SITE OF SRI AUROBINDO'S & MOTHER'S  YOGA
      
Home Page | 08 Bande

Mutters

Agenda

achten Band

15. Juli 1967

Hier lebt ein Mann namens S, er ist über vierzig (ja, mindestens, ich glaube, er nähert sich den Fünfzigern), und er lernte Französisch, aber auf so energische Weise, daß er es wirklich bemerkenswert gut schreibt. Er stellt mir regelmäßig Fragen auf französisch, und wegen der Sorgfalt, mit der er schreibt, antworte ich. Neulich schrieb er mir, er habe bemerkt, daß die Aspiration zum Fortschritt und das Ergebnis der Aspiration beides die göttliche Gnade seien, die Wirkung der göttlichen Gnade... (ich erinnere mich nicht mehr an seine Worte, aber es war sehr gut). Da sagte ich mir: "Na, sehen wir doch mal, ob er genug Französisch kennt, um Sinn für Humor zu haben." Ich antwortete ihm folgendes:

Auf humoristische Weise könnte man sagen, daß wir alle göttlich sind, aber es kaum wissen, und daß wir gerade den Teil unseres Wesens, der dies nicht weiß oder sich nicht als göttlich erkennt, uns selbst nennen!

Ich bin gespannt auf seine Reaktion.

Nachher kam etwas, und ich schrieb es in seiner endgültigen Form:

Aus der Sicht der Wahrheit sind wir alle göttlich, aber wir wissen es nicht, und es ist gerade dasjenige in unserem Wesen, das sich nicht als göttlich erkennt, was wir uns selbst nennen.

Auf englisch ist es besser:

For the Truth-vision all of us are divine, but we scarcely know it, and in our being it is just what does not know it that we call ourselves.

*
*   *

(Etwas später, wegen eines orthographischen Fehlers, auf den Satprem Mutter hinweist:)

Hier steht der Infinitiv, liebe Mutter.

(Mutter lacht) Ich habe meine Grammatik vergessen!

Das verstehe ich sehr gut! Es ist so künstlich.

Ich habe überhaupt kein Gedächtnis mehr, außer dem Bewußtsein, und im Bewußtsein macht es keinen Sinn.

Oh, kürzlich kamen Beispiele, die sich vor mir entfalteten, und ich sagte mir: "Aber warum ist das so? Das ergibt keinen Sinn, es entspricht keiner Realität."

Wie nahm die Grammatik Form an? – Aus Gewohnheit? Oder wurde dies aus dem Kopf entschieden?

Aus dem Kopf: Grammatiker.

Eine ganze Welt von Dingen, die man nur aus Gewohnheit kennt, auf automatische Weise, ist völlig ausgelöscht worden (denn alle Gewohnheiten in mir werden zunehmend ausgelöscht). Das ist manchmal peinlich. Es kommt alles wieder, alle diese Dinge erscheinen wieder wie auf einem Bildschirm (aber auf dem Schirm des Bewußtseins). Diejenigen, die einer Wirklichkeit entsprechen, treten hervor wie ein Bild, mit einer Realität dahinter, dann ist es sehr einfach: man erfaßt die Realität, und es ist vorbei. Aber bei vielen ist nur ein Abbild vorhanden und nichts dahinter. Wie soll man das ersetzen?

