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Mutters

Agenda

neunten Band

6. April 1968

Ich wollte für Auroville keine Regeln aufstellen, aber ich bin trotzdem gezwungen, einige Dinge festzulegen, denn... es zeigt sich, daß es Schwierigkeiten gibt. Ich weiß nicht, wie ich das anstellen soll.

Was ich sagen wollte, kam auf eine sehr einfache Weise (Mutter nimmt eine Notiz zu Hand), einfach so (es betrifft praktische Kleinigkeiten).

"Man muß wählen, ob man sich betrinken oder in Auroville leben will, beides ist nicht miteinander vereinbar."

Es geht nicht um leichtes Trinken sondern um etwas, das zu Gewalttätigkeiten führt, das grenzt an Irrsinn.

Und wenn man sich auf diesen Weg begibt, kann man noch folgendes sagen (Mutter nimmt eine andere Notiz):

"Man muß wählen, ob man in der Falschheit oder ob man in Auroville leben will, beides ist nicht miteinander vereinbar."

Möge es so sein!

Man kann sagen, daß man sich betrinkt, um zu vergessen: doch man geht nicht nach Auroville, um zu vergessen, sondern im Gegenteil, um sich zu erinnern.

Ja, man sollte es eher so formulieren.

Die Idee ist jedoch, auf der Tatsache einer WAHL zu beharren: in Auroville zu leben bedeutet eine WAHL. Ein willentlicher Akt, eine Haltung, die man einnimmt, eine Entscheidung, die man fällt. In Auroville zu leben, bedeutet eine Wahl, man hat sich für einen bestimmten Lebensstil entschieden. Hat man sich einmal entschieden, so werden gewisse andere Optionen damit unvereinbar... Auf alle Fälle bedeutet das Leben in Auroville eine HANDLUNG, es ist eine Entscheidung, die man trifft, eine Tat.

Dies hier (Mutter deutet auf ihre Notizen) sind Zugeständnisse an den gegenwärtigen Zustand der Menschheit, denn in Wahrheit sollte es in Auroville nur die Betrachtung der Einzelfälle geben. Was ich damit sagen will, ist folgendes: es mag Leute geben, die trinken und die nichtsdestotrotz fähig sind, in Auroville zu leben. Man kann also keine allgemeingültigen Regeln aufstellen. Wenn man aber keine allgemeinverbindlichen Regeln aufstellt, auf welchem Bein soll man dann tanzen, wenn man jemandem sagen muß (der bereits akzeptiert worden ist, darin liegt die Schwierigkeit): "Nein, Sie müssen sich ändern – wenn Sie damit nicht aufhören, können Sie nicht in Auroville bleiben ..."?

Was man in bezug auf den Alkohol sagt, läßt sich ebenso über die Drogen sagen; es läßt sich über viele andere Dinge sagen.

Ja. Über sehr viele. Das ist erst ein Anfang. Ich habe das kommen sehen, verstehst du, man wird mit Notwendigkeiten konfrontiert werden... Notwendigkeiten der Wahl – es heißt: entweder-oder.

Wie bei den Drogen sind die Auswirkungen für manche Leute nicht gefährlich oder bösartig.

Im Grunde ist die Freiheit eines jeden eingeschränkt durch die Tatsache, daß er nicht die Freiheit der anderen beeinträchtigen darf. Hier liegt die Grenze.

Es ist immer schwierig, allgemeine Regeln aufzustellen.

Es ist unmöglich.

Ich erinnere mich, daß ich einige Jahre lang Opium nahm, und es tat mir gut, es besänftigte und beruhigte mich. Es jetzt zu nehmen, wäre absurd, aber in der damaligen Periode hat es nicht geschadet.

Ja, das verstehe ich sehr gut. Ich sehe das alles sehr deutlich von einem universellen Standpunkt aus... Siehst du, so etwas (Mutter zeigt ihre Notiz) kann man nur ganz bestimmten Individuen sagen, das heißt: "FÜR SIE ist das zutreffend – Sie müssen Ihre Schwäche und Ihre Gewohnheit überwinden, um in Auroville zu leben; Sie müssen wählen, beides zusammen geht nicht!" Das ist aber eine rein individuelle Frage; einem anderen braucht man das vielleicht nicht zu sagen.

In der allgemeinst möglichen Form läßt sich sagen, daß alle Selbstvergessenheit dem Leben in Auroville widerspricht. Man geht nicht nach Auroville, um zu vergessen, um sich zu vergessen – jede Art von Selbstvergessenheit, ganz gleich in welcher Form.

Ah! Aber wenn man "Selbstvergessenheit" vom geistigen Standpunkt aus nimmt... (Mutter lacht)

Das Vergessen des wahren Selbstes.

(Mutter lacht) Sobald wir es formulieren...

Es wäre exakter zu sagen:

"Alles Trachten nach Unbewußtheit steht im Gegensatz zum Leben in Auroville."

Das ist allgemeiner. Möchte man noch allgemeiner sein, könnte man sagen:

"Jede Bewegung des Zurückweichens oder des Herabstiegs steht im Gegensatz zu einem Leben in Auroville, das ein Leben des Aufstiegs und der Zukunft ist."

Aber Worte...

In den Zeitungen sind Artikel über die Einweihung Aurovilles erschienen, beispielsweise unter dem Titel "Eine Utopie wird verwirklicht". Und sofort gibt es Leute, die erklären: "Das werdet ihr nie schaffen!", denn ihr Argument ist: "Dies sind menschliche Wesen, und sie werden menschlich bleiben" – aber damit irren sie sich. "Die menschliche Natur ist unveränderlich", auf dieser Grundlage behaupten sie: "Ihr werdet damit keinen Erfolg haben." Folglich ist die einzige Notwendigkeit die, die Zukunft nicht nur zu akzeptieren und zu wollen, sondern sich an den Willen zur Transformation und zum Fortschritt zu halten. Und dies läßt sich sehr wohl als allgemeingültige Formel verwenden.

Aber siehst du, was die Drogen betrifft, so verwendet man bei Operationen zum Beispiel Chloroform; das Chloroform hat auf jedes Individuum eine unterschiedliche Wirkung (das wird in der Theorie nicht akzeptiert, aber es ist eine Tatsache). Wir haben S hier, der Anästhesist war, und das Resultat seiner Erfahrungen war, daß es auf jeden eine andere Wirkung hatte. Manche versetzt es in Unbewußtheit (die Mehrzahl), aber einige Menschen katapultiert es in ein anderes Bewußtsein.

Und dasselbe gilt für alle anderen Dinge.

Also ist meine Notiz nur für bestimmte individuelle Fälle zutreffend: "In Ihrem Fall ist das so; in einem anderen Fall muß es nicht unbedingt unvereinbar sein."

Man wird das Schritt für Schritt sehen müssen... Das wird interessant!

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