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Mutters

Agenda

siebenten Band

9. März 1966

Ich würde dir gern eine Frage stellen, die ich dir schon letztes Mal stellen wollte... Wenn man in diesem ewigen Bewußtsein ist, macht es keinen großen Unterschied, ob man in einem Körper oder ohne Körper ist. Wenn man aber sozusagen "tot" ist, so möchte ich gern wissen, ob die Wahrnehmung der materiellen Welt klar und präzise bleibt oder ob sie genauso verschwommen und unpräzise wird, wie es das Bewußtsein der anderen Welten ist, wenn man auf dieser Seite, in dieser Welt lebt? Sri Aurobindo spricht von einem Versteckspiel, aber dieses Versteckspiel ist nur interessant, wenn der eine Seinszustand nicht das Bewußtsein der anderen Zustände verhindert.

Gestern oder vorgestern sagte etwas von morgens an den ganzen Tag über: "Ich bin... ich bin oder ich habe das Bewußtsein des Todes auf der Erde." Ich übertrage das in Worte, doch es war, als werde gesagt: "So ist das Bewußtsein eines Toten gegenüber der Erde und den physischen Dingen... Ich bin eine Tote, die auf der Erde lebt." Entsprechend der Position des Bewußtseins (denn das Bewußtsein verändert seine Position ständig) lautete es: "So sind die Toten gegenüber der Erde", dann: "Ich bin ganz wie eine Tote gegenüber der Erde", dann: "Ich lebe, wie eine Tote ohne das Bewußtsein der Erde lebt", dann: "Ich bin vollkommen wie eine Tote, die auf der Erde lebt ..." und so ging es weiter. Dabei sprach, handelte und machte ich weiterhin meine Arbeit wie gewöhnlich.

Aber das ist seit langem so.

Während langer Zeit, mehr als zwei Jahre lang, sah ich die Welt so (aufsteigende Bewegung von einer Ebene zur nächst höheren), und jetzt sehe ich sie so (absteigende Bewegung). Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll, denn es hat nichts Mentalisiertes an sich, und die nicht-mentalisierten Empfindungen haben eine gewisse Unschärfe, die schwierig zu definieren ist. Aber die Worte und das Denken befanden sich in einer gewissen Entfernung (Geste über dem Kopf), wie etwas, das betrachtet und abschätzt – das sagt, was es sieht – etwas, das ringsumher ist. Heute war es zwei- oder dreimal sehr stark (ich will damit sagen, daß der Zustand das ganze Bewußtsein beherrschte), eine Art Eindruck (oder Empfindung oder Wahrnehmung, aber es ist nichts von alledem): ich bin eine Tote, die auf der Erde lebt.

Wie soll ich das erklären?

Zum Beispiel fehlt dem Sehen die objektive Genauigkeit (Mutter macht eine Geste, daß sie nicht mit den Augen sieht). Ich sehe durch das Bewußtsein und mit ihm. Auch höre ich auf eine ganz andere Weise; es ist eine Art "Unterscheidungsvermögen" (nicht "Urteilsvermögen"), etwas das in der Wahrnehmung auswählt, etwas, das entscheidet (entscheidet, aber nicht willentlich, sondern automatisch), was gehört wird und was nicht, was wahrgenommen wird und was nicht. Das ist schon beim Sehen da, aber noch viel stärker beim Hören: bei gewissen Dingen hört man nur ein Dröhnen oder ein Brummen, andere hört man kristallklar, wieder andere sind verschwommen, man hört nur zur Hälfte. Bei der Sicht ist es dasselbe: alles liegt hinter einem lichten Nebel (sehr licht, aber ein Nebel, das heißt, es gibt keine Genauigkeit, keine Schärfe), und dann plötzlich erscheint etwas absolut präzise und klar, eine genaueste Sicht der Details. Im allgemeinen ist das Sehen der Ausdruck des Bewußtseins der Dinge. Das heißt, alles erscheint immer subjektiver, immer weniger objektiv... Und es sind nicht Visionen, die sich der Sicht aufdrängen, oder Lärm, der sich dem Hören aufdrängt, sondern eine Art Bewußtseinsbewegung, die bestimmte Dinge wahrnehmbar macht und gewisse andere wie auf einem sehr unscharfen Hintergrund beläßt.

Das Bewußtsein wählt, was es sehen möchte.