In Hinblick auf die Welt der Sprachen ist es sehr interessant... Manche Dinge kommen, bleiben ein oder zwei Stunden, um dann wieder zu verschwinden – wie Lektionen, um gewisse Dinge zu lernen. Und so kam eines Tages die Frage der verschiedenen Sprachen auf. Diese Sprachen haben sich allmählich entwickelt (wahrscheinlich durch den Gebrauch, und dann, wie du sagst, setzte es sich eines Tages jemand in den Kopf, das Ganze logisch, grammatisch zu fixieren), aber hinter den Sprachen liegen identische Erfahrungen – identisch in ihrer Essenz. Sicherlich gibt es Töne, die diesen Erfahrungen entsprechen, und diese Töne finden sich in den Sprachen wieder, in Form verschiedener Laute mit ganz geringen Abweichungen. Und eines Tages (während langer Zeit, mehr als einer Stunde) lief das vor mir ab, gestützt durch alle Beweise, in allen Sprachen. Unglücklicherweise sah ich nicht klar, es war Nacht, ich konnte es nicht aufschreiben, und so verlor es sich. Aber es kommt sicher wieder. Das war wirklich interessant... (Mutter versucht sich an die Erfahrung zu erinnern) Es gab sogar Sprachen, die ich nie zuvor gehört hatte: ich hörte viele europäische Sprachen, mehrere indische Sprachen, hauptsächlich Sanskrit, dann Japanisch. Manche Sprachen hatte ich nie zuvor gehört. Alles war da, mitsamt den Lauten. Gewisse Laute kamen von ganz oben, Laute... (wie soll ich sagen?), die man wesentlich nennen könnte, und ich sah, wie diese Form annahmen und sich in den Sprachen abwandelten (Mutter zeichnet eine gewundene Linie, die herabsteigt und sich beim Herabsteigen verzweigt). Laute, die wie die Bejahung und die Verneinung waren – das, was für uns "ja" und "nein" bedeutet –, und dann der Ausdruck für bestimmte Beziehungen... (Mutter versucht sich zu erinnern). Aber es war interessant, daß es mit einer Vielzahl von Worten kam, die ich zum Teil gar nicht kannte – in jenem Augenblick verstand ich sie (das Wissen kommt irgendwie aus dem Unterbewußten), ich kannte alle diese Worte.

Gleichzeitig bestand eine Art Fähigkeit, eine Möglichkeit oder ein Zustand, in dem man all diese Sprachen verstehen konnte. Alle Sprachen waren verständlich aufgrund ihrer Verbindung mit dieser Region (Geste nach oben, zum Ursprung der Töne). Es schien keinerlei Mühe zu bereiten, alle diese Sprachen zu verstehen. Es gab eine fast graphische Erklärung (die gleiche gewundene Linie, die sich auf ihrem Weg nach unten verzweigt), die zeigte, wie der Ton sich verformte und dies oder das oder jenes ergab...

Dieses Beobachtungsfeld ist Teil einer ganzen Studie von Schwingungen: wie die wesentlichen Schwingungen sich im Laufe ihrer Ausbreitung verformen und verschiedene Zustände verursachen – in psychologischer Hinsicht, das Denken und das Handeln betreffend und auch in sprachlicher Hinsicht, den Ausdruck betreffend.

Vor zwei oder drei Tagen sah ich (das gehört zum selben Bereich) ein Mädchen, das in Amerika geboren wurde, und zwar genau dann, als wir hier am 4.5.67 die Meditation abhielten. Die Kleine wurde in Amerika geboren (von einer Inderin und einem Inder, der Vater war hier, die Mutter dort drüben), und man brachte es mir: ein Baby, nicht größer als so, winzig klein! Die Augen geschlossen, ganz klein: zwei Monate und etwas. Das Kleine schlief in den Armen seiner Mutter, die Augen natürlich geschlossen. Und dann, paff! legten sie es mir auf den Schoß, ohne Vorbereitung. Zu Beginn bewegte ich mich nicht, ich ließ ihm Zeit, sich an die neue Schwingung zu gewöhnen. Es begann sich zu bewegen, als ob etwas es geweckt hätte, wahrscheinlich der Unterschied der Atmosphäre. Sofort brachte ich das Bewußtsein herab (Geste der Herabkunft): das Bewußtsein, die Gegenwart. Das Kind öffnete beide Arme (Geste wie Christus, der die Arme ausbreitet), und es öffnete seine Augen und schaute – seine Augen strahlten vor Licht, vor Bewußtsein, großartig!... Dies dauerte vielleicht eine Minute, nicht einmal. Dann spürte ich so etwas wie ein Zusammenfahren im Kind, deshalb zog ich die Kraft zurück, denn (lachend) ich sah mich vor. Es begann zu strampeln, zu... Aber der Blick und die Bewegung – eine Bewegung von... (dieselbe Geste wie oben) mit einer Aspiration und einem Licht... Großartig!

