg der Mitte", nicht zu viel von dem und auch nicht zu viel vom andern, nicht in dieses Extrem fallen und auch nicht in jenes – ein wenig von allem und ein ausgeglichener... aber REINER Weg.

Reinheit und Aufrichtigkeit sind dasselbe.

 

1 Siehe Aphorismen 88 bis 92.

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