Es ist nichts Persönliches, in keiner Weise. Es erweckt natürlich den Eindruck einer Wahl und einer Entscheidung, aber es besteht keinerlei Empfindung einer persönlichen Wahl oder Entscheidung – übrigens reduziert sich das Persönliche auf die Notwendigkeit, das hier (Mutter zwickt die Haut ihrer Hände) eingreifen zu lassen. Wie beim Essen – das ist sehr seltsam... Es ist wie jemand, der einen Körper beobachtet, der nicht einmal sehr genau und sehr bestimmt ist, sondern eine Art Konglomerat, das zusammengehalten wird und... einer Sache beiwohnt, die abläuft. Nein, das ist wirklich ein merkwürdiger Zustand. Heute war es sehr stark, vom Augenblick des Aufstehens an bis jetzt beherrschte es das ganze Bewußtsein. Zuweilen hat man sogar den Eindruck, ein Nichts könnte einen den Kontakt verlieren lassen (Geste des Bruches, als wäre das Bindeglied mit dem Körper gerissen), und nur wenn man ganz unbewegt und indifferent bleibt – reaktionslos –, könne das weiterbestehen.

Im Bewußtsein der Menschen um mich herum (das wird sehr klar wahrgenommen) hat sich das den ganzen Morgen über in Form des Gedankens ausgedrückt: "Oh, Mutter ist SEHR müde." Aber es gibt diesen Zustand der Indifferenz, einer Unempfänglichkeit für die Schwingungen der Umgebung, der es einem erlaubt weiterzumachen; andernfalls spürt man, daß ... (dieselbe Geste des Bruches) etwas ernsthaft in Unordnung geraten könnte. Ein oder zwei Male mußte ich wieder nach innen gehen und unbewegt werden, dann geht es weiter. Und genau in dem Moment, wo es so war, kam etwas, das mir sagte (aber ohne Worte): "Wenn Satprem kommt, wirst du verstehen." Und dann trat eine Gelassenheit ein, weil der Augenblick... (wie soll ich sagen?) sehr unbestimmt war. Es war wie eine Entspannung: "Du wirst es verstehen, wenn er da ist, dann wirst du die Erklärung finden."

Diesen Erfahrungen geht stets eine Art sehr inniger und innerlicher Annäherung der Höchsten Gegenwart voraus, mit etwas wie einem leisen Wink: "Bist du zu allem bereit?" (das war vorgestern in der Nacht). Natürlich sagte ich: "Zu allem." Damit verstärkt sich die Gegenwart zu einer so wunderbaren Intensität, daß sie eine Art Sehnsucht des ganzen Wesens hervorruft, daß es ständig so sei. Nichts existiert mehr außer Dem, nichts hat eine Existenzberechtigung außer Dem. Und im Innern kommt dieses Flüstern: "Bist du zu allem bereit?"

Ich spreche vom Körper. Es geht nicht um die inneren Wesensteile, sondern um den Körper.

Und der Körper sagt immer ja, er macht so (Geste der Hingabe). Keine Wahl, keine Vorliebe, nicht einmal mehr eine Aspiration: eine totale, absolute Überantwortung. Und dann kommen mir solche Dinge, gestern hieß es den ganzen Tag lang: "Eine Tote, die auf der Erde lebt." Mit der noch nicht sehr ausgeprägten, aber hinreichend klaren Wahrnehmung eines sehr großen Unterschieds zwischen dieser Art zu leben und jener der anderen Menschen, all derer, die mit mir sprechen, mit denen ich lebe. Es ist noch nicht scharf getrennt, definiert oder präzise, doch es ist sehr klar – sehr klar und gut wahrnehmbar. Eine andere Art zu leben.

Man könnte den Eindruck bekommen, daß dies vom Gesichtspunkt des Bewußtseins aus kein Vorteil ist, da die Dinge sich verwischen. Ich weiß nicht – ist diese Seinsart von Vorteil?

Es kann nur ein Übergang sein. Es ist eine Übergangsweise.

Vom Gesichtspunkt des Bewußtseins aus ist es ein ungeheurer Gewinn. Weil alle Sklaverei, alles Verhaftetsein an die äußeren Dinge vorbei ist – vollständig weggefallen, eine absolute Freiheit. Das heißt, es gibt nur noch Das, den Höchsten Herrn, der der Meister ist. Von diesem Gesichtspunkt aus kann es nur ein Gewinn sein. Es ist eine derart radikale Verwirklichung... Es scheint eine Absolutheit an Freiheit zu sein, etwas, das man im gewöhnlichen Leben auf der Erde für unerreichbar hält.