Ich weiß nicht, wer es ist... Eines Tages werden wir es erfahren. Es wird hier bleiben. Ich hatte eher den Eindruck einer Kraft oder eines Prinzips als den einer Person. Es hatte nicht den ausgeprägten Charakter einer Persönlichkeit.

Die Augen waren wunderschön, mit einem solchen Bewußtsein! Mit der Freude einer bewußten Aspiration, einfach großartig. Danach bekam es fast wie einen Krampf (es war zu viel), da zog ich die Kraft zurück.

Der Stoff (des Kindes) war von guter Qualität, nicht schwer, nur nicht viel Kraft, nicht genügend Kraft, um "das" auszuhalten.

Hier, ich wollte dir die Fotos von R zeigen, die mir gestern geschickt wurden. R ist ein munterer Bursche.

Ist er einfach ein Produkt seiner Eltern oder etwas anderes?

Am Tage der Geburt des Kindes kam ein Telegramm aus Amerika (datiert vom Vortag), den Tod Paul Richards ankündigend. Die beiden Dinge geschahen zur selben Zeit. Ich war verblüfft. Ich gestehe, daß ich mir sagte: "Sieh an!" Denn ich gab Paul Richard ein großes okkultes Wissen mit, mitsamt der Fähigkeit, seinen Körper zu verlassen und in einen anderen einzutreten. Folglich ist dies nicht unmöglich (wenn er nicht völlig abgestumpft ist, seit ich ihn verließ).

Seit einiger Zeit (ungefähr seit einer Woche) sah ich seine Gedanken, die hierherkamen und hier ihre Kreise zogen. Das heißt, die Ankündigung seines Todes war für mich keine Überraschung mehr. Aber mich interessierte das Zusammentreffen des Telegramms und der Geburt.

Die gegenwärtige Form (des Kindes) kann dies (Richard) nicht widerspiegeln: es wird sich allmählich in diesem Sinn weiterentwickeln. Wir werden sehen. Für den Augenblick ist er wirklich der Sohn seines Vaters und seiner Mutter.

Es sind interessante Kinder, die jetzt kommen.

*
*   *

(Dann hört sich Mutter die schriftlichen Fragen eines Schülers über die Seele und das "psychische Wesen" an:)

Er fragt folgendes: "Von Leben zu Leben entwickeln sich die Schwingungen des Wesens, bereichern sich und bilden die psychische Persönlichkeit hinter der vordergründigen Persönlichkeit. Wie bleibt das Psychische frei, wenn es durch diese Schwingungen und Erinnerungen belastet wird?

Was? Verstehst du, was das heißen soll?

Diese zwei Dinge haben wenig Beziehung zueinander.

Aber warum sagt er "belastet"?

Alle diese Schwingungen, die zur Entwicklung des Wesens beitragen, belasten das Psychische, sagt er.

Nein, es SIEBT SIE. Genau das passiert! Das Psychische merkt sich die Dinge nicht in ihrer Totalität: es filtert sie heraus – nach und nach klärt es die Schwingungen ab.

Die psychische Erinnerung ist eine selektive Sicht der Ereignisse. Beispielsweise gab es in vergangenen Leben Momente, wo das Psychische aus irgendeinem Grund anwesend war und teilnahm. Somit bewahrt es eine Erinnerung an einen speziellen Umstand, und zwar eine Erinnerung an das PSYCHISCHE Leben jenes Augenblicks; selbst wenn es die Erinnerung an eine Szene bewahrt, ist es ein vereinfachtes Bild, eine Ausdrucksform des psychischen Bewußtseins, entsprechend der psychischen Schwingung aller anwesenden Leute.

Er würde keine solche Frage stellen, wenn er jemals eine psychische Erinnerung gehabt hätte – wenn man sie einmal hat, ist es ganz offensichtlich.

Noch bevor ich dies wußte, bevor ich Théon traf und diese Dinge lernte, hatte ich Erinnerungen, die mich immer durch ihren speziellen Charakter verblüfften... Als spürte man nicht genau die Emotion, aber doch eine gewisse emotionale Schwingung des Umstandes. Das ist voll, es bleibt und ist dauerhaft. Damit hat man dann eine gewisse, etwas vage und verschwommene Wahrnehmung der damals anwesenden Leute, der Umstände und Ereignisse, und das hinterläßt eine psychische Erinnerung.

Oft sind es nicht die Ereignisse, die man für die denkwürdigsten oder wichtigsten Ereignisse im Leben hält, sondern jene Momente, an denen das Psychische teilnahm – wo es bewußt am Ereignis teilnahm. Das bleibt bestehen.

Ich könnte viele Beispiele dafür nennen, das ist sehr interessant.

Viele erlebte ich in Italien. Ich reiste dort mit meiner Mutter, als ich fünfzehn war, und ich hatte ein vergangenes Leben in Italien gehabt, das sehr bewußt war. Als wir die einzelnen Orte besuchten, stellte sich genau dies plötzlich ein (die emotionale, psychische Schwingung), zusammen mit der Szene... Zuerst kommt die psychische Bewegung (das Wort Emotion ist nicht gut). Die psychische Bewegung steht im Vordergrund, auf sie kommt es an, und sie kehrt in die Erinnerung zurück; der Rest ist wie eine Hintergrundstaffage, d.h. die äußeren Formen, die Situationen, die Ereignisse... Einige notierte ich mir. Hast du nie etwas gesehen, das ich über dieses Leben in Italien schrieb? Eine alte Geschichte... Mit fünfzehn Jahren hatte ich diese Erfahrung. Ich weiß nicht mehr, wo ich es einordnete; ich glaube nicht, daß ich das Papier noch habe... Ich erzählte ein wenig später davon. Als ich Théon traf, verstand ich, was mir geschehen war, denn er erklärte mir den Vorgang – ich hatte nichts darüber erwähnt, aber später, als ich alles über die Wesenszustände und ihre Funktionen wußte, verstand ich, daß es eine psychische Erinnerung war.

Bevor ich mental irgend etwas wußte, hatte ich schon eine beachtliche Anzahl Erinnerungen an vergangene Leben dieser Art: echte, psychische Erinnerungen, keine mentalen Erfindungen. Zuerst macht sich die psychische "Emotion", das Empfinden bemerkbar – das lebendig und stark ist, nicht wahr, sehr stark –, gefolgt von einer Art Hintergrundstaffage von Formen, Erscheinungen und Umständen, einfach so, etwas von der Natur einer nebelhaften Erinnerung, die mit der psychischen Empfindung einhergeht.