Es entspricht der Erfahrung absoluter Freiheit, die man in den höheren Teilen des Wesens hat, wenn man überhaupt nicht mehr vom Körper abhängig ist. Das Bemerkenswerte daran ist jedoch (ich betone das sehr), daß hier das Bewußtsein DES KÖRPERS diese Erfahrungen macht... und es ist ein Körper, der sichtlich noch hier ist!

Allerdings bleibt nichts mehr von dem, was den menschlichen Wesen "Vertrauen ins Leben" gibt. Es scheint keinerlei Unterstützung von der äußeren Welt mehr zu geben; es gibt nichts mehr außer... dem höchsten Willen. Um es in gewöhnliche Worte zu fassen: Der Körper hat den Eindruck, einzig und allein zu leben, weil der höchste Herr will, daß er lebt. Andernfalls könnte er nicht leben.

Ja, aber mir scheint, daß ein Zustand der Vollkommenheit alles umfassen müßte, das heißt, daß man im höchsten Zustand sein kann, ohne daß dieser den materiellen Zustand aufhebt.

Er hebt ihn ja gar nicht auf.

Aber du sagst doch, es sei "weit" weg, es liege "hinter einem Schleier", es hätte nicht mehr dieselbe Genauigkeit und Präzision.

Das ist eine rein menschliche und oberflächliche Wahrnehmung. Ich habe keineswegs den Eindruck, etwas verloren zu haben, im Gegenteil! Ich habe vielmehr den Eindruck eines sehr viel höheren Zustands im Vergleich zu dem, den ich hatte.

Selbst vom materiellen Blickwinkel aus?

Was der Herr will, wird getan – das ist alles. Dort fängt es an, und dort hört es auf.

Wenn Er mir sagen würde... Was immer Er will, daß der Körper tut, das kann er auch tun; er hängt nicht mehr von physischen Gesetzen ab.

Was Er sehen will, das sieht er; was Er hören will, das hört er.

Ganz genau.

Und wenn Er materiell sehen oder hören will, so sieht und hört er vollkommen.

Ja, vollkommen. Zuweilen ist die Sicht viel genauer als je zuvor. Aber das ist flüchtig: es kommt und geht; wahrscheinlich weil es nur eine Art Zusicherung dessen ist, was sein wird. Aber was zum Beispiel die Wahrnehmung der inneren Wirklichkeit der Leute betrifft (nicht dessen, was sie zu sein glauben, auch nicht, was sie zu sein vorgeben oder was sie zu sein scheinen – all das verschwindet), nein, die Wahrnehmung ihrer inneren Wirklichkeit ist unendlich viel präziser als vorher. Sehe ich zum Beispiel ein Foto, geht es nicht mehr darum, durch etwas "hindurch" zu sehen: ich sehe beinahe ausschließlich das, was diese Person IST. Das "hindurch" verringert sich so weit, daß es mitunter gar nicht mehr existiert.

Wenn natürlich ein menschlicher Wille seinen Einfluß auf diesen Körper geltend machen wollte, wenn ein menschlicher Wille sagen würde: "Mutter muß dies oder jenes tun, oder sie muß dieses oder jenes tun können ...", so wäre er vollständig enttäuscht und würde sich sagen: "Sie ist zu nichts mehr nütze", weil ihm der Körper nicht mehr gehorchen würde. Und fortwährend drängen die Menschen einander ihren Willen auf, oder der Mensch selbst empfängt die Suggestionen und manifestiert sie wie seinen eigenen Willen, ohne sich bewußt zu werden, daß all dies die äußere Lüge ist.

(Schweigen)

Es besteht eine Art Gewißheit im Körper, daß, wenn ich auch nur ein paar Sekunden lang den Kontakt mit dem Höchsten verlöre ("ich" meint den Körper), der Körper augenblicklich sterben würde. Nur der Höchste hält ihn noch am Leben. Das stimmt. Für das unwissende und dumme Bewußtsein der Menschen ist das natürlich ein beklagenswerter Zustand – für mich ist es der wahre! Denn für sie liegt das Zeichen der Vollkommenheit instinktiv, spontan und man könnte sagen auf eine absolute Weise in der Macht des Lebens, des gewöhnlichen Lebens... Und die existiert überhaupt nicht mehr – sie ist vollständig verschwunden.

Gut, etliche Male stellte der Körper die Frage: "Warum spüre ich nicht Deine Macht und Deine Kraft in mir?" Die Antwort kam immer lächelnd (man überträgt das in Worte, aber es geschieht ohne Worte), die Antwort lautete immer: "Geduld, Geduld, du mußt BEREIT sein, damit das geschehen kann!"

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