Bei der Erfahrung in Italien war ich fünfzehn, ich reiste mit meiner Mutter, und es verblüffte mich sehr – es war auch sehr verblüffend, denn es war die Erinnerung daran, wie ich im Gefängnis der Dogen erwürgt worden war. Eine ganze Geschichte. Später erkundigte ich mich nach den Namen, den Tatsachen, den Ereignissen (ich hatte Gelegenheit, in Venedig Nachforschungen anzustellen, und alles stimmte auf wunderbare Weise überein). Aber in äußerlicher Hinsicht war interessant, daß... Mit meiner Mutter und einer Gruppe Reisender besichtigte ich den Palazzo ducale. Schließlich landeten wir im Kellergeschoß, wo sich die Verliese befanden. Der Fremdenführer begann irgendeine Geschichte zu erzählen (die mich nicht interessierte), als ich ganz plötzlich von einer Art Kraft ergriffen wurde, die in mich eintrat, und dann, ohne mir dessen bewußt zu sein, ging ich in eine Ecke und sah ein hingekritzeltes Wort. Es war... Und gleichzeitig stellte sich die Erinnerung ein, daß ich es selber geschrieben hatte. Die ganze Szene kam nun zurück: Ich hatte dieses Wort an die Wand gekritzelt – ich sah es mit meinen eigenen Augen, die Schrift war erhalten geblieben. Der Führer sagte, daß man alle Wände, die Beschriftungen von den Gefangenen des Dogen aufwiesen, unversehrt gelassen hatte. Die Szene ging weiter. Ich sah oder ich hatte das Gefühl, als ob Leute einträten und mich packten. Ich war mit einem anderen Gefangenen zusammen – der Gefangene war nicht ich: ich besuchte den Gefangenen. Dann traten plötzlich Leute ein, packten mich (Mutter zeigt auf ihren Nacken) und legten mir Fesseln an. Und darauf – ich befand mich in einer Gruppe von etwa zehn Leuten, die dem Führer zuhörten, und zwar in der Nähe einer kleinen Öffnung, die auf den Kanal hinausging – die Empfindung, hochgehoben und durch die Öffnung geworfen zu werden. Nun, ich war fünfzehnjährig, somit... Ich sagte zu meiner Mutter: "Komm, laß uns gehen!" (Mutter lacht)

Es war schwierig, nicht die Fassung zu verlieren. Wir gingen hinaus. Aber nachher stellte ich Nachforschungen an; ich erkundigte mich, ich ging der Sache nach (wir hatten Verwandte dort, ich kannte einige Leute 1). Und ich fand heraus, daß es wirklich stimmte. Es war eine historisch verbürgte Geschichte: Ein Doge 2 hatte den Sohn seines Vorgängers, der eine Gefahr für ihn darstellte, ins Gefängnis gesteckt, denn dieser hatte versucht, die Nachfolge seines Vaters anzutreten. Also ließ der Doge, der die Nachfolge selbst unrechtmäßig angetreten hatte, den Sohn seines Vorgängers ins Gefängnis werfen. Die Tochter des Dogen aber war in diesen Sohn verliebt, und es gelang ihr, ihn zu besuchen. Darauf beschloß der Doge, rasend vor Wut, sie ertränken zu lassen. Die ganze Geschichte war da. Es war völlig spontan. Ich wußte absolut nichts davon – in anderen Ländern weiß man nichts von diesen Geschichten, nur den Einheimischen sind sie bekannt. Aber das Interessanteste daran war jenes Etwas, das mir sagte: "Dort." Ich ging hin, um zu schauen, und fand an der Wand genau das geschrieben, was ich, wie ich mich erinnerte, selbst an die Wand geschrieben hatte.

Ich habe viele solcher Erinnerungen, aber diese war wirklich interessant. Daher kenne ich genau die Beschaffenheit der Dinge, die bestehenbleiben, die Teil der Entwicklung des psychischen Wesens sind.

Etwas später hatte ich eine Erfahrung (mit achtzehn, neunzehn Jahren), wo ich mich plötzlich in Männerkleidung auf einem Pferd vorfand und Heere zu einem phantastischen Sieg führte. Die glorreiche Empfindung der Gegenwart der Siegeskraft bewirkte, daß ich das ganze Heer zum Sieg führte. Später erinnerte ich mich an die Kleidung, die ich trug, und an die Kleidung der Leute, an all das, und dann... sah ich, daß es der berühmte Sieg von Murat war. 3 Ich war... (wie soll ich sagen?) der siegreiche Geist in Murat. DAS IST ALLES. Wenn die Leute einem erzählen: "Ich war dieser, ich war jener", sind das Geschichten: es sind Kräfte, Bewußtseinszustände, die sich in gewissen Individualitäten in gewissen Augenblicken ihres Lebens manifestierten und da konkret die Materie berührten. All das vereint sich ganz allmählich und bringt ein bewußtes Wesen hervor.

Jetzt ist dies ein recht spezielles bewußtes Wesen (das von Mutter)... Das Psychische dieses Lebens (lachend) war ziemlich kollektiv. Erinnerungen an Katharina von Rußland, Erinnerungen an Elisabeth, Erinnerungen an zwei Leben zur gleichen Zeit 4 (!) zur Zeit Franz I., unzählige Erinnerungen... alle völlig unterschiedlich. Und jede... Es ist nicht so, als sei man sein ganzes Leben in dieser oder jener Person gewesen: man war der psychisch wichtige MOMENT in diesen Existenzen.

Als ich hierher kam, kümmerte ich mich nicht mehr um all das – es gehörte zum okkulten und nicht zum spirituellen Wissen. Ich beschäftigte mich nicht mehr damit. Aber jetzt, wo sich alles sammelt, taucht es auf diese Art wieder auf, als ein Teil der Arbeit, denn... in jenem Moment, als ich die Visionen hatte, erlebten die Zellen sie insofern mit, als sie die Schwingungen in sich hatten; all diese Schwingungen waren also an der Bildung all dieser Zellen beteiligt, und jetzt leben sie das wieder. Das gibt ihnen eine Möglichkeit von Weite, von Mannigfaltigkeit, von Synthese und Koordination vieler, vieler Dinge. Und die Empfindung, seit langer, langer Zeit so gelebt zu haben.

(Schweigen)

Bevor ich zum ersten Mal nach Indien kam, als ich zweiundzwanzig war und nichts von Spiritualität usw. wußte, verbrachte ich einen Monat in Ägypten, und während dieses Monats lebte ich in einem außerordentlichen Zustand der Ergriffenheit, ohne zu wissen, warum.

Ach!

Ich war in einem ständigen Zustand der Ergriffenheit: alles berührte mich zutiefst, Ägypten machte einen außergewöhnlichen Eindruck auf mich.

Ach! Aber wir haben zusammen in Ägypten gelebt. Ich kannte dich zur Zeit Ägyptens 5 . Du bist einer von jenen, zu denen ich in Ägypten sagte: "Ich verspreche dir, daß du teilnehmen wirst... daß du zur Stunde der Verwirklichung auf der Erde sein wirst." Es gibt ein paar – nicht viele (Mutter macht eine die ganze Welt andeutende Geste).

Aber das weiß ich! (Mutter lacht)

Ich versprach es einigen – nicht allen gleichzeitig: zu verschiedenen Epochen.

Warst du in Theben?

Ja, ich war in Theben.

Hat es dir gefallen?

Oh, es war... gerade da war ich am tiefsten ergriffen.

So ist es.

(Schweigen)

Gewöhnlich spreche ich nicht von diesen Dingen, denn es bindet die Leute an die Vergangenheit: sie versuchen, das, was sie gelebt haben, wieder zu leben, das verdirbt alles, verstehst du.

Aber dies ist eine Art Empfindung, die ich habe: Es hat keinen Bezug zu dem (Geste zum Kopf), es ist eine Empfindung, das Gefühl einer Atmosphäre oder vielmehr einer Art schon empfundener Schwingung, und daher ist das Wann und Wo leicht zurückzuverfolgen. Es gibt amüsante Dinge.

Ägypten war eine äußerst okkulte Epoche, sie hatten ein echtes okkultes Wissen zu jener Zeit. Das gibt einem eine Macht über das Unsichtbare, man kann dort bewußt handeln.

Zu einem gewissen Moment (es dauerte nicht lange) aber für einige Tage spürte ich ein Art Bedürfnis zu wissen, wie man sprach, welche Laute man benutzte (ich glaube, ich habe dir das schon erzählt) 6 . Hätte ich darauf bestanden, wäre es wahrscheinlich gekommen: wie ich die Dinge sagte, wie dieses Bewußtsein sich ausdrückte. Das ist nicht erhalten geblieben.

Unser Zeitalter wird viel dauerhafter in Erinnerung bleiben... wenn die Dinge nicht zerstört werden – man wird nur einen Apparat anzustellen brauchen.

Leider gibt es nicht viel Wertvolles von unserer Epoche aufzuheben!

Ach... Etwas ist bemerkenswert: zu allen Zeiten und wahrscheinlich im Gegenteil, je weiter man in die Vergangenheit zurückgeht, desto mehr findet sich ein Durcheinander völlig uninteressanter Dinge, die verschwinden. Sie verschwinden, sie werden ausgelöscht. Nur was ein interessantes inneres Leben hatte, bleibt bestehen. Uns scheint die Vergangenheit viel interessanter zu sein als die Gegenwart, aber das ganze Durcheinander unseres Zeitalters wird ebenfalls verschwinden und auf diese Weise aufgelöst werden: nur das Beste wird bestehenbleiben, außer man hebt mechanisch einen Haufen Aufnahmen vieler Dummheiten auf. Aber sonst...

Ich habe zum Beispiel den Eindruck, daß man zur Zeit Assyriens ein Mittel gefunden hatte, den Ton aufzunehmen und zu bewahren. Das muß zerstört worden sein, es ist verschwunden. Aber es ist ein sehr starker Eindruck, verbunden mit gewissen Erinnerungen und Eindrükken, wie die, von denen ich dir erzählte (die psychischen Eindrücke): das sind keine Ideen, sondern... [Schwingungen]. Sie hatten die Fähigkeit, das Unsichtbare sprechen zu lassen, verstehst du? Man hatte einen Apparat. Vielleicht wurde er mit dem übrigen zerstört?

Die älteste Erinnerung, die man hat, ist die an die ersten chinesischen Versuche. In China fand man zuerst einen Apparat, um den Ton wiederzugeben, zu bewahren und ihn wiederzugeben.

Die Chinesen waren sehr erfinderisch.

(Schweigen)

Ich hatte einen sehr starken Eindruck, der sich sozusagen kristallisierte, als ich in China war 7 (ich kenne praktisch nichts von China: ein oder zwei Städte, zwei Häfen, das ist nichts; trotzdem fängt man etwas von der Atmosphäre auf): die Menschen dort sind lunaren Ursprungs. Es muß Wesensformen auf dem Mond gegeben haben, und diese Wesen sind geflüchtet (oder einige, ich weiß es nicht), sie suchten auf der Erde Zuflucht, als der Mond starb. Das war der Ursprung der chinesischen Rasse.

Sie sind sehr sonderbar... Sie haben ganz und gar nicht dasselbe Vital wie alle anderen Menschen.

Sie haben ein eigenartiges Vital.

Welche Art von Vital?

Kalt.

Kalt: intellektuell kalt. Kalt und sehr unsensibel. Seltsamerweise ist ihre Sensibilität überhaupt nicht wie die der restlichen Menschheit, sie ist äußerst stumpf.

 

1 Erinnern wir uns daran, daß die älteste Tochter von Mutters Großmutter Ismalun, Elvira, einen Italiener geheiratet hatte.

Rückwärts zum Text

2 Später stellte Mutter einmal einen Vergleich zwischen dem Dogen und Théon an (siehe auch Agenda Bd. 3 vom 30. Juni 1962).

Rückwärts zum Text

3 Mutter erwähnte diese Erfahrung schon in der Agenda Bd. 7 vom 3. November 1966.

Rückwärts zum Text

4 Mona Lisa und Margarete von Navarra (1492-1549). Siehe Agenda Bd. 3 vom 30. Juni 1962.

Rückwärts zum Text

5 Siehe auch Agenda Bd. 1 vom 30. Oktober 1960.

Rückwärts zum Text

6 Siehe das Gespräch vom 10. Mai 1967 (Amenhotep).

Rückwärts zum Text

7 1920, auf dem Rückweg nach Pondicherry, zur Zeit als Mao Tse-tung Die Vereinigung der Volksmassen verfaßte.

Rückwärts zum Text

 

 

 

 

 

 

 

in French

